Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 21. Oktober 2008 – Az. 32 F 287/06 – aufgehoben.
Dem Kindesvater wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … aus L. bewilligt.
Der Kindesmutter wird für die Rechtsverteidigung in dem Beschwerdeverfahren im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … aus K. beigeordnet.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die gemäß Sorgeerklärung vom 21. Dezember 2004 gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des am …. Februar 2005 geborenen F. S.. Die etwa 5 Jahre währende nichteheliche Lebensgemeinschaft der Kindeseltern wurde im Spätsommer/Frühherbst 2006 beendet. In unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang dazu wurde das Mietverhältnis für die bislang gemeinsame Wohnung von den Kindeseltern gekündigt.
Ende September 2006 beantragte der Kindesvater mit der Behauptung eines aus seiner Sicht überstürzten, zeitnah bevorstehenden Umzuges der Kindesmutter und deren damals 17-jähriger Tochter S. nach B. zu einem neuen Lebenspartner den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für den gemeinsamen Sohn auf ihn. Die Kindesmutter ist diesem Antrag entgegengetreten und hat einen gegenläufigen eigenen Antrag gestellt.
Im Ergebnis eines Anhörungstermins hat sodann das Amtsgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2006 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für F. einstweilig auf den Kindesvater übertragen und hier maßgeblich auf die ungeklärte Wohn- und Lebenssituation der Kindesmutter abgestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hat der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2006 zurückgewiesen.
In der Folgezeit haben die Kindeseltern im Termin am 7. Dezember 2007 eine familiengerichtlich genehmigte vorläufige “Umgangsvereinbarung” dahin getroffen, dass F. S. sich beginnend ab dem Jahr 2008 jeweils vier Wochen beim Kindesvater und anschließend zwei Wochen bei der Kindesmutter aufhalten solle (vgl. Bl. 337 d.A.).
Sodann ist im Hauptsacheverfahren ein Sachverständigengutachten zu den die umstrittene Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für F. berührenden Fragen eingeholt und dessen Ergebnis mit allen Verfahrensbeteiligten im Verhandlungstermin am 10. Oktober 2008 ausführlich worden.
Im Ergebnis dieses Termins hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Oktober 2008 die “Umgangsvereinbarung” der Parteien vom 7. Dezember 2007 vorläufig dahin abgeändert, dass F. sich ab dem 17. Januar 2009 jeweils zwei Wochen beim Kindesvater und anschließend vier Wochen bei der Kindesmutter aufhalten solle. Zur Begründung ist ausgeführt, dass eine Endentscheidung “noch nicht für sinnvoll erachtet” werde, eine sachverständige Begutachtung bei fortgeschrittenerem Alter des Kindes (Einschulung) aussagekräftigere Ergebnisse zeitigen werde. F. habe sich mit dem inzwischen praktizierten Wechselsystem grundsätzlich arrangiert, das deshalb – wenn auch mit umgekehrter Verteilung der jeweiligen Dauer des Aufenthalts – vorläufig bis zum Abschluss der noch erwogenen erforderlichen Ermittlungen seitens des Gerichts aufrechterhalten werden solle.
Gegen diese ihm am 4. November 2008 zugestellte Entscheidung hat der Kindesvater mit einem am 14. November 2008 eingegangenen Schriftsatz (sofortige) Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung des Beschlusses vom 21. Oktober 2008 und damit zugleich die Wiederherstellung der ursprünglichen “Umgangsvereinbarung” vom 7. Dezember 2007 erstrebt. Er sieht keinen stichhaltigen Anlass, von der seinerzeit im Einvernehmen aller Verfahrensbeteiligten getroffenen Regelung abzuweichen, und rügt insbesondere, dass der von dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen aus Gründen des Kindeswohls besonders betonte Grundsatz der Kontinuität durch die jetzt beschlossene Änderung nicht gewahrt werde und insbesondere sämtliche in S. und Umgebung vorhandenen Sozialkontakte des Kindes unterbrochen würden.
Die Kindesmutter hält das Rechtsmittel bereits für unzulässig und verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.
Der Verfahrenspfleger hat ausgeführt, dass das Kindeswohl durch die vorläufige Neuregelung nicht beeinträchtigt werde.
Das Jugendamt hat entgegen seiner Ankündigung vom 3. Dezember 2008 eine Stellungnahme in der Sache nicht abgegeben.
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Kindesvaters ist gemäß § 621 g ZPO in Verbindung mit §§ 620 b Abs. 1, 620 c Satz 1, 620 d Satz 1 ZPO statthaft und zulässig.
Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden. Die (sofortige) Beschwerde ist insbesondere auch statthaft. Zwar ist nach dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung eine – gerichtlich genehmigte – “Umgangsvereinbarung” vorläufig abgeändert worden und die Anfechtung einer einstweiligen Anordnung betreffend das Umgangsrecht grundsätzlich nicht statthaft (ganz h.M., vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 1986, 182; OLG Hamburg, FamRZ 1987, 497; OLG Dresden FamRZ 2003, 1306; OLG Naumburg, Beschluss vom 18. Oktober 2007, Az. 4 WF 114/07 – zitiert nach juris, mit zustimmender Anmerkung von Götsche, jurisPR-FamR 5/2008 Anm. 3; Senat, Beschluss vom 15. August 2008, Az. 9 WF 204/08; Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 620c Rdnr. 4; BLAH-Albers, ZPO, 63. Aufl., § 620 c Rdnr. 1). Im Streitfall geht es aber nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht tatsächlich nicht um eine Umgangsregelung, sondern eine – nach § 620 b Abs. 1 ZPO abgeänderte – Regelung zum vorläufigen Aufenthalt von F.. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung (Seite 5 unten, Bl. 458 d.A.) ist insoweit ausgeführt, dass “ein Regelungsbedürfnis (bestehe), und zwar dahingehend, in welchem Rhythmus sich das Kind künftig bei welchem Elternteil wann aufhalten soll.” Auch wenn das Ausgangsgericht in der Entscheidung immer wieder Umgang und Aufenthalt gleichsetzt, so ergibt sich doch schon aus dem inhaltlichen Regelungsgehalt der getroffenen Entscheidung, insbesondere aber auch aus den Ausführungen auf Seite 8 des angefochtenen Beschlusses (Bl. 461 d.A.), dass tatsächlich weniger eine Umgangsregelung als vielmehr eine (abändernde) vorläufige Regelung über den Aufenthalt des Kindes getroffen worden ist. Das im Dezember 2007 einvernehmlich vereinbarte und gerichtlich genehmigte Wechselmodell wurde insoweit modifiziert, als zwar der Aufenthaltsrhythmus von vier zu zwei Wochen grundsätzlich beibehalten, dieser aber zugunsten eines jeweils längeren Aufenthalts des Kindes bei der Kindesmutter geändert worden ist. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des Beschwerdegerichts eindeutig um eine Regelung zum Aufenthalts(bestimmungs)recht. Nachdem diese – weiterhin einstweilige – Regelung aufgrund mündlicher Verhandlung vom 10. Oktober 2008 ergangen ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der (sofortigen) Beschwerde nach § 620 c Satz 1 ZPO keine durchgreifenden Bedenken.
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Im Streitfall besteht für die Abänderung der einvernehmlich getroffenen Regelung vom 7. Dezember 2007 zum vorläufigen Aufenthalt des Kindes kein hinreichendes Bedürfnis.
Im selbständigen Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge gemäß § 621 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO eröffnet § 621 g ZPO die Möglichkeit, auf Antrag Regelungen im Wege einstweiliger Anordnung zu treffen. Eine solche einstweilige Anordnung, die – wie im Streitfall – auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist nur zulässig, wenn ein Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde. Dazu reicht es nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am Besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 2. Familiensenat, Beschluss vom 17. April 2003, Az. 10 WF 43/03). Gerade für den hier vorliegenden Fall, dass die der gerichtlichen Abänderung unterworfene vorläufige Regelung zum Aufenthalt des Kindes einvernehmlich von den Kindeseltern vereinbart worden ist, ist der Rechtsgedanke des § 1696 BGB heranzuziehen. Da auch Elternvereinbarungen eine materiell-rechtliche Wirkung zukommt, sind solche einvernehmlich getroffenen Regelungen im Zuge gerichtlich zu treffender Entscheidungen in besonderer Weise zu berücksichtigen. Es bedarf deshalb triftiger Gründe, wenn nicht nur die Kindesmutter, sondern insbesondere auch das – in erster Linie zur Hauptsacheentscheidung berufene – Gericht hier eine Änderung vornehmen wollen (vgl. erkennender Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2007, Az. 9 WF 367/07). Daran fehlt es hier.
Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass ohne die jetzt getroffene (abändernde) Eilentscheidung des Amtsgerichts das Wohl von F. nachhaltig gefährdet wäre, zeigt der Beschluss vom 21. Oktober 2008 nicht auf. Tatsächlich werden in dieser Entscheidung keinerlei stichhaltige Gründe angeführt, die die Annahme rechtfertigen könnten, die bei Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Wechselsystems beschlossene Verschiebung der jeweiligen Aufenthaltsdauer zugunsten der Kindesmutter sei dem Kindeswohl auch nur in besonderer Weise dienlich. Das Amtsgericht hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass sich F. “mit der gegenwärtigen Regelung und des gegenwärtigen Rhythmus hinsichtlich des Aufenthalts bei den Elternteilen arrangiert hat und insoweit auch angepasst hat”. Gleichwohl “schien” es dem Gericht “am Günstigsten, das Umgangsrecht/den Aufenthalt des minderjährigen Kindes zunächst wie tenoriert, vorläufig zu gestalten.” Damit sollte gewährleistet werden, “dass das minderjährige Kind nicht erneut in Konflikte gestürzt wird, wenn die sich bewährte (Hervorhebung durch Beschwerdegericht) Umgangsregelung abrupt zum Nachteil eines Elternteils abgeändert wird.” Diese Ausführungen sind in erheblichem Maße widersprüchlich und entbehren jedenfalls einer überzeugenden Argumentation. Welchen Vorteil die jetzt getroffene Änderungsentscheidung für das Wohl des Kindes bieten soll, ist weder dem hier angefochtenen Beschluss zu entnehmen noch sonst ersichtlich.
Aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung lässt sich nur der – nach dem derzeitigen Erkenntnisstand durchaus gerechtfertigte – Schluss ziehen, dass hinsichtlich der sorgerechtlichen Kriterien, insbesondere der Erziehungsgeeignetheit im Grundsatz beide Elternteile gute Voraussetzungen für die Wahrung des Wohls des Kindes bieten. Der Beschluss lässt einzig und allein erkennen, dass das Gericht sich wegen der bei beiden Elternteilen nahezu gleichermaßen guten Voraussetzungen für die Betreuung, Erziehung und Förderung von F. mit einer Entscheidung in der Hauptsache derzeit ausgesprochen schwer tut. Hierzu ist wenig konkret ausgeführt, dass eine Endentscheidung “noch nicht für sinnvoll erachtet wird, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch wesentliche Fragen im Ergebnis des Gutachtens nicht konkret beantwortet werden konnten und von Seiten des Gutachters im Ergebnis nach seiner Anhörung auch noch offen gelassen wurden.” Dieser habe sich “nicht 100 %-ig festlegen wolle(n), bis das Kind zur Schule käme”.
Auch der Beschwerdesenat weiß um die besonderen Schwierigkeiten eines Gutachters, bei einem Kleinkind zu eindeutigen Ergebnissen in Bezug auf sein Verhältnis zum jeweiligen Elternteil gelangen zu können. Es ist aber nicht die Sache des Gutachters, eine Entscheidung über den künftigen dauerhaften Aufenthalt des Kindes zu treffen – dies bleibt Aufgabe allein des Gerichts, die in einem angemessenen Zeitraum gelöst werden muss und keinesfalls deshalb aufgeschoben werden kann, weil sich ein Gutachter jedenfalls vor Schulantritt eines Kindes nicht 100 %-ig festlegen kann. Das Gericht lässt in seinen Entscheidungsgründen auch nicht im Ansatz erkennen, wie die nach seinen Ausführungen wesentlichen offenen Aspekte, “und zwar insbesondere (,wie) der Kontinuitätsgrundsatz auf Grund des Alters des Kindes (…) in Bezug auf beide Elternteile definiert” werden sollte, in der weiteren Folge konkret einer – dem Beschleunigungsgebot Rechnung tragenden – Beantwortung zugeführt werden sollen. Welcher Erkenntnisgewinn in Bezug auf den Kontinuitätsgrundsatz ausgerechnet durch eine Änderung der bisher praktizierten, einvernehmlich beschlossenen und von F. gut angenommenen Aufenthaltsregelung geschaffen werden könnte, ist dem Beschluss vom 21. Oktober 2008 nicht zu entnehmen und auch ansonsten nicht ersichtlich. Tatsächlich finden sich keinerlei Gründe für den vom Amtsgericht vorgenommene abrupte Abänderung der bewährten “Umgangs-”Regelung vom 7. Dezember 2007.
Mit Recht weist im Übrigen die Kindesmutter darauf hin, dass in der Folge der vom Amtsgericht getroffenen Regelung keinerlei aussagekräftige Ergebnisse über die vom Sachverständigten mit Fragezeichen versehene Bindungstoleranz der Kindesmutter gewonnen werden können. Die Kindesmutter war aufgrund der zunächst gerichtlich angeordneten vorläufigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater und mit Blick auf das in der Folgezeit einvernehmlich vereinbarte Wechselmodell, das im Ergebnis des hier angefochtenen Beschlusses zwar modifiziert, aber dem Grunde nach aufrechterhalten bleiben soll, zu keinem Zeitpunkt in der Situation, Umgangskontakte zwischen Kinde und Vater zu gewähren. Daran würde sich bei Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung nichts ändern. Die vorgenommene Änderung des Wechselrhythmus zugunsten der Kindesmutter kann deshalb auch insoweit keine Erhellung bringen.
Letztlich bleibt es dabei, dass der Umstand, dass sich das Gericht mit einer Entscheidung in der Hauptsache leichter tun würde, wenn ein noch nicht näher absehbarer weiterer Zeitraum verstrichen sein wird (bis zur Einschulung des heute erst knapp vierjährigen Kindes ?), kann für sich betrachtet selbstverständlich kein geeigneter Grund für eine einstweilige – und zudem die einvernehmlich getroffene Regelung abändernde – Anordnung zum Aufenthalt des Kindes sein.
3. Eine Kostenentscheidung für das hier erfolgreiche Beschwerdeverfahren ist mit Blick auf § 620 g ZPO nicht veranlasst.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes entspricht den §§ 131 Abs. 2, 30 KostO unter analoger Anwendung des § 24 Satz 1 RVG.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.01.2009
9 WF 340/08