OLG Hamm: Temporäre Bedarfsgemeinschaft bei Umgangskontakten

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahaus vom 8.10.2010 abgeändert.

Dem Antragsteller wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin U in C bewilligt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragt, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Beantragung der Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes für die Kinder E (geb. 9.8.1996), O (geb. 1.11.1997) und C1 C2 (geb. 20.11.2000) während der Besuchskontakte bei ihm familiengerichtlich zu ersetzen.

Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei vorgenannten, aus der Ehe hervorgegangenen Kinder der Beteiligten; i. Ü. besteht gemeinsames Sorgerecht. Beide Beteiligte beziehen Leistungen nach dem SGB II, die Antragsgegnerin auch für die bei ihr lebenden Kinder. Die drei vorgenannten Kinder nehmen Besuchskontakte beim Antragsteller wahr, die 14tägig von freitags 14.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr stattfinden.

Da der Antragsteller nach seinen Angaben nicht über die Mittel verfügt, die Kinder während der Umgangskontakte angemessen zu ernähren, hat er zunächst bei der Arbeit für C (AfB) beantragt, ihm Leistungen für die Ausübung der Umgangskontakte zu gewähren. Nach negativer Bescheidung und Zurückweisung des Widerspruchs schloss sich ein Verfahren vor dem Sozialgericht an. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Höhe der entstehenden Fahrtkosten bei Durchführung der Umgangskontakte erteilte der Vorsitzende dem Antragsteller u. a. den rechtlichen Hinweis, dass grundsätzlich ein Anspruch auf anteiliges Sozialgeld in Betracht komme, dieser aber durch die Kinder selbst, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter, gestellt werden müsse. Sein daraufhin bei der AfB gestellter Antrag auf Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes für die drei Kinder während der Besuchskontakte bei ihm wurde dahingehend beantwortet, dass über den Antrag entschieden werden könne, wenn die Vollmachten beider gesetzlicher Vertreter vorlägen. In einem weiteren Schreiben teilte die AfB mit, der Lebensmittelanteil für die Kinder betrage je Tag bis August 2010 insgesamt 9,62 € und ab September 2010 je Tag insgesamt 9,74 €.

Der Antragsteller hat sein Begehren zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemacht (Az. 10 F 324/10). Sein Antrag wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 16.7.2010 zurückgewiesen. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren macht der Antragsteller geltend, bereits der eigentlich für die Sommerferien vorgesehene dreiwöchige Besuchskontakt der Kinder habe nicht stattfinden können, weil ihm die finanziellen Mittel fehlen würden, um die Kinder zu versorgen. Aus diesem Grund habe nach den Sommerferien auch nur ein Wochenendkontakt für zwei Stunden stattfinden können.

Die Kindesmutter weigert sich, die begehrte Zustimmung zu erteilen. Die Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts würden grundsätzlich den Umgangsberechtigten treffen. Fahrtkosten würden nicht anfallen, da der Umgangspfleger die Kinder regelmäßig transportiere. Der Antragsteller zahle keinen Kindesunterhalt. Es sei daher nicht gerechtfertigt, wenn der Antragsteller Beteiligung an den Sozialleistungen verlange, zumal für sie ein Teil der anfallenden Kosten auch dann weiterlaufe, wenn die Kinder sich beim Vater aufhalten.

Das Amtsgericht hat den Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen, wobei es sich zur Begründung zunächst auf seine Ausführungen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezogen hat. Dort hatte es u. a. ausgeführt, es bestehe keine Anspruchsgrundlage für das Begehren. Es sei auch nicht unbillig, wenn die Kindesmutter für die Zeit des Aufenthalts der Kinder beim Vater finanziell entlastet werde, da sie laufende Kosten zu tragen habe und ihr monatlich rund 200 € weniger zur Verfügung stehen, als wenn der Antragsteller den Mindestunterhalt für die Kinder zahlen würde. Weiterhin hat es ausgeführt, nach der Entscheidung des Senats vom 30.9.2010 (Az. OLG Hamm 2 WF 200/10) könne der Antragsteller bei entsprechenden Erwerbsbemühungen einen Stundenlohn von 9,- € brutto erzielen und bereits aus diesem Grunde die Kosten der Beköstigung der Kinder während der Besuchskontakte tragen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ergibt sich aus § 1628 BGB, dessen Voraussetzungen vorliegen.

Der Antrag auf Auszahlung des anteiligen Sozialgeldes ist gegenüber der zuständigen Behörde durch den Antragsberechtigten, hier also die betroffenen drei Kinder zu stellen. Da die Beteiligten aufgrund der insoweit bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge die Kinder gemeinschaftlich vertreten, müsste der Antrag von beiden Beteiligten als Vertreter der Kinder gestellt werden. Die Beteiligten können sich hinsichtlich dieser einzelnen Angelegenheit der elterlichen Sorge nicht einigen; die Antragsgegnerin verweigert die Mitwirkung.

Die Regelung dieser Angelegenheit ist auch für die Kinder von erheblicher Bedeutung. Denn nach dem Vortrag des Antragstellers hat sie direkten Einfluss auf die Durchführung der Umgangskontakte. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Die vom Antragsteller beabsichtigte Vorgehensweise entspricht auch dem Kindeswohl am besten, was maßgebliches Kriterium für die Entscheidung nach § 1628 BGB ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Auflage, § 1628 Rn. 6). Der Antragsteller ist nach seinen Angaben auf das anteilige Sozialgeld angewiesen, um die Umgangskontakte in angemessener Weise durchführen zu können. Tatsächlich haben in der Vergangenheit mehrfach Umgangskontakte nicht stattgefunden, nach Angaben des Antragstellers aus finanziellen Gründen. Eine regelmäßige Durchführung der Umgangskontakte liegt allerdings im Interesse der Kinder.

Soweit das Amtsgericht anführt, unterhaltsrechtlich werde der Antragsteller so behandelt, als würde er ein Arbeitseinkommen mit einem Stundenlohn von 9,- € erzielen, kommt es hierauf im vorliegenden Verfahren nicht an. Denn streitgegenständlich ist der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, der unabhängig von der im Unterhaltsrecht vorzunehmenden Einkommensfiktion, die dem Sozialrecht fremd ist, besteht.

Schützenswerte Interessen der Antragsgegnerin stehen nicht entgegen. Deren Anspruch auf Auszahlung der SGB II-Leistungen wird – je nach Entscheidung der Verwaltungsbehörde – allenfalls in Höhe des auf die Dauer des Aufenthalts der Kinder beim Antragsteller entfallenden Lebensmittelanteils gekürzt. Da die Antragsgegnerin die Kinder in dieser Zeit jedoch nicht verpflegen muss, werden ihre Interessen nicht in schützenswerter Weise berührt. Eine unzulässige indirekte teilweise Überwälzung der Umgangskosten vom Antragsteller auf sie liegt danach nicht vor. Hinsichtlich der von ihr angeführten laufenden Kosten für Miete etc. findet eine Kürzung des Sozialgeldes nicht statt. Schließlich ist auch das Argument des Amtsgerichts, die Antragsgegnerin habe derzeit ohnehin weniger Geld zur Verfügung, weil der Antragsteller keinen Kindesunterhalt zahle, obwohl er bei gehöriger Anstrengung hierzu in der Lage wäre, nicht tragfähig. Denn im vorliegenden Verfahren ist, wie ausgeführt, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2010
II-2 WF 264/10

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