Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Oldenburg vom 27.03.2009 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht – Familiengericht – Oldenburg zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 3000 €.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Die Parteien sind seit dem 23.05.2006 geschieden. Ihre gemeinsame Tochter …, geb. …1997, lebt bei der Kindesmutter. Am 28.10.2005 schlossen die Parteien vor dem Notar … in … eine Trennungs und Scheidungsvereinbarung, deren § 9 eine ausführliche Umgangsregelung enthält. Wegen deren Einzelheiten wird auf Bl. 132 – 144 d.A. Bezug genommen. Diese Regelung enthält insoweit Spielräume, als beispielsweise exakte Zeiten bewusst nicht vorgegeben sind und aus wichtigem Grund ausgefallener Wochenendumgang am darauffolgenden Wochenende nachgeholt werden kann. Die Durchführung des Umgangs führte immer wieder zu Streitigkeiten. Die Kindesmutter hat deshalb eine gerichtliche Umgangsregelung begehrt, die sie sich als starre Regelung für Wochenenden, Ferienzeiten und Feiertage vorstellt. Der Kindesvater meint, dass er eine starre Regelung aus beruflichen Gründen nicht einhalten könne. Wegen des Sachverhalts wird im Übrigen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Nachdem die Eltern übereinstimmend darum gebeten haben, … nicht anzuhören, hat das Familiengericht ohne Anhörung des Kindes mit dem angefochtenen Beschluss § 9 der notariellen Vereinbarung vom 28.10.2005 abgeändert und durch eine Umgangsregelung ersetzt, nach der der zweiwöchige Umgang beibehalten bleibt und für die Ferien eine feste Regelung getroffen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten der Regelung wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Antragssteller mit der Beschwerde. Er will an der notariellen Vereinbarung festhalten und macht geltend, diese treffe ausreichende Bestimmungen auch für den Fall, dass die Eltern sich nicht einigen könnten. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die neue Umgangsregelung dem Kindeswohl besser Rechnung trage. Inzwischen hat auch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28.05.2009 um eine Präzisierung des Beschlusses gebeten.
II.
Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht. Der angefochtene Beschluss leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Anhörung der elfjährigen … unterblieben ist. Eines Antrags auf Aufhebung und Zurückverweisung – der hier ohnehin seitens des Antragsstellers gestellt worden ist – bedarf es im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht, weil § 621 e Abs. 3 S. 2 ZPO nicht auf § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO verweist und das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes – anders als im Zivilprozessrecht – an Anträge der Parteien nicht gebunden ist (ebenso OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1363 f.. OLG Köln, FamRZ 2004, 1301. Musielak/Borth, ZPO, 8. Aufl. 2008, § 621 e Rz. 26. a.A. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 621 e Rz. 76 m.w.N. zu beiden Ansichten).
1. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, hat das Familiengericht gemäß § 1684 Abs. 3 BGB eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Aus diesem Grund muss die Ausgestaltung des Verfahrens den widerstreitenden Grundrechtspositionen Rechnung tragen. Bei der Entscheidung ist der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist. Dazu hat das Gericht gemäß § 50 b FGG das Kind persönlich anzuhören. Diese Anhörung darf gemäß § 50 b Abs. 3 S. 1 FGG nur aus schwerwiegenden Gründen unterbleiben. Dabei handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz mit Verfassungsrang, der die Stellung des Kindes als Subjekt im Verfahren, seine Grundrechte und sein rechtliches Gehör schützt (vgl. BVerfG, BVerfGE 64, 180, 191. 55, 171, 180, 182 f.. FamRZ 2007, 1078). Durch die Anhörung wird das Gericht in die Lage versetzt, sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind, dessen Wohl das Verfahren sichern soll, zu verschaffen (vgl. BVerfG. BVerfGE 171, 180). Auf diese Weise dient die Ausgestaltung des Verfahrens dem Schutz des Kindes. Infolgedessen ist die Anhörung auch dann erforderlich, wenn die Eltern – wie hier – eine Anhörung nicht wünschen (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 246 f.). Allein der Umstand, dass die Eltern die vermeintliche Belastung durch eine richterliche Anhörung fürchten, darf nicht dazu führen, dass das Verfahren über den Kopf des Kindes hinweg geführt wird, ohne dass ihm selbst ermöglicht wird, seine Wünsche, Vorstellungen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt hier umso mehr, als die Mutter … Belastung durch die bisherige Umgangsregelung ins Feld führt, während der Vater eine solche Belastung in Abrede nimmt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Kinder ab einem Alter von drei Jahren vom Richter persönlich anzuhören (BVerfG FamRZ 2007, 105 ff.. FamRZ 2007, 1078 ff. jeweils m.w.N.). Der auf diesem Wege ermittelte Kindeswille hat bei älteren Kindern – … ist schon elf Jahre alt – zudem besonderes Gewicht (BVerfG, Beschl. v. 13.07.2005 – BVerfGK 6, 5761). Da dem Senat eine Nachholung der Anhörung in der Beschwerdeinstanz nicht sachdienlich erscheint, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Wenn nach der richterlichen Anhörung aus Sicht des Familiengerichts noch Fragen offen bleiben sollten, kann dem Kind gemäß § 50 FGG ein Verfahrenspfleger bestellt oder gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. In vielen Fällen wird aber die Anhörung der Beteiligten und des Kindes in Umgangsstreitigkeiten eine hinreichend sichere Entscheidungsgrundlage schaffen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens damit entbehrlich machen (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 13.07.2005 – BVerfGK 6, 5761).
b) Die Parteien sind sich einig darüber, dass Umgangskontakte durchzuführen sind. Sie haben dazu eine sehr eingehende, aber teilweise bewusst Spielräume gewährende notarielle Vereinbarung getroffen. Führen gerade diese Spielräume zu Streitigkeiten zwischen den Eltern, die sich nicht einvernehmlich lösen lassen, so obliegt es dem Familiengericht, insoweit eine konkrete Umgangsregelung mit durchsetzbarem Inhalt zu treffen, die vollständig, vollziehbar und vollstreckbar sein muss (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1684 Rz. 35 m.w.N.). Vollstreckbar ist eine Umgangsregelung nur dann, wenn sie hinreichend präzisiert ist. Dazu bedarf sie genauer Anordnungen über die Ausgestaltung des Umgangs nach Ort, Zeit, Häufigkeit, Abholen oder Bringen des Kindes. Insbesondere muss nach Datum und Uhrzeit bestimmbar sein, wann der Umgang beginnt und endet. Der Antragssteller beanstandet zu Recht, dass die notarielle Vereinbarung, soweit sie Spielräume lässt, durch eine in Teilen ebenfalls nicht konkrete gerichtliche Regelung ersetzt worden ist. So ist beispielsweise nicht festgelegt worden, an welchem Wochenende die Umgangsregelung beginnt, während die notarielle Einigung dazu eine Regelung enthält (jedes Wochenende einer ungeraden Kalenderwoche).
Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei – wie hier – hoch zerstrittenen Eltern keine Umgangsregelung, sei sie auch noch so genau, Streitigkeiten über Einzelheiten verhindern kann. Das Familiengericht hat deshalb zu Recht auf die dringende Notwendigkeit einer Beratung beider Elternteile hingewiesen, um die Kommunikationsbasis für die Zukunft in … Interesse zu verbessern.
OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.07.2009
13 UF 54/09
AG Oldenburg, Beschluss vom 27.03.2009
64 F 300/08