Die Urteile des Bezirksgerichts Cottbus vom 27. April 1960 (3 BF 91/59) und des Kreisgerichts Finsterwalde vom 6. Mai 1959 (3 F 143/58) werden aufgehoben und für gegenstandslos erklärt.
Es wird festgestellt, dass der Restitutionskläger nicht der Vater der Restitutionsbeklagten ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert für das Restitutionsverfahren wird auf bis zu € 2 500 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der am …. April 1934 geborene Kläger des vorliegenden Verfahrens wurde durch Urteil des Kreisgerichts Finsterwalde vom 6. Mai 1959 auf deren Klage hin als Vater der am …. Juli 1958 geborenen jetzigen Beklagten festgestellt und gleichzeitig zur Zahlung monatlichen Kindesunterhalts in Höhe von 60,00 DM verurteilt. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden die Mutter, die weitere Beigeladene des vorliegenden Rechtsstreits, und zwei weitere Putativväter vom Kreisgericht als Zeugen vernommen, die Einholungen des Blutgruppengutachtens jedoch zunächst abgelehnt. In den bezüglich der Feststellung der Vaterschaft auf die damals geltende Vorschrift des § 1717 BGB gestützten Gründen führte das Kreisgericht aus, dass der damalige Verklagte Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit am 1. November 1957 eingeräumt, jedoch keinen Beweis für die gleichzeitig von ihm erhobene Mehrverkehrseinrede erbracht habe.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Verklagten wies das Bezirksgericht Cottbus mit am 27. April 1960 verkündetem Urteil nach nochmaliger Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Blutgruppengutachtens sowie eines Tragezeitgutachtens zurück. Das unter dem Datum des 30. Oktober 1959 durch die Direktorin des Bezirkshygieneinstitutes C. als gerichtlicher Sachverständiger schriftlich erstattete Blutgruppengutachten kam zu dem Ergebnis, dass sowohl der Verklagte wie auch die beiden untersuchten Mehrverkehrszeugen als Erzeuger des Kindes „nicht offenbar unmöglich“ erschienen. Auch das eingeholte Tragezeitgutachten erachtete eine Zeugung des Kindes durch den Verklagten anlässlich des eingeräumten Geschlechtsverkehrs mit der Kindesmutter für möglich. Auf dieser Grundlage bestätigte das Bezirksgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Kreisgerichtes Finsterwalde.
Nach auf Betreiben des jetzigen Klägers mit Zustimmung der Beklagten des vorliegenden Verfahrens erfolgter Einholung eines DNA-Abstammungsgutachtens des Humangenetischen Labors Dr. R. und Partner, L., vom 22. Oktober 2008, das auf Mundschleimhautabstrichen der Parteien beruht und zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Abstammung der Beklagten vom Kläger des vorliegenden Verfahrens „genetisch nicht möglich“ sei, erhob dieser mit Klageschrift vom 3. November 2008 Restitutionsklage nach § 641 i ZPO. Das genannte Gutachten stellt nach Ansicht des Klägers einen Wiederaufnahmegrund dar, weil im Falle der Kenntnis der darin getroffenen Feststellungen er im Vorverfahren nicht als Vater festgestellt worden wäre.
Der Kläger beantragt,
1. die Urteile des Kreisgerichts Finsterwalde vom 06.05.1959 (3 F 143/58) sowie des Bezirksgerichts Cottbus vom 27.04.1960 (3 BF 91/59) aufzuheben und für gegenstandslos zu erklären;
2. festzustellen, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist.
Sowohl die Beklagte wie die weiter beigeladene Kindesmutter haben am Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 7. Mai 2009 teilgenommen, sich jedoch – trotz entsprechenden Hinweises – mangels anwaltlicher Vertretung im Übrigen am Verfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
II.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist zur Entscheidung über die vorliegende Restitutionsklage nach § 641 i ZPO nach Abs. 3 S. 1 berufen, weil das angefochtene Urteil von dem früheren Bezirksgericht C. erlassen wurde (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 641 i, Rn. 13, m.w.N.). Dies gilt auch für in der Sache selbst erlassene Urteile der II. Instanz, mit denen die Berufung gegen erstinstanzliche Entscheidungen zurückgewiesen wurde (vgl. Roth-Stielow, Abstammungsprozess, 2. Aufl., Rn. 219; Schael: in Verfahrenshandbuch Familiensachen, § 1, Rn. 423).
Die nach § 641 i Abs. 4 ZPO nicht fristgebundene Restitutionsklage, für die der jetzige Kläger als damaliger Verklagter des Vorprozesses klagebefugt ist, richtet sich gegen zwei Urteile des früheren Kreisgerichts Finsterwalde und des Bezirksgerichts Cottbus der ehemaligen DDR, die nach Art. 234 § 7 Abs. 1 EGBGB jedoch fortgelten (vgl. MünchKomm-Braun, ZPO, § 641 i, Rn. 9a; Schael: in Verfahrenshandbuch § 10, Rn. 116) und damit gegen rechtskräftige Urteile über die Vaterschaft im Sinne des § 641 i Abs. 1 ZPO. Die gleichzeitig mit der Feststellung der Vaterschaft erfolgte Festlegung der Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt steht einer Restitutionsklage nach der genannten Norm nicht entgegen (so BGHZ 156, 153; BGH FamRZ 1993, 493; Zöller-Philippi, a.a.O., § 641 i, Rn. 2; Baumbach/ Lauterbach, ZPO, 66. Aufl., § 641 i, Rn. 2).
Auch die weitere Zulässigkeitsvoraussetzung der Vorlage eines neuen Vaterschaftsgutachtens, für die ein Privatgutachten ausreicht (BGH NJW 1975, 1465), ist im hier zu beurteilenden Fall gegeben. Insoweit gilt, dass sich die sachverständige Beurteilung als Blutgruppen- oder anthropologisch-erbbiologisches Gutachten, als Gutachten über die Tragezeit oder über die Zeugungsfähigkeit auf die Frage der Abstammung der einen Prozesspartei von der anderen und damit konkret auf den im Vorprozess zur Entscheidung gestellten Sachverhalt beziehen, dort jedoch nicht Verwendung gefunden haben muss (BGH FamRZ 1989, 1067; BGHZ 156, 153). Diesen Anforderungen wird das vom Kläger vorgelegte DNA-Abstammungsgutachten des Labors Dr. R. und Partner, L., vom 22.10.2008, auf das die Klage mit der Behauptung gestützt wird, aus seinem Inhalt ergebe sich ein Wiederaufnahmegrund, in vollem Umfang gerecht, sodass insgesamt die Zulässigkeit der vorliegenden Restitutionsklage zu bejahen ist.
Die Restitutionsklage ist auch begründet.
Das jetzt vorgelegte neue Gutachten ist geeignet, den im Vorprozess zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt abweichend zu beurteilen und stellt damit einen Restitutionsgrund dar.
Es ist geeignet, die Grundlage der früheren Urteile zu erschüttern, ohne dass es weiterer Beweise bedürfte.
Die angegriffenen Entscheidungen des Kreis- bzw. Bezirksgerichts beruhten zum einen auf einem sog. Tragezeitgutachten, zum anderen auf einem Gutachten der Direktorin des Bezirkshygieneinstituts C. Dr. med. I. S. vom 30. Oktober 1959, das sich auf eine Blutgruppenuntersuchung des Klägers des vorliegenden Verfahrens, zweier Mehrverkehrszeugen und der jetzigen Beklagten bezieht und insgesamt zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vaterschaft aller drei Männer „nicht offenbar unmöglich“ sei. Das jetzt vorgelegte, im Einvernehmen der Parteien erstellte DNA-Abstammungsgutachten basiert auf Mundschleimhautabstrichen der Parteien, die – wie in der mündlichen Verhandlung dem Senat übereinstimmend dargelegt – nach Feststellung der Personalien bei den jeweiligen Hausärzten entnommen und von dort dem Labor übersandt wurden. Dieses für molekulargenetische Diagnostik akkreditierte Labor gelangte nach seinen Untersuchungen, die soweit ersichtlich nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführt wurden, zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaft des jetzigen Klägers „genetisch nicht möglich“ ist.
Da somit ein Restitutionsgrund vorliegt, waren die angefochtenen Urteile des Kreisgerichts Finsterwalde vom 6. Mai 1959 und des Bezirksgerichts Cottbus vom 24. April 1960 aufzuheben und – zum Zwecke der Klarstellung – für gegenstandslos zu erklären.
Nach daraus resultierender Durchbrechung der Rechtskraft und Wegfall der Bindungswirkung der früheren Entscheidungen sah sich der Senat zu sofortiger Neuverhandlung der Sache veranlasst, wobei es im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu seiner Überzeugung nicht erforderlich erschien, ein weiteres gerichtliches Gutachten einzuholen.
Das genannte DNA-Abstammungsgutachten vom 22.10.2008 wurde, wie dargestellt, mit Zustimmung der Beklagten erstattet und ist damit als Beweismittel verwertbar (vgl. Zöller-Philippi, a.a.O., § 641 i, Rn. 4). Es erscheint nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und gelangt nach den anerkannten Regeln der gegenwärtigen Humangenetik zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Vaterschaft des Klägers im Hinblick auf die Beklagte genetisch nicht möglich ist. Die Beklagte ist dem Begehren des Klägers im Verfahren nicht entgegengetreten; sie hat vielmehr durch ihr prozessuales Verhalten ihr Einverständnis mit der Verwertung des Gutachtens bestätigt.
Diese Erkenntnisse, im Gutachten vom 22.10.2008, die sich der Senat zu Eigen macht, rechtfertigen die jetzige Feststellung, dass der Kläger des vorliegenden Verfahrens nicht der Vater der Beklagten ist.
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat nicht zu erfolgen – § 704 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 c ZPO; der Streitwert bemisst sich nach § 48 Abs. 3 S. 3 GKG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 GKG.
OLG Brandenburg, Urteil vom 28.05.2009
9 UF 151/08