OLG Koblenz: Private Krankenversicherung ist für das Kind weiterzuzahlen

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Mainz vom 10. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt für das gemeinsame Kind M…, geboren am …2.1999, das bei der Klägerin lebt.

Die bis zur Eheschließung der Parteien bestehende Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung ruhte nach der Eheschließung. Während des ehelichen Zusammenlebens waren die Parteien und M… privat krankenversichert. Weil die Klägerin nach der Trennung der Parteien, die Mitte des Jahres 2007 erfolgt ist, die Beiträge für ihre private Krankenversicherung nicht mehr aufbringen konnte, wechselte sie wieder in die gesetzliche Versicherung.

Der Beklagte ist der Auffassung, auch M… habe von der bestehenden privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Familienversicherung der Klägerin zu wechseln, da die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ab der Scheidung der Parteien beitragsfrei ist und bis dahin lediglich 75,00 € monatlich für das Kind kostet.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, ab Juni 2009 monatlich im Voraus an die Klägerin Krankenvorsorgeunterhalt für das gemeinsame Kind in Höhe von monatlich 180,46 € zu zahlen abzüglich für Juni und Juli 2009 jeweils gezahlter 75,00 €. Zur Begründung wird ausgeführt, beide Elternteile des Kindes seien während des ehelichen Zusammenlebens – wie auch der Beklagte noch heute – privat krankenversichert gewesen. Zudem sei M… bei Ärzten in Behandlung, die nur Privatpatienten behandeln.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt vor, während des ehelichen Zusammenlebens sei eine gesetzliche Krankenversicherung für M… überhaupt nicht möglich gewesen. Er sei bereit, neben der gesetzlichen Krankenversicherung eine Zusatzversicherung abzuschließen, durch die für M… eine Behandlung durch Ärzte sichergestellt werde, die grundsätzlich nur Privatpatienten behandeln; auch sei er bereit, selbst für solche Zusatzkosten aufzukommen. Auch bei guten Lebensverhältnissen sei der barunterhaltspflichtige Elternteil finanziell zu schonen. Zudem könne ein der privaten Krankenversicherung vergleichbarer Versicherungsschutz erreicht werden durch Abschluss einer privaten Zusatzversicherung, die monatlich 7,46 € koste. Dem Kind entstünden im Falle der Kombination einer Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Klägerin und der privaten Zusatzversicherung keine Nachteile. Bei M… bestehe im Übrigen derzeit kein Behandlungsbedarf wegen einer ADS-Symptomatik. Bereits mit Schreiben vom 29.8.2008 habe die Kinderärztin Frau Dr. S… mitgeteilt, dass aktuell kein weiterer Therapiebedarf bestehe.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung und trägt vor, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung blieben auch in Verbindung mit einer privaten Zusatzversicherung hinter denen der bestehenden privaten Krankenversicherung zurück. Einen konkreten Tarif einer bestimmten Zusatzversicherung, der etwa auch die freie Arztwahl bei ambulanten Behandlungen als Privatpatient beinhaltet, habe der Beklagte nicht dargelegt. Hinzu komme, dass die pflichtgemäße Offenbarung der bei M… bestehenden ADS-Symptomatik dazu führe, dass entweder keine Versicherungsgesellschaft zum Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung bereit sei oder jedenfalls der Beitrag für die Zusatzversicherung immens steige. Angesichts der ständigen Streitereien zwischen den Parteien, die mit mehreren Gerichtsverfahren einhergegangen seien, sei es ihr nicht zuzumuten, den Beklagten persönlich wegen entstandener Behandlungskosten in Anspruch zu nehmen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung eines monatlichen Krankenvorsorgeunterhalts in Höhe von 180,46 € für die private Krankenversicherung ab Juni 2009 verlangen, §§ 1601, 1610 BGB. Die Prämie für die private Krankenversicherung gehört zum angemessenen Unterhalt des Sohnes der Parteien.

Der Beklagte zahlt für M… einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 160 % des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes, nämlich derzeit 439,00 €. Eine entsprechende Jugendamtsurkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung wurde unter dem 31.3.2008 erstellt.

Kosten für eine private Krankenversicherung sind in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle grundsätzlich nicht enthalten, weil davon ausgegangen wird, dass das minderjährige Kind nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist.

Der Beklagte ist verpflichtet, die Kosten für die Privatversicherung seines Sohnes aufzubringen, da es sich dabei um angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB handelt. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der angemessene Unterhalt eines Kindes richtet sich nach seiner unter Umständen wechselnden Lebensstellung, gewöhnlich leiten Minderjährige ihren angemessenen Lebensbedarf von den Eltern ab (Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1610 Rn. 3).

Eine private Krankenversicherung gehört vorliegend zu einem angemessenen Unterhalt. M… ist seit seiner Geburt privat krankenversichert; auch der Beklagte, der monatlich mindestens 5.000 € netto verdient, ist auf diese Art krankenversichert.

Die Klägerin ist nach der Trennung lediglich aus Kostengründen in die gesetzliche Krankenversicherung gewechselt; es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Klägerin unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse – zumindest vorübergehend – gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Kosten für ihre private Krankenversicherung gehabt hätte, mit der Folge, dass beide Eltern von M… weiterhin privat krankenversichert wären und somit auch M… weiter privat krankenversichert wäre.

M… ist nicht auf den jetzt möglichen Wechsel in die gesetzliche Familienversicherung der Klägerin in Kombination mit einer privaten Zusatzversicherung zu verweisen. Denn der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass unter Offenlegung der bei M… bestehenden ADS-Problematik eine Zusatzversicherung möglich ist, die zum einen keine Leistungsnachteile gegenüber der bestehenden privaten Krankenversicherung aufweist und zum anderen die wirtschaftlich sinnvollere Alternative gegenüber der bisherigen privaten Krankenversicherung ist. Die mit Schriftsatz vom 30.11.2009 dargelegte Zusatzversicherung bei der I… Krankenversicherung a.G., die nach der Darstellung des Beklagten 7,46 € monatlich kostet, umfasst eine uneingeschränkte freie Arztwahl nicht. Offen bleibt, welche Kosten entstehen würden, wenn der Tarif zusätzlich die Behandlung als Privatpatient auch bei ambulanten und zahnärztlichen Leistungen umfasst und die ADS-Problematik offengelegt wird.

Soweit der Beklagte im Termin ein Produktinformationsblatt der H… Versicherungsgruppe übergeben hat, fehlt es auch hier an einer Darlegung, welche Kosten für M… entstehen würden, wenn keine Leistungsnachteile gegenüber der bestehenden privaten Krankenversicherung erzielt werden sollen. Zu der Behauptung der Klägerin, wegen der bestehenden ADS-Symptomatik sei unabhängig von der aktuellen Behandlungssituation von M… entweder kein Anbieter zum Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung bereit oder es entstünden derart hohe Beiträge, dass die Kombinationslösung unwirtschaftlich sei, hat der Beklagte nicht Stellung genommen. Es oblag dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auf diesen Einwand substantiiert zu erwidern.

Die von dem Beklagten gemachte Zusage, er werde gegebenenfalls die Kosten eines Arztes, der nur Privatpatienten behandele, persönlich tragen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Unterhaltsanspruch nach §§ 1601, 1610 BGB richtet sich auf die Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt, der Anspruch beinhaltet also die Zahlung der Kosten für eine angemessene Krankenversicherung. Ohne das Einverständnis des Unterhaltsberechtigten kann dieser Anspruch nicht – auch nicht teilweise – durch eine Zusage des Unterhaltsverpflichteten ersetzt werden, für bestimmte nicht abgedeckte Kosten persönlich aufzukommen.

Für die Monate Juni und Juli 2009 hat der Beklagte unstreitig 75,00 € Krankenvorsorgeunterhalt gezahlt. Für die Zeit danach hat der in Bezug auf den Erfüllungseinwand darlegungspflichtige Beklagte keine Zahlungen vorgetragen. Entsprechende Zahlungen sind gegebenenfalls von dem für die Zeit ab August 2009 tenorierten Betrag in Abzug zu bringen.

Die Ausführungen des Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.12.2009 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO. Die Klägerin hat wiederholt vorgetragen, dass Leistungsnachteile gegenüber der bestehenden privaten Krankenversicherung (auch) darin bestehen, dass durch eine Zusatzversicherung die Kosten einer ambulanten privatärztlichen Behandlung nicht abgedeckt sind (Schriftsatz vom 21.11.2008, 19.12.2008 und vom 4.12.2009). Die freie Arztwahl war damit erkennbar für die Frage, ob und zu welchen Bedingungen ein vergleichbarer Versicherungsschutz erreicht werden kann, von Bedeutung.

Die Tatsache, dass nach Auffassung der Kinderärztin und Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. S… (entsprechend deren Schreiben vom 29.08.2008) bei M… eine typische ADS-Symptomatik besteht, ist gegenüber dem Anbieter einer Zusatzversicherung in jedem Fall zu offenbaren. Dies gilt unabhängig davon, dass der Beklagte behauptet, eine ADS-Erkrankung sei bei dem Kind nicht diagnostiziert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.015,52 € (12 x 180,46 € abzüglich 2 x 75,00 €).

OLG Koblenz, Urteil vom 19.01.2010
11 UF 620/09

AG Mainz, Urteil vom 10.09.2009
31 F 61/08

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