Das Vertrauen eines geschiedenen Ehegatten auf die Gewährung des vereinbarten nachehelichen Unterhalts steht einem Wegfall des Unterhaltsanspruchs alsbald nach Inkrafttreten der Unterhaltsrechtsreform jedenfalls dann entgegen, wenn die Ehe von langer Dauer war, der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung noch 11 Jahre gemeinsame minderjährige Kinder betreut und aufgrund seines Alters und seiner fehlenden Berufsausbildung und erfahrung wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.
hat der 10. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1. vom 14. Oktober 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hannover vom 8. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … am
27. Oktober 2008 beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Beklagten zu 1. wird zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. aus S. bewilligt.
Gründe
I.
Der Kläger und die jetzt 52 Jahre alte Beklagte zu 1. haben 1979, zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 1. 23 Jahre alt war, geheiratet. Aus der Ehe sind die Töchter S., geb. am … 1979, M., geb. am … 1983 und S., geboren am … 1990, hervorgegangen.
Die Beklagte zu 1. hatte vor der Eheschließung eine Lehre begonnen, diese jedoch abgebrochen. Während der Ehe der Parteien ist die Beklagte zu 1. nur zeitweise in geringem Umfang im ungelernten Bereich berufstätig gewesen. Die Ehe der Parteien ist durch Urteil vom 22. Oktober 1997 rechtskräftig geschieden worden. Die Betreuung der zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährigen Kinder ist nach der Scheidung von der Beklagten zu 1. übernommen worden. Anlässlich der Ehescheidung haben der Kläger und die Beklagte zu 1. einen Vergleich geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtete, an die Beklagte zu 1. Kindesunterhalt für die Beklagte zu 2. und Ehegattenunterhalt zu zahlen. Diesen Vergleich haben die Parteien durch gerichtlichen Vergleich vom 23. August 2004 u. a. dahingehend geändert, dass der Kläger laufenden Kindesunterhalt für die Beklagte zu 2. in Höhe von 128 % des Regelbetrages nach der Regelbetragverordnung und an die Beklagte zu 1. monatlichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 501, EUR zu zahlen hat.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage Abänderung des Vergleichs vom 23. August 2004 dahingehend, dass er ab 1. September 2008 den Beklagten zu 1. und zu 2. keinen Unterhalt mehr schuldet. Die Beklagte zu 2. hat die Klageforderung anerkannt.
Die Klageforderung gegen die Beklagte zu 1. begründet der Kläger mit der Änderung des Rechts über den nachehelichen Unterhalt zum 1. Januar 2008. Die Beklagte zu 1. habe keine ehebedingten Nachteile erlitten. Dass sie erwerbslos sei, beruhe nicht auf ehebedingten Nachteilen, sondern der mentalen Konstitution der Beklagten zu 1. Sie sei bei Eheschließung und Geburt des ersten Kindes ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne feste Arbeitsstelle gewesen. Nach Abbruch der Lehre habe sie sich weder bis zur Geburt des ersten Kindes noch nachdem das jüngste Kind keine ganztägige Betreuung mehr benötigt habe, um eine Ausbildung bemüht. Sie sei seit einem Aushilfsjob 1990 abgesehen von einem sogenannten 1EURJob nicht mehr erwerbstätig gewesen. Die Unbeholfenheit und fehlende Ausbildung seien nicht ehebedingt. Nach dem neuen Unterhaltsrecht sei 11 Jahre nach der Scheidung und nach Volljährigkeit des jüngsten Kindes auch unter Billigkeitsgesichtspunkten der persönliche Nachteil der Beklagten zu 1. nicht mehr durch Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehegatten auszugleichen.
Die Beklagte zu 1. verteidigt sich gegen die Klage und begehrt dafür Prozesskostenhilfe. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Oktober 2008 zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Es sei unstreitig, dass die Beklagte zu 1. keine ehebedingten Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, erlitten habe. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu 1. während der 11 Jahre zurückliegenden Ehe die Kinder der Parteien betreut habe, rechtfertige unter Berücksichtigung der langen Trennungsdauer und der fehlenden ehebedingten Erwerbsnachteile voraussichtlich nicht die Annahme einer Unbilligkeit i. S. v. § 1578b Abs. 1 S. 1 BGB.
Dagegen wendet sich die Beklagte zu 1. mit ihrer Beschwerde.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, Beschwerde der Beklagten zu 1. ist begründet. Ihre beabsichtigte Rechtsverteidigung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits der Umstand, dass die Beklagte zu 1. in einem relativ jungen Lebensalter ohne abgeschlossene Berufsausbildung und feste Arbeitsstelle die – letztlich auch unter Berücksichtigung der Kindererziehung lange – Ehe mit dem Kläger eingegangen ist und kurz danach das erste Kind der Parteien zur Welt gebracht hat, sowie über einen Zeitraum von fast 30 Jahren – wenn auch mit zunehmendem Alter der Kinder in abnehmendem Maße – mit der Betreuung der gemeinsamen Kinder beschäftigt war, dazu führt, dass an den Vortrag des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers, die Beklagte zu 1. habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, weit höhere Anforderungen zu stellen sind, als er durch seinen Sachvortrag erfüllt hat (eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Konstellation gibt es bislang noch nicht). Denn die Rechtsverteidigung der Beklagten zu 1. hat bereits deswegen hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der nach § 36 Nr. 1 EGZPO zu gewährende Vertrauensschutz unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, der 11jährigen nachehelichen Erziehung gemeinsamer minderjähriger Kinder durch die Beklagte zu 1. sowie der persönlichen Umstände der Beklagten zu 1. – insbesondere ihres Alters und ihrer fehlenden Berufsausbildung und -erfahrung – jedenfalls – soweit eine Befristung des Unterhaltsanspruchs überhaupt in Betracht kommt – eine deutlich längere Übergangszeit rechtfertigt als 8 Monate nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, warum für den Kläger eine weitere Ehegattenunterhaltszahlung gerade zu einem Zeitpunkt unbillig werden sollte, in dem sich sein zur Verfügung stehendes Einkommen durch den Wegfall des Kindesunterhalts erhöht.
OLG Celle, Beschluss vom 27.10.2008
10 WF 350/08