OLG Dresden: Änderung einer Jugendamtsurkunde

Ein Unterhaltsschuldner, der Herabsetzung von in einer Jugendamtsurkunde tituliertem Kindesunterhalt verlangt, muss mit seiner Abänderungsklage nach Maßgabe der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage schlüssig darlegen, inwieweit und warum sich sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen zum Zeitpunkt des Abänderungsbegehrens im Vergleich zu dem der Titulierung wesentlich verschlechtert hat. Das gilt auch dann, wenn der Urkunde keine zuvor ausdrücklich getroffene Unterhaltsvereinbarung der Parteien zugrundeliegt.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht es abgelehnt, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Herabsetzung titulierten Unterhalts für seine drei Kinder ab 01.07.2006 auf Null zu bewilligen.

Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der von der Kindesmutter getrennt lebende Antragsteller hatte unter dem 24.08.2004 Jugendamtsurkunden errichten lassen, in denen er eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den 1989, 1991 und 1995 geborenen Kindern i.H.v. jeweils 150 % des Regelbetrags nach § 2 RegelbetragVO anerkannt hatte. Damals erzielte er im Wesentlichen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Zum 01.07.2006 wechselte er in ein Arbeitsverhältnis zu seinem früheren Mitgesellschafter, wurde zum 01.01.2007 wieder selbständig und bezieht seit 13.07.2007 Leistungen nach dem SGB II. Er macht geltend, sein Einkommen sei jedenfalls seit dem 01.07.2006 nachhaltig niedriger als zuvor, so dass er unterhaltsrechtlich nicht mehr leistungsfähig sei. Dieses Vorbringen rechtfertigt den Prozesskostenhilfeantrag nicht, weil die beabsichtigte Klage selbst nach derzeitigem Sachstand keine hinreichende Aussicht auf  Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

2. Ein Unterhaltsschuldner, der im Zusammenhang mit der Errichtung einer Jugendamtsurkunde seine Unterhaltsverpflichtung anerkannt hat, kann sich von der damit eingegangenen Bindung nicht ohne weiteres, sondern grundsätzlich nur nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage lösen (vgl. zusammenfassend GRABA, FamRZ 2005, 678). Eine Abänderungsklage des Schuldners, die darauf gestützt werden soll, dass dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nachgelassen hat oder entfallen ist, verspricht daher nur dann Erfolg, wenn der Schuldner darlegt, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Errichtung des Titels wesentlich verschlechtert haben.

Dazu genügt folglich nicht eine Schilderung seiner Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des späteren Abänderungsbegehrens, und zwar unabhängig davon, ob der Schuldner nach dieser späteren Einkommenslage ganz oder teilweise unfähig wäre, den titulierten Unterhalt aufzubringen.

Notwendig sind vielmehr zusätzliche (vergleichbare) Angaben dazu, welche Einkünfte und Aufwendungen der Titulierung zugrunde gelegt worden sind und (im Lichte der verschärften Unterhaltshaftung gem. § 1603 Abs. 2 BGB) warum der Schuldner jetzt weniger verdient. Dem wird der Sachvortrag des Antragstellers insgesamt nicht gerecht.

3. Nicht nachvollziehbar ist schon seine Behauptung, maßgebend für die Berechnung des im August 2004 titulierten Kindesunterhalts seien seine Einkommensverhältnisse in den Jahren 1998 bis 2000 gewesen. Der vom Antragsteller hierzu vorgelegte Schriftverkehr (Anlagenkonvolut K 23) datiert aus dem Frühjahr 2002 und endet mit einem Verlangen der Unterhaltsgläubiger nach einer Titulierung von 162 % der jeweiligen Regelbeträge unter Fristsetzung zum 15.07.2002. Hieraus ergibt sich nicht, was Grundlage der mehr als zwei Jahre später in anderer als der vormals geforderten Höhe errichteten Unterhaltstitel gewesen ist. Ohne besondere (und dann im Einzelnen erläuterungsbedürftige) Abrede der Parteien wäre einem Kindesunterhalt ab 2004 das durchschnittliche Nettoeinkommen des Antragstellers aus den Jahren 2001 bis 2003 zugrunde zu legen gewesen; dazu würde passen, dass der Antragsteller mit seiner Antragsschrift vom 05.02.2007 noch selbst seine damals aktuellen Einkünfte ab 01.07.2006 mit seinem ab 2001 erzielten Einkommen verglichen hat. Dieser Vergleich krankte allerdings daran, dass der Antragsteller dabei Bruttogewinne aus selbständiger Tätigkeit mit Nettoeinkommen aus dem Arbeitsverhältnis in Beziehung gesetzt hat. Bereinigt man demgegenüber die in den Jahren 2001 bis 2003 erzielten Bruttogewinne des Antragstellers um die aus den vorgelegten Steuerbescheiden ersichtlichen Vorsorgeaufwendungen und Steuern, so ergibt sich, bezogen auf 36 Monate, ein Nettobetrag der Einkünfte von 101 458,00 EUR, d. h. monatlich 2 818,00 EUR. Das lässt keinen erheblichen Unterschied zu dem in der zweiten Jahreshälfte 2006 erzielten Nettoeinkommen als Angestellter erkennen.

4. Dessen ungeachtet erlaubt der Vergleich von Jahresbruttoeinkommen, wie ihn der Antragsteller seiner Beschwerde zugrunde legt, eine sinnvolle Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht, weil er keine belastbaren Ergebnisse über die dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel liefert; für den Antragsteller gilt dies schon wegen seiner über die Jahre beträchtlich schwankenden Vorsorgeaufwendungen.

Bei der Unterhaltsberechnung sind daher mit gutem Grund die Bruttoeinkünfte Ausgangs-, nicht Endpunkt der Bestimmung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens, das jedenfalls den Abzug von Werbungskosten, Versicherungsbeiträgen und Steuern voraussetzt. Aber selbst wenn man, der Berechnungsweise des Antragstellers im Ansatz folgend, die Jahresbruttobeträge aus seiner selbständigen Tätigkeit zugrunde legt und dabei für den ab 2004 geschuldeten Unterhalt – entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung – den Einkommensdurchschnitt der Jahre 2001 bis 2003, für den 2006 zu zahlenden Unterhalt hingegen das durchschnittliche Einkommen der Jahre 2003 bis 2005 heranzieht, so ergibt sich für den erstgenannten Zeitraum eine Gesamtsumme von 154 560,00 EUR oder 51 520,00 EUR jährlich, für die spätere Zeit hingegen ein Gesamtbetrag von 167 620,00 EUR oder 55 873,00 EUR jährlich. Soweit es um die Bezugsgröße für den bis Ende 2006 aufzubringenden Unterhalt geht, haben sich die Verhältnisse des Antragstellers danach mithin nicht verschlechtert, sondern sogar verbessert.

5. Aus den vom Antragsteller getragenen Kreditaufwendungen ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn soweit diese aus der Scheidungsfolgenvereinbarung von 2003 herrühren, waren sie zur Zeit der Titulierung des streitbefangenen Unterhalts bereits vorhanden, und der Antragsteller trägt selbst vor, dass seine nachfolgenden Bemühungen um Umschuldung die laufende Belastung vermindert hätten. Auch insoweit können sich die wirtschaftlichen Verhältnisse mithin seit 2004 nicht zum Nachteil des Antragstellers
verändert haben. Dies stellt nicht in Frage, dass die Kreditbelastungen eheprägend waren und deshalb grundsätzlich auch bei der Berechnung des Kindesunterhalts zu berücksichtigen wären; es schließt nicht einmal aus, dass schon der 2004 titulierte Unterhalt, ggf. sogar deutlich, zu hoch ausgefallen ist. Das allein rechtfertigt eine Neufestsetzung dieses Unterhalts aber gerade nicht, solange nicht die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen (s. o.), d. h. ein Festhalten des Antragstellers an der ursprünglichen Regelung diesem wegen veränderter Umstände nicht mehr zumutbar wäre. Das hat der Antragsteller auch aus Sicht des Senats bisher nicht schlüssig dargelegt.

6. Hinzu kommt nämlich, dass der Antragsteller, obwohl dieser Gesichtspunkt im familiengerichtlichen Verfahren mehrfach angesprochen worden ist, auch nicht ansatzweise Gründe dafür angibt, warum sich sein Einkommen ab Mitte 2006 nachhaltig verändert hätte. Der zweimalige Wechsel seiner beruflichen Rechtsstellung (vom Mitgesellschafter zum Arbeitnehmer und zurück) binnen sechs Monaten im Rahmen eines ansonsten identischen beruflichen Umfelds bedürfte – angesichts seiner verschärften Unterhaltshaftung für die minderjährigen Kinder – der Erklärung, sobald daraus auf eine verminderte Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten geschlossen werden soll. Denn der Unterhaltsschuldner ist gehalten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um diese Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Der Antragsteller hätte mithin erläutern müssen, warum diese Veränderungen – und erst recht der Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Laufe des Jahres 2007 – unausweichlich waren und welche Bemühungen er unternommen hat, daraus folgende finanzielle Nachteile (für sich und seine unterhaltsberechtigen Kinder) abzuwenden. Der Antragsteller macht indessen nicht nur hierzu keinerlei Angaben, sondern legt für 2007 generell keine verwertbaren Zahlen zu seiner wirtschaftlichen Gesamtsituation vor, aus denen zuverlässig auf seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden könnte. Angesichts dessen kommt der Senat nicht umhin, seine Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist dabei nicht erforderlich, weil der Beschwerdeführer für in diesem Beschwerdeverfahren etwa angefallene Gerichtskosten unmittelbar kraft Gesetzes haftet und außergerichtliche Kosten gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

OLG Dresden, Beschluss vom 11.02.2008
20 WF 674/07

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