Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 18. November 2010 abgeändert.
Dem Beteiligten zu 1. wird die elterliche Mitsorge für das Kind M… S…, geboren am …. Januar 2010, übertragen, sodass gemeinsame elterliche Sorge der Beteiligten zu 1. und 2. besteht.
Die Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten zu 1. und 2. zu gleichen Teilen zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. erstrebt die gemeinsame elterliche Sorge mit der Beteiligten zu 2. für das Kind M… S…, geboren am ….1.2010.
Aus der nur einige Wochen dauernden Beziehung der Beteiligten zu 1. und 2. ist das Kind M… hervorgegangen, das im Haushalt der Mutter lebt. Sowohl das vom Vater eingeleitete Vaterschaftsfeststellungsverfahren (60 F 96/10 Amtsgericht Bad Freienwalde) als auch das Umgangsverfahren (60 F 208/10 Amtsgericht Bad Freienwalde) endete einvernehmlich, die Mutter hat der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt, die Eltern haben eine Umgangsvereinbarung geschlossen. Der Vater hat nun alle zwei Wochen am Samstag und Sonntag jeweils für zwei Stunden, ab März 2011 jeweils für drei Stunden Umgang mit dem Kind.
Mit dem vorliegenden Verfahren erstrebt der Vater die gemeinsame elterliche Sorge. Das Amtsgericht hat seinen Antrag durch Beschluss vom 18.11.2010 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Vater mit der Beschwerde. Er trägt vor:
Die begehrte elterliche Mitsorge könne nicht an der Haltung der Mutter scheitern. Diese habe offenbar nur die Vorstellung, die Erziehungsverantwortung sei leichter zu tragen, wenn er, der Vater, nicht vorhanden sei. Dies treffe aber nicht zu. Nicht jede Meinungsverschiedenheit lasse die Kooperationsmöglichkeit entfallen. Die bisherigen Verfahren, die jeweils ohne gerichtliche Entscheidung beendet worden seien, hätten zudem gezeigt, dass Kompromisse möglich seien.
Der Vater beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 18.11.2010 abzuändern und seine elterliche Mitsorge für das Kind M… S…, geboren am ….1.2010, anzuordnen.
Die Mutter beantragt Beschwerdezurückweisung und trägt vor:
Sie habe mit dem Vater nicht zusammen gelebt und kein Vertrauen aufbauen können. Beide Elternteile seien nicht kooperationsbereit und –willig. Es beständen Spannungen im Hinblick auf die Betreuung und Pflege des Kindes, diese könne der Vater noch nicht übernehmen. Er folge gut gemeinten Hinweisen nicht, weshalb es zu kleineren Unfällen gekommen sei. Eine Vater-Sohn-Beziehung bestehe nicht. Die Ausübung der alleinigen Sorge durch sie, die Mutter, sei gerechtfertigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Eltern wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 27.1.2011 die Dipl.-Rehabilitationspädagogin und Dipl.-Sozialpädagogin K… H… zur Verfahrensbeiständin bestellt. Auf deren Stellungnahme vom 2.3.2011 wird ebenso verwiesen wie auf den Bericht des Jugendamts … vom 24.2.2011 und den Bericht des Jugendamts des Landkreises B… vom 17.2.2011. Im Termin vom 8.3.2011 hat der Senat die Eltern, die Verfahrensbeiständin und die Vertreterin des Jugendamts … angehört. Auf den Anhörungsvermerk wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist zulässig. Er ist insbesondere beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Denn auch als Vater eines nicht in einer Ehe geborenen Kindes hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen (Mit-)Sorge für dieses Kind auf sich zu beantragen (BVerfG, FamRZ 2010, 1403).
Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Vater ist die Mitsorge für das Kind M… S…, geboren am ….1.2010, zu übertragen mit der Folge, dass gemeinsame elterliche Sorge von Vater und Mutter besteht.
Die Übertragung der elterlichen Sorge für ein nicht in einer Ehe geborenes Kind auf den Vater kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Mutter als alleiniger Sorgerechtsinhaberin nach § 1626 a Abs. 2 BGB die elterliche Sorge gemäß §§ 1666, 1666 a BGB entzogen werden muss und die Voraussetzungen für die Übertragung auf den Vater nach § 1680 Abs. 3 i.V.m. § 1680 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegen. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater eines nichtehelichen Kindes ist vielmehr bereits unterhalb dieser hohen Eingriffsschwelle möglich. Denn die Regelungen in §§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1, 1672 Abs. 1 BGB, die den Vater eines nicht aus einer Ehe hervorgegangenen Kindes von der elterlichen Sorge ausschließen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigert, sind, wie das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21.7.2010 (FamRZ 2010, 1403) ausgesprochen hat, mit Artikel 6 Abs. 2 GG unvereinbar. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung sind nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die genannten Vorschriften mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils über die elterliche Sorge zu entscheiden hat. Es überträgt den nicht miteinander verheirateten Eltern die gemeinsame elterliche Sorge, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Bei der vorzunehmenden Prüfung müssen die Belange des Kindes maßgebliche Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge dürfen dabei nicht zu hoch angesetzt werden (BVerfG, FamRZ 2010, 1403 ff., 1410, Rz. 75).
Auf Seiten des Kindes ist zunächst zu bedenken, dass es grundsätzlich seinem Wohl entspricht, wenn es in dem Bewusstsein lebt, dass beide Elternteile für es Verantwortung tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat bzw. wenn sich beide um es kümmern und Kontakt mit ihm pflegen. Eine gemeinsame elterliche Sorge ist allerdings nur möglich, wenn zwischen den Eltern ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht, wenn sie kooperationsfähig und –willig sind. Bei der Beurteilung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass ein ständiger und umfassender Austausch über die Kindesinteressen nicht erforderlich ist. Es genügt, wenn die Eltern in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung miteinander sprechen und gemeinsam entscheiden. Danach ist dem Vater die Mitsorge zu übertragen mit der Folge, dass die elterliche Sorge beiden Elternteilen gemeinsam zusteht.
Die zwischen den Eltern bestehende Beziehung lässt die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu. Die (Liebes-)Beziehung hat zwar nur einige Wochen bestanden, nach ihrer Beendigung gab es wenig bzw. keinen Kontakt mehr. Seit der Geburt von M… hat sich die Situation aber verändert. Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt und sich um Kontakt bemüht, die Mutter hat ihren zunächst gezeigten Widerstand zurückgenommen, hat nicht nur der Anerkennung der Vaterschaft zugestimmt und mit dem Vater dessen Umgang vereinbart, sondern den Umgang auch vereinbarungsgemäß gewährt. Dieser findet nun im Haushalt der Mutter statt, die Eltern haben gelernt, jedenfalls in Angelegenheiten des Kindes miteinander zu kommunizieren. So kommt die Mutter etwa, wie sie dem Senat in Übereinstimmung mit dem Vater berichtet hat, den Bedürfnissen des Vaters entgegen, wenn er um eine Verschiebung von Umgangsterminen bittet, möchte allerdings ihrerseits, dass der Vater gleichermaßen auf ihre Wünsche eingeht.
Die Eltern haben auch, wie die Verfahrensbeiständin unter dem 2.3.2011 berichtet hat, bei dem von ihr beobachteten Umgangstermin trotz zunächst bestehender unterschiedlicher Vorstellungen einen Kompromiss erzielt. Die Mutter hat trotz einer geplanten Familienfeier den Umgang am Vormittag vor der Feier zugesagt, der Vater die Verkürzung des Umgangszeitraums akzeptiert. Der Vater reagiert, wie die Verfahrensbeiständin hervorgehoben hat, bei Unstimmigkeiten sehr ruhig, was die Verständigung fördert. Er ist ohnehin mit der grundsätzlich bestehenden Situation, in der das Kind im Haushalt der Mutter lebt und von ihm dort bzw. am Wohnort der Mutter besucht wird, einverstanden. Er ist weitergehend auch bereit, an den Wohnort der Mutter zu ziehen, um sich einerseits die Fahrtkosten zu ersparen, andererseits besser verfügbar zu sein, wenn es nötig ist. Diese Planung wird von der Mutter begrüßt, die bei ihrer Anhörung durch den Senat geäußert hat, sie halte ihrerseits den geplanten Umzug für günstig, weil der Vater ggf. schneller zur Stelle sein könne.
Demgegenüber kommt den von der Mutter angeführten Spannungen bei der Betreuung und Pflege keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn zum einen bedeutet gemeinsame elterliche Sorge nicht zugleich gemeinsame Betreuung, vielmehr bestimmt auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, bei dem das Kind lebt, den Alltag. Zum anderen haben sich tatsächliche Schwierigkeiten nicht feststellen lassen. Die von der Mutter genannten „kleineren Unfälle“ hat sie bei ihrer Anhörung durch den Senat so dargestellt, dass der Vater es gelegentlich versäumt habe, das Kind abzustützen, es sei deshalb nach hinten gefallen. Solche Ungeschicklichkeiten stehen der Übernahme der Mitsorge jedoch nicht entgegen.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Eltern in den Fragen, die über alltägliche Entscheidungen hinausgehen, zu der nötigen Kooperation in der Lage sind und etwa Kindergarten und Schule gemeinsam bzw. übereinstimmend auswählen können. Da solche bei gemeinsamer elterlicher Sorge gemeinsam zu treffenden Entscheidungen noch nicht unmittelbar anstehen, geben die zurückhaltenden Äußerungen der Verfahrensbeiständin und der Vertreterin des Jugendamts keine Veranlassung, von der Übertragung der Mitsorge auf den Vater abzusehen. Denn die von beiden für erforderlich gehaltene Zeit für ein – weiteres – Hineinwachsen in die Situation gemeinsamer Elternverantwortung besteht, bevor maßgebliche Entscheidungen getroffen werden müssen.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Vater zu seinem Sohn bereits jetzt einen guten Kontakt aufgebaut hat. M… ist zwar erst ein Jahr alt, reagiert aber nicht nur auf seine Mutter, sondern auch auf seinen Vater positiv, wenn dieser ihn besucht. Wie die Verfahrensbeiständin in ihrem Bericht vom 2.3.2011 dargestellt hat, lässt sich das Kind vom Vater anziehen, reagiert auf seine Ansprache, kuschelt mit ihm und lächelt ihn immer wieder an. Der Vater seinerseits wendet sich dem Kind zu, geht auf es ein, ist liebvoll und vorsichtig mit ihm. Damit liegen alle Voraussetzungen dafür vor, dass sich aus der bereits bestehenden Bindung eine tragfähige Vater-Sohn-Beziehung entwickelt.
Kann somit erwartet werden, dass die Eltern in der Lage sind, die weiteren Belange des Kindes einvernehmlich und zum Wohl des Kindes zu regeln, ist dem Vater die Mitsorge für das Kind zu übertragen, sodass nunmehr gemeinsame elterliche Sorge der Eltern besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
OLG Brandeburg, Beschluss vom 23.03.2011
10 UF 2/11