OLG Brandenburg: Kind ins Heim statt zum Vater = Kindeswohl

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin – Familiengericht – vom 3. August 2007 – 53 F 86/07 – wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Eine außergerichtliche Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Das am … 2007 geborene Kind K… F… ist die nicht in einer Ehe geborene Tochter des Antragstellers und der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin hat die alleinige elterliche Sorge inne.

Die Antragsgegnerin hat wegen geistiger Minderbemittlung und eigener psychischer Probleme eine Betreuerin bekommen und wohnt seit dem 1. Juli 2007 in vollstationärer Pflege in einer Einrichtung. Die Antragsgegnerin hatte kurze Zeit, nachdem das Kind in ihre Obhut gegeben worden war, festgestellt, dass sie mit einer regelmäßigen Versorgung und Betreuung des Kindes überfordert ist aufgrund ihrer eigenen physischen und psychischen Probleme. Aus diesem Grunde entschloss sich die Antragsgegnerin das Kind vorübergehend in eine Pflegefamilie zu geben, um eine Stabilisierung ihrer eigenen Situation in einer vollstationären Behandlung betreiben zu können. Das Kind befindet sich seit dem 8. Mai 2007 in einer Pflegefamilie.

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2007 – eingegangen am 10. Mai 2007 – beim Amtsgericht Neuruppin, hat der Antragsteller beantragt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die am … 2007 geborene K… F… auf ihn, den Antragsteller, zu übertragen.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dieser sei bereits unzulässig. Denn der Antragsteller könne gegen den Willen der Kindesmutter das Sorgerecht nicht erlangen. Es seien insbesondere auch keine Gründe dafür ersichtlich, dass das Gericht hier gem. § 1666 BGB von Amts wegen tätig werden müsste. Dadurch, dass die Kindesmutter das Kind in eine Pflegefamilie gegeben habe, habe sie gerade eine Kindeswohlgefährdung abgewendet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners mit der er ausführt, die Voraussetzungen des § 1666 BGB seien bereits deshalb gegeben, weil die Antragstellerin unverschuldet ihrer elterlichen Sorge nicht nachkommen könne. Auch seine Versuche, ein Umgangsrecht durchzuführen, seien kläglich gescheitert.

Die gem. § 621 e ZPO in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache nicht begründet. Dem Amtsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das nicht in einer Ehe geborene Kind K… F… auf den Beschwerdeführer abzulehnen ist, weil die erforderliche Zustimmung der Kindesmutter nicht vorliegt und nicht gerichtlich ersetzt werden kann. Auch mit der Beschwerdebegründung ist weder hinreichend vorgetragen, noch erkennbar, dass Kindeswohlgesichtspunkte dem vom Beschwerdeführer begehrten Sorgerechtswechsel begründen könnten.

Unstreitig liegt eine gemeinsame Sorgerechtserklärung des Antragstellers und der Antragsgegnerin im Sinne des § 1626 a Abs. 1 BGB nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin die alleinige Sorgerechtsinhaberin gem. § 1626 a Abs. 2 BGB ist. Eine Übertragung des Sorgerechts bzw. eines Teiles des Sorgerechts, wie hier beantragt des Aufenthaltsbestimmungsrechts, auf den Antragsteller ist nur mit Zustimmung der Kindesmutter möglich, § 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB, dem auch eine ggfls. anzunehmende Geschäftsunfähigkeit bzw. eingeschränkte Geschäftsfähigkeit der Kindesmutter nicht entgegensteht. Ebenso wenig begegnen die Vorschriften des § 1672 Abs. 1 Satz 1, § 1626 Abs. 2 BGB verfassungsrechtlichen Bedenken.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mit Urteil vom 29. Januar 2003 – 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01 – entschieden, dass es nicht gegen das Elternrecht des Vaters eines nicht ehelichen Kindes nach Art. 6 Abs. 2 GG verstößt, dass das Kind nach § 1626 a Abs. 2 BGB zunächst rechtlich allein der Mutter zugeordnet und grundsätzlich ihr die Personensorge übertragen ist. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 1672 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach dann, wenn die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt leben und die elterliche Sorge nach § 1626 a Abs. 2 BGB der Mutter zusteht, der Vater nur mit Zustimmung der Mutter die alleinige Übertragung der elterlichen Sorge auf sich beantragen kann, gesehen. Ein Sorgerechtswechsel kann – anders als die gemeinsame Sorge beider Eltern – nicht zur Verfestigung der Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen beitragen, sondern ersetzt die bisherige Sorgetragung eines Elternteils durch die des Anderen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber eine solche Änderung des § 1672 Abs. 1 BGB nicht nur an die Zustimmung der Mutter als bisheriger Sorgerechtsinhaberin knüpft, sondern zur Voraussetzung dafür macht, dass die Übertragung der Alleinsorge dem Kindeswohl dient (§ 1672 Abs. 1 Satz 2 BGB) und sie im Übrigen gem. § 1666 von einer Kindeswohlgefährdung abhängig macht (BVerfG FamRZ 2003, 1447).

Die Entscheidung des Amtsgerichts ist aber auch nicht deshalb fehlerhaft, weil Kindeswohlgesichtspunkte den vom Antragsteller begehrten Sorgerechtswechsel, bzw. die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts begründen könnten.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet ist, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Wenn die Gefahr nicht anders abzuwenden ist, ist die elterliche Sorge zu entziehen.

Auch nach Auffassung des Senats bestehen Gründe für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Antragsgegnerin nicht.

Zwar ist es der Antragsgegnerin aufgrund ihrer geistigen Minderbemittlung und eigener psychischer Probleme derzeit nicht möglich, ihr Kind selbst zu versorgen. Eine Gefährdung des Kindeswohls aufgrund unverschuldeter Mängel der Kindesmutter in deren Erziehungsgeeignetheit war dennoch nicht zu bejahen, denn die Kindesmutter hat sich in Erkenntnis ihrer eigenen derzeitig nicht gegebenen Fähigkeit zur Erziehung des Kindes K… an das Jugendamt gewandt und das Kind in die Obhut einer Pflegefamilie gegeben (siehe Bericht des Jugendamtes des Landkreises O… vom 22. Juni 2007).

Daneben besteht für den Antragsteller selbstverständlich ein Umgangsrecht mit seiner Tochter. Dass er dieses in angemessener Art und Weise zunächst gegenüber der Antragsgegnerin und nunmehr über das Jugendamt gegenüber der Pflegefamilie durchzusetzen versucht hat, ist seinen Angaben im Einzelnen nicht zu entnehmen. Dies kann derzeit aber auch dahinstehen, weil es für die Entscheidung über seinen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts unerheblich ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 13 a FGG, §§ 131 Abs. 3 KostO, 94 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1, 30 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 KostO.

Surkau Dr. Gerschner Rieger

OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2008
13 UF 2/08

AG Neuruppin, Beschluss vom 03.08.2007
53 F 86/07

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