- Bei der Anfechtung der Vaterschaft durch die zuständige Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n.F. bedarf es nicht der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB.
- Zu den Voraussetzungen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB, die die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausschließt.
- In Altfällen beginnt der Lauf der Jahresfrist des § 1600 b Abs. 1 a BGB nicht vor dem 01.06.2008 (Art. 229 § 16 EGBGB). davon unberührt bleibt die absolute Fünf-Jahres-Frist des § 1600 b Abs. 1 a S. 3 BGB.
- Die gesetzliche Regelung für Altfälle, die in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, Art. 229 § 16 EGBGB getroffen worden ist, ist als unechte Rückwirkung mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot vereinbar.
Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Amtsgerichts Meppen vom 23.12.2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird im Hinblick auf das Erfordernis einer Ergänzungspflegschaft zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um eine behördliche Vaterschaftsanfechtung nach dem am 01.06.2008 in Kraft getretenen § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB.
Die Mutter des Beklagten zu 1. reiste als serbische Staatsangehörige am 29.07.1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt 1993 eine Aufenthaltserlaubnis. 1997 heiratete sie einen serbischmontenegrinischen Staatsangehörigen. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Mit Bescheid vom 21.11.2002 wurde ein weiterer Asylantrag abgelehnt. 2004 wurde die Ehe geschieden. Die familiäre Lebensgemeinschaft blieb jedoch weiter bestehen. Am …2006 wurde der Beklagten zu 1. geboren. Am 06.03.2006 erkannte der Beklagte zu 2. vor dem Standesamt Meppen die Vaterschaft für den Beklagten zu 1. an, der damit deutscher Staatsangehöriger wurde. Seine Mutter erhielt am 31.07.2007 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Auf ihren Verlängerungsantrag hin wurde vorübergehend eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 84 Abs. 4 AufenthG erteilt. Die endgültige Bescheidung des Antrags hängt von dem Ergebnis dieses Verfahrens ab.
Im Verfahren um die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis legte die Mutter einen Vaterschaftsnachweis der Firma … vom 19.07.2007 vor. Danach ist praktisch erwiesen, dass der Beklagte zu 2. der Vater des Beklagten zu 1. ist.
Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Mutter des Beklagten zu 1. wegen Verstößen gegen das Ausländergesetz wurde nach Bestellung eines Ergänzungspflegers ein Abstammungsgutachten eingeholt. Dem Gutachten der … vom 17.03.2008 zufolge ist die Vaterschaft des Beklagten zu 2. ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 10.09.2008 wurde das Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafbares Verhalten nicht vorliege.
Der Kläger hat vorgetragen, es bestehe keine sozialfamiliäre Bindung der Parteien. Dies ergebe sich sowohl aus der Zeugenaussage des Beklagten zu 2. im Ermittlungsverfahren als auch aus der Tatsache, dass die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen der Mutter des Beklagten zu 1. und ihrem geschiedenen Ehemann ununterbrochen bestehe. Der Vaterschaftsnachweis der Firma … sei manipuliert und daher unverwertbar.
Nach Ansicht des Beklagten zu 1. hat eine sozialfamiliäre Beziehung bestanden. Die Parteien hätten sich so oft wie möglich gesehen. Das Abstammungsgutachten vom 17.03.2008 sei als Beweismittel nicht verwertbar, weil eine Strafbarkeit von Anfang an nicht vorgelegen habe und zudem das Gutachten der Fa. … Zweifel an dessen Richtigkeit hervorriefen. Er meint, dass für Geburten vor Inkrafttreten der Neuregelung am 01.06.2008 kein behördliches Anfechtungsrecht gegeben sei. Zudem sei die Anfechtungsfrist verstrichen. Der Kläger habe bereits im Dezember 2006 Kenntnis der anfechtungsbegründenden Tatsachen gehabt.
Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Amtsgericht Meppen fest, dass der Beklagte zu 2. nicht Vater des Beklagten zu 1. sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das behördliche Anfechtungsrecht auch für Vaterschaftsanerkennungen vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB gelte. Eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen den Parteien sei nicht festzustellen. Im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer Vaterschaft des Beklagten zu 2. sei das Abstammungsgutachten vom 17.03.2008 als Beweismittel verwertbar. der Vaterschaftsnachweis der Firma … stehe dem nicht entgegen, da sich im Strafverfahren eine Manipulation des Tests herausgestellt habe.
Hiergegen wendet sich der Beklagte zu 1. mit der Berufung und vertritt die Ansicht, dass sowohl § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB als auch Art. 229 § 16 EGBGB gegen die Verfassung verstießen. Eine Anwendung des behördlichen Anfechtungsrechts auf Anerkennungen vor dem 01.06.2008 verstoße gegen das Rückwirkungsverbot von Gesetzen. Art. 229 § 16 EGBGB verlängere die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1a BGB in unzulässiger Weise.
Für eine Manipulation des Vaterschaftsnachweises fehle es im angefochtenen Urteil an einer Begründung. Vielmehr mache die von einem neutralen Arzt vorgenommene Identitätsprüfung durch Fingerabdruck eine Manipulation unmöglich. Es sei wahrscheinlich, dass im Rahmen der Untersuchungen zu dem Abstammungsgutachten ein Fehler unterlaufen sei. Das im Strafverfahren eingeholte Gutachten sei verfahrensfehlerhaft verwertet worden.
Der Beklagte zu 1. beantragt, das Urteil des Amtsgerichtes Meppen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Durch Beschluss vom 02.04.2009 hat der Senat die Verwertung des Abstammungsgutachtens angeordnet und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ferner hat er das zuständige Jugendamt und die Mutter des Beklagten zu 1. angehört. Die Ermittlungsakten der StA Osnabrück, Az. 820 Js 9175/07, haben vorgelegen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
1. Verfahrensrechtlich bedurfte es nicht der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB. Der Beklagte zu 1. kann gemäß § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB durch die Kindesmutter vertreten werden. § 1629 Abs. 2 a BGB regelt lediglich, dass die Mutter das Kind im gerichtlichen Verfahren nach § 1598 a Abs. 2 BGB (Klärung der Abstammung unabhängig von der Vaterschaftsanfechtung) nicht vertreten darf. Eine Entziehung der Vertretungsmacht gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1796 BGB kommt nicht in Betracht. Es fehlt an der gemäß § 1796 Abs. 2 BGB erforderlichen erheblichen Interessenkollision zwischen der vollziehbar ausreisepflichtigen Kindesmutter und dem Kind. Es besteht kein Grund für die Annahme, die Kindesinteressen würden in dem Verfahren nicht hinreichend zur Geltung gebracht. Zwar ist Grund für das Verfahren, dass die Mutter der Vaterschaftsanerkennung aus ausländerrechtlichen Gründen wider besseres Wissen zugestimmt haben soll, während das Kind grundsätzlich ein Interesse an der Feststellung seiner Abstammung hat. Die Interessen von Kind und Mutter stimmen dennoch im Wesentlichen überein, weil mit einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung die begründete Gefahr besteht, dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit und ein damit verbundenes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik verlöre. Hierin ist unter Berücksichtigung des Alters des Kindes eine vorrangig nachteilige Auswirkung zu sehen. Zudem beginnt für das Kind nach Erreichen der Volljährigkeit gemäß § 1600 b Abs. 3 BGB eine erneute Frist, innerhalb derer es die Anfechtung selbst betreiben kann, um die eigene Abstammung zu klären (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 06.01.2006 – 19 UF 1/06, AuAS 2006, 81).
Gegen die Annahme eines erheblichen Interessengegensatzes spricht auch, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ein Vertretungsverbot nicht normiert hat. Ein Interessengegensatz wäre aber konsequenter Weise in allen Verfahren der § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anzunehmen, während § 1796 Abs. 2 BGB einen konkreten, einzelfallbezogenen Interessengegensatz voraussetzt. Aus diesem Grund hätte es nahe gelegen, wenn der Gesetzgeber – wie bei Einführung des § 1598 a BGB mit Gesetz vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 441) fast zeitgleich geschehen – eine § 1629 Abs. 2 a BGB entsprechende Spezialvorschrift geschaffen hätte. Das Vertretungsverbot des § 1629 Abs. 2 a BGB ist nämlich gerade deshalb normiert worden, weil die Eltern in dem Verfahren nach § 1598 a BGB stets auch in eigenen, möglicherweise von denen des Kindes abweichenden Interessen betroffen seien (BTDrucks. 16/6561, S. 15 zu Nr. 6).
Den Interessen des Kindes ist hier im Übrigen dadurch Rechnung getragen worden, dass es im Verfahren der StA Osnabrück und der dort angestrengten DNAUntersuchung durch einen Ergänzungspfleger vertreten worden ist.
2. Die Anfechtung der Vaterschaft richtet sich gemäß Art. 19, 20 EGBGB nach deutschem Recht, weil der Beklagte zu 1. hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und zudem durch die Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 4 Abs. 1 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden ist.
Die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB liegen vor:
a) Der Beklagte zu 2. hat die Vaterschaft anerkannt, § 1592 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Im Anfechtungsverfahren besteht damit eine Vermutung für die Vaterschaft, § 1600 c Abs. 1 BGB. Der Kläger ist anfechtungsberechtigt gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB. Zuständige Behörde ist der Landkreis gemäß § 1 der nds. VO über die zuständigen Behörden für die Anfechtung der Vaterschaft vom 21.08.2008. Die Vorschrift ist auch anwendbar. Zwar ist sie erst mit Wirkung vom 01.06.2008 durch Gesetz vom 13.03.2008 (BGBl. I, 313) in Kraft getreten. Demgegenüber ist die Vaterschaft bereits am 06.03.2006 anerkannt worden. § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB gilt aber auch für Altfälle aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes. Dafür spricht zum einen der Wortlaut der Vorschrift, der keine Einschränkungen vorsieht. Zum anderen wäre die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 16 EGBGB sonst überflüssig. Schließlich hat der Gesetzgeber die Erstreckung auf Altfälle ausdrücklich beabsichtigt (BTDrucks. 16/3291 S. 18 zu Art. 2 Abs. 4 a.E.).
b) Eine sozialfamiliäre Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB, die die behördliche Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB ausschließen würde, hat das Familiengericht mit zutreffender Begründung verneint. Eine derartige Beziehung muss gemäß § 1600 Abs. 3 BGB entweder im Zeitpunkt der Anerkennung vorgelegen haben oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen. Sie wird dann vermutet, wenn der Vater mit der Kindesmutter verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (§ 1600 Abs. 4 S. 2 BGB). Diese Vermutung greift hier nicht ein, weil beide Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für den Beklagten zu 1. durch den Beklagten zu 2. setzt die Wahrnehmung von typischen Elternrechten und pflichten wie regelmäßigen Umgang, Betreuung und Erziehung sowie die Leistung von Unterhalt voraus (vgl. BTDrucks. 16/3291, S. 13). Insoweit hat der Beklagte zu 2. in seiner polizeilichen Vernehmung vom 28.02.2007 ausgesagt, er sei in der Vergangenheit „immer nach … gefahren“, um den gemeinsamen Sohn zu sehen. Er sei „zwei oder dreimal dort gewesen“. Er habe keinen weiteren Kontakt zu der Kindesmutter.
Vereinzelte Besuche allein reichen für eine sozialfamiliäre Beziehung nicht aus. Den anderslautenden Angaben der Kindesmutter in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung hat der Senat keinen Glauben geschenkt. Danach soll der Beklagte zu 2. jeden Monat gekommen sein und den Unterhalt monatlich in bar bezahlt haben, und zwar die gesamte Zeit über mit Ausnahme der letzten beiden Monate. Zuletzt sei er Weihnachten da gewesen, habe dem Kind aber zu dessen Geburtstag im März 2009 ein Fahrrad geschenkt. Diesen Angaben zufolge hätte der Beklagte zu 2. sogar dann noch weitere Barzahlungen geleistet und Geschenke gemacht, nachdem im Strafverfahren im März 2008 festgestellt worden war, dass er nicht Vater des weit von ihm entfernt lebenden Kindes ist. Dies widerspricht nach Auffassung des Senats der Lebenserfahrung, zumal der Beklagte zu 1. gleichzeitig in dem vorliegenden, seit November 2008 anhängigen Streitverfahren, das seine Vaterschaft betrifft, keine Äußerung abgegeben und keinen Antrag gestellt hat. Als wahrheitswidrig erweisen sich diese Angaben auch deshalb, weil ausweislich der Mitteilung des Landkreises … vom 20.11.2008 in der Ermittlungsakte für den Beklagten zu 1. in der Zeit vom 01.03.2006 bis 30.09.2007 Unterhaltsvorschuss gezahlt wurde. Der Beklagte zu 2. hat in dieser Zeit ALG II – Leistungen bezogen. Dann war es ihm finanziell gar nicht möglich, den behaupteten Unterhalt zu zahlen.
Gegen eine tatsächliche Beziehung zwischen den Beklagten spricht weiter, dass die häusliche Gemeinschaft zwischen der Mutter des Beklagten zu 1. und ihrem geschiedenen Ehemann auch nach der bereits 2004 erfolgten Scheidung die gesamte Zeit über fortbestanden hat. Ein Hausbesuch durch das Jugendamt hat keinerlei Hinweise auf eine Beziehung zu dem Beklagten zu 2. ergeben. Angeblich vorhandene Fotos von Vater und Kind konnten nicht vorgezeigt werden, die angeblich während des laufenden Verfahrens erhaltenen Weihnachts und Geburtstagsgeschenke waren „gerade nicht da“. Eine Adresse von dem Beklagten zu 2. hat die Kindesmutter nicht, nur eine Handynummer. Auch unter Berücksichtigung ihrer Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sie könne nicht lesen und schreiben, ist dies nicht nachvollziehbar, wenn tatsächlich eine gelebte VaterKindBeziehung bestanden haben soll.
Dem Antrag des Beklagten zu 1., den Beklagten zu 2. als Zeugen zu vernehmen, ist der Senat nicht nachgegangen. Allerdings kann ein förmlicher Beweisantrag in Abstammungssachen nur unter den Voraussetzungen des § 244 StPO abgelehnt werden (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 640 Rz. 37 ff. m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass der Beweisantritt ordnungsgemäß erfolgt ist und die zu beweisenden Tatsachen hinreichend bestimmt sind. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Daran fehlt es hier. Der Beklagte zu 1. hat nur pauschal vorgetragen, der Beklagte zu 2. sei „regelmäßig“ mit ihm zusammen gewesen und habe „für den Unterhalt“ gesorgt. Es fehlt an konkretem Vortrag zu Art und Umfang des Zusammenseins der weit voneinander entfernt lebenden Parteien, zu Art und Höhe von Unterhaltsleistungen und zu sonstigen Kriterien, aus denen sich eine sozialfamiliäre Bindung ergeben könnte. Der Kläger kann notwendigerweise keine Einzelheiten über das Zusammenleben der Parteien wissen. Den Beklagten zu 1. trifft deshalb die sekundäre Darlegungslast. Er hätte in Einzelheiten darlegen müssen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich die Voraussetzungen der sozialfamiliären Bindung ergeben. Dies gilt umso mehr, als die Regelvermutung des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB hier nicht eingreift und nicht jeder soziale Kontakt die Annahme einer sozialfamiliären Bindung im Sinne von § 1600 Abs. 4 ZPO rechtfertigt.
Auch im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht hat der Senat eine Vernehmung des Beklagten zu 2. angesichts des oben geschilderten Beweisergebnisses nicht für erforderlich gehalten, weil weitere Aufschlüsse hierdurch nicht zu erwarten sind.
c) Durch die Anerkennung sind die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils i.S. von § 1600 Abs. 3 BGB geschaffen worden. Das Kind ist gemäß § 4 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden. Die Kindesmutter hat deshalb am 31.07.2007 eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1 AuslG erhalten. Auf ihren Verlängerungsantrag hin wurde vorübergehend eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 84 Abs. 4 AufenthG erteilt. Die Bescheidung des Verlängerungsantrags hängt von dem Ergebnis dieses Verfahrens ab.
d) Die Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 S. 1 BGB ist gewahrt. Gemäß Art. 229 § 16 EGBGB beginnt die Frist gemäß § 1600 b Abs. 1 a BGB nicht vor dem 01.06.2008. Davon unberührt bleibt der Gesetzesbegründung zufolge die absolute FünfJahresFrist des § 1600 b Abs. 1 a S. 3 BGB (BTDrucks. 16/3291 S. 18), die hier gewahrt ist. Die Behörde muss sich die Kenntnis, die sie vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen erlangt hat, nicht anrechnen lassen, weil sie sonst in Übergangsfällen von ihrem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch machen könnte (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, Art. 229 § 16 EGBGB).
e) Die Vaterschaftsvermutung ist widerlegt. Gemäß § 411 a ZPO ist das in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erstattete Abstammungsgutachten der medizinischen Hochschule Hannover verwertbar. Allerdings hat das Familiengericht die Verfahrensvorschrift des § 411 a ZPO nicht eingehalten, weil ein Beschluss über die Verwertung des Gutachtens ebenso wie die Übersendung des Gutachtens und die Einräumung einer Äußerungsfrist gemäß § 411 Abs. 4 ZPO fehlt. Dieser Mangel des rechtlichen Gehörs ist indes in zweiter Instanz behoben worden. Die Beweisfrage ist identisch. Die Untersuchung ist auch im Zivilprozess vorgesehen, § 372 a ZPO. Dass das Strafverfahren letztlich aus Rechtsgründen, und zwar insbesondere unter Hinweis auf das neu geschaffene Anfechtungsrecht des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, eingestellt worden ist, ist im Rahmen von § 411 a ZPO ebenfalls ohne Belang.
Dem Beweisantrag des Beklagten zu 1. auf Einholung eines neuen Gutachtens ist der Senat nicht nachgegangen. Auch insoweit findet § 244 StPO analoge Anwendung (Zöller/Philippi, aaO., § 640 Rz. 42 m.w.N.). Gemäß § 244 Abs. 4 S. 2 StPO analog steht der weiteren Beweiserhebung entgegen, dass durch das in dem Strafverfahren eingeholte Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist. Insbesondere das Privatgutachten der Fa. … vom 19.07.2007 ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens zu wecken. Vielmehr spricht nach der Beweislage alles dafür, dass die bei dem Privatgutachten untersuchten Speichelproben manipuliert worden sind. Das bereits zuvor polizeilich gespeicherte DNAMuster des Beklagten zu 2. stimmt nämlich ausweislich des Vermerks des KOK … vom 14.08.2007 aus der Ermittlungsakte der StA Osnabrück, Az. 820 Js 9175/07, nicht mit dem von der Fa. … zugrunde gelegten DNAMuster überein.
3. Die damit entscheidungserhebliche gesetzliche Regelung auch für Altfälle, wie sie in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, Art. 229 § 16 EGBGB zum Ausdruck gekommen ist, sieht der Senat als verfassungsgemäß an. Sie ist insbesondere mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG kommt damit nicht in Betracht.
Das Rückwirkungsverbot ist in der Verfassung nicht ausdrücklich normiert. Das Verbot einer echten Rückwirkung ist in der Rechtsprechung des BVerfG überwiegend aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip, zu dem der Grundsatz der Rechtssicherheit gehöre, hergeleitet worden (BVerfGE 13, 261 (271). 30, 392 (401 ff.). 45, 142 (167 f.). 72, 200 (242)), während unechte Rückwirkungen grundrechtlichen Grenzen unterliegen sollen (BVerfGE 97, 67 (78 ff.). Eine – nur in Ausnahmefällen zulässige – echte Rückwirkung liegt nach herkömmlicher Sichtweise dann vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Demgegenüber ist eine unechte Rückwirkung dadurch gekennzeichnet, dass Normen auf in der Vergangenheit begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirken. Eine derartige Rückwirkung wird nur dann als unzulässig eingestuft, wenn bei einer Abwägung im Einzelfall das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand einer Regelung gegenüber dem Allgemeinwohl überwiegt (BVerfGE 72, 200 (242 f.).
Die hier in Rede stehende Übergangsvorschrift ist als unechte Rückwirkung anzusehen. Das Anfechtungsrecht ist der Behörde nur für die Zukunft zuerkannt worden. Allerdings wirkt die erfolgreiche Anfechtung auf den in den Übergangsfällen vor Inkrafttreten der Vorschrift liegenden Zeitpunkt der Geburt zurück (Palandt/Diederichsen aaO. § 1599 Rz. 7). Diese mittelbare Einwirkung auf die Vergangenheit bezieht sich aber auf einen nicht abgeschlossenen Sachverhalt. Das Anerkenntnis schafft nämlich einen fortdauernden Tatbestand, indem es sowohl die rechtliche Zuordnung des Kindes zu dem anerkennenden Vater als auch den damit verbundenen dauerhaften Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bewirkt.
Die unechte Rückwirkung ist zulässig, weil der Gesetzgeber durch die Übergangsregelung, die die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren unberührt lässt, dem Vertrauen auf den Fortbestand der Regelung gegenüber den widerstreitenden allgemeinen Interessen angemessen Rechnung getragen hat. Bei der Wahrung des Vertrauensschutzes hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Einen Lösungsweg durch Befristungsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Rücknahme von rechtwidrigen Einbürgerungen aufgezeigt (BVerfGE 116, 24 unter III. a.E.). Bei der konkreten Regelung ist das Vertrauen der betroffenen Personen in den Bestand der Vaterschaft, die ein bloßes rechtliches Konstrukt ohne soziale Bindung darstellt, nicht hoch anzusetzen. Ein Vertrauen kann allerdings im Hinblick auf die mit der Anerkennung verbundenen weit reichenden Folgen im privaten und öffentlichen Bereich entstehen. Die Abstammung hat Auswirkungen in vielen Rechtsbereichen, wie Erbrecht, Steuerrecht und Sozialrecht. Insbesondere kann auf den Fortbestand der mit der Anerkennung verbundenen Einbürgerung vertraut werden. Hierfür ist aber Voraussetzung, dass durch Zeitablauf tatsächlich ein schutzwürdiges Vertrauen gewachsen ist. Auf der anderen Seite ist das Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung von missbräuchlichen Anerkenntnissen zur Schaffung von Einbürgerungsvoraussetzungen hoch anzusetzen. Diesem Bedürfnis nach Rechtssicherheit einerseits und öffentlichen Interessen andererseits hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung angemessen Rechnung getragen, ohne seinen Gestaltungsspielraum zu überschreiten.
4. Der Senat hat die Revision im Hinblick auf das Erfordernis der Ergänzungspflegschaft gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Insoweit besteht ein erhebliches praktisches Interesse an einer Klärung der Vertretung des Kindes. Es handelt sich um eine abgrenzbare Frage des Verfahrensrechts, die sich in allen Verfahren stellt, die die Anfechtung der Vaterschaft gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n.F. zum Gegenstand haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hatte gemäß § 704 Abs. 2 ZPO zu unterbleiben.
OLG Oldenburg, Urteil vom 12.05.2009
13 UF 19//09