I.
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Potsdam vom 20. Juni 2008 – 42 F 324/06 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihr für das Kind C… Sch… , geb. am … 2001, das Sorgerecht zur Gänze entzogen wird. Es wird von Amts wegen auf den Vater übertragen.
II.
Auf die Anschlussbeschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Potsdam vom 20. Juni 2008 – 42 F 324/06 -, soweit er das Sorgerecht für das Kind V… Sch… , geb. am … 1998, betrifft, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf den Antrag des Vaters wird die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind V… Sch… aufgehoben. Das alleinige Sorgerecht wird auf den Vater übertragen.
Soweit die Anschlussbeschwerde das Sorgerecht für das Kind C… Sch… betrifft, wird sie als unzulässig verworfen.
III.
Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wird aufrechterhalten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Vaters werden der Mutter auferlegt.
Gründe
I.
Aus der Beziehung der nicht miteinander verheirateten Eltern sind die Söhne V…, 11 Jahre alt, und C…, 8 Jahre alt, hervorgegangen. Für V… besteht gemäß § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB gemeinsames Sorgerecht, für C… ist die Mutter gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigt. Im Dezember 2004 trennten sich die Eltern; die Kinder verblieben bei der Mutter.
Seit der Trennung, also seit nunmehr gut viereinhalb Jahren, streiten die Eltern um den Umgang des Vaters mit den Kindern. Dies führte im April 2005 zur Einleitung eines ersten Umgangsrechtsverfahrens seitens des Vaters – 42 F 139/05 Amtsgericht Potsdam -, das im Mai 2005 mit einer durch das Jugendamt vermittelten außergerichtlichen Umgangsvereinbarung der Eltern endete. Die Eltern legten seinerzeit einen recht unbestimmten Rahmen fest und vereinbarten im Übrigen, den Umgang „flexibel“ zu handhaben.
Diese auf den guten Willen der Eltern setzende Vereinbarung bewährte sich in der Praxis nicht. Deshalb sah sich der Vater im November 2005 veranlasst, erneut ein Umgangsrechtsverfahren in Gang zu setzen – 42 F 359/05 Amtsgericht Potsdam -. Er beklagte vor allem, dass die Mutter den Umgang – so seine Begründung – nur sozusagen „nach Gutsherrenart“ gewähre und von „Wohlverhaltensbedingungen“ abhängig mache; deshalb wünsche er sich einen festen zeitlichen Rahmen. In diesem zweiten Verfahren erließ das Amtsgericht am 12.12.2005 eine einstweilige Anordnung, durch die es den Umgang vorläufig verbindlich regelte, an die sich die Mutter indes unter Berufung auf die „Wünsche“ der damals 7 bzw. 4 Jahre alten Kinder nur unvollkommen hielt. Im Hauptsacheverfahren kam es sodann am 29.05.2006 zu einer gerichtlichen Umgangsvereinbarung, die sich das Amtsgericht zu eigen machte. In dieser Zeit hat nach dem Sachvortrag der Eltern einigermaßen regelmäßig Umgang stattgefunden, allerdings ohne Übernachtungen von V… beim Vater, weil V… diese ablehnte; der Vater respektierte das und brachte ihn zum Übernachten jeweils zur Mutter zurück. V… begründete seine Weigerung, beim Vater zu übernachten, mit einer Ohrfeige, die ihm der Vater im August 2004, zu einer Zeit also, als die Eltern noch nicht getrennt lebten, gegeben hatte.
Zum Abbruch der Umgänge mit beiden Kindern kam es im Juli 2006. Vom 17.07. bis zum 23.07.2006 sollte vereinbarungsgemäß ein Urlaubsumgang stattfinden. Den 17.07.2006 verbrachte der Vater mit den Jungen im Schwimmbad. Am Abend brachte er V… zum Übernachten zur Mutter; C… schlief bei ihm. Am nächsten Tag begann eine Dreitagesreise zum Heidepark Soltau, die – so der Vater – sehr harmonisch verlief. Nach der Rückkehr am 20.07.2006 brachte der Vater V… zum Übernachten zur Mutter, und man verabredete sich für den nächsten Morgen. Als der Vater und C… V… am 21.07.2006 abholen wollten, eskalierte die Situation; die Mutter gab V… nicht heraus, schickte C… ins Haus und sagte alle weiteren Unternehmungen ab.
Seitdem hat (abgesehen von den durch den Senat mit dem Ziel, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen, initiierten therapeutisch begleiteten Umgängen im Anschluss an den Senatstermin vom 05.03.2009) mit V… praktisch kein Umgang mehr und mit C… insgesamt nur wenige Stunden begleiteter Umgang stattgefunden. Die Grundpositionen der Eltern sind verhärtet:
– Die Mutter behauptet – und auch bei V… hat sich dies als Erinnerung verfestigt -, der Vater habe auf der Rückfahrt vom Heidepark Soltau, als die Jungen sich auf dem Rücksitz um Spielzeug gestritten hätten, nach hinten gelangt und V… geschlagen. Weiteren Umgang des Vaters mit den Kindern macht sie von einem „klärenden Gespräch“ im Beisein der Kinder abhängig, in dem der Vater „sein Fehlverhalten zugestehen“ müsse.
– Der Vater bestreitet jeglichen Übergriff seinerseits. Der Umgang scheitere allein an der Mutter, die es nicht ertragen könne, dass die Jungen mit ihm schöne Stunden verlebt hätten, und sie deshalb massiv gegen ihn beeinflusse.
Diese Situation hat zu drei Verfahren geführt, mit denen der Senat aktuell befasst ist:
– Die Mutter leitete im September 2006 ein Umgangsrechtsverfahren – 42 F 277/06 Amtsgericht Potsdam (= 15 UF 99/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht) – mit dem Ziel des völligen Umgangsauschlusses ein.
– Der Vater ist dem im November 2006 mit dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren – 42 F 324/06 Amtsgericht Potsdam (= 15 UF 98/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht) – entgegengetreten und hat beantragt; das (bislang gemeinsame) Aufenthaltsbestimmungsrechts für V… auf ihn zu übertragen und der Mutter das (alleinige) Sorgerecht für C… zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen.
– Zugleich hat er Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes gestellt, um die Mutter zur Einhaltung der gerichtlichen Umgangsvereinbarung vom 29.05.2006 – 42 F 359/05 Amtsgericht Potsdam – anzuhalten – 42 F 323/06 Amtsgericht Potsdam (= 15 UF 102/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht) -.
– Im Sorgerechtsverfahren hat die Mutter schließlich im März 2007 beantragt, das (bislang gemeinsame) Sorgerecht für V… auf sie allein zu übertragen.
Das Amtsgericht hat zunächst am 20.11.2006 im Umgangsrechtsverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Diplompsychologe und Fachpsychologe für Rechtspsychologie Dr. E… Wa… in Berlin) angeordnet. In dem Beweisbeschluss hat es zugleich bis auf weiteres stundenweisen begleiteten Umgang angeordnet, dem sich aber V… völlig und C… weitgehend entzogen. Das gut ein Jahr später vorgelegte Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, dass es der Mutter an der für gedeihliche Umgangskontakte zwischen dem Vater und den Kindern erforderlichen Bindungstoleranz fehle. Nach Verfahrensverzögerungen unter anderem durch Ablehnungsgesuche gegen die amtierende Richterin hat das Amtsgericht schließlich am 20.06.2008 durch in der Begründung im wesentlichen gleichlautende Beschlüsse folgende Entscheidungen getroffen:
– In dem vorliegenden Sorgerechtsverfahren hat es den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder, soweit das Umgangsrecht des Vaters betroffen ist, entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet; die weitergehenden Sorgerechtsanträge beider Eltern hat es zurückgewiesen.
– In dem Umgangsrechtsverfahren hat es den Antrag der Mutter auf Ausschluss des Umgangs zurückgewiesen und die Geltung der gerichtlichen Umgangsvereinbarung vom 29.05.2006 – 42 F 359/05 Amtsgericht Potsdam – bekräftigt, ergänzt um eine Verpflichtung der Mutter, die Kinder pünktlich zu den festgelegten Zeiten an den Umgangspfleger herauszugeben und von diesem wieder in Empfang zu nehmen.
– In dem Zwangsgeldverfahren hat es der Mutter antragsgemäß für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld angedroht.
Gegen alle drei Beschlüsse wendet sich die Mutter jeweils mit einem einheitlich als „sofortige Beschwerde“ bezeichneten Rechtsmittel.
Der Senat hat Beweis durch Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens (Fachpsychologe für Rechtspsychologie, Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Dr. M… W… in Berlin) erhoben, um die Aspekte „Relevanz des dem Umgang entgegenstehenden Kindeswillens“ und „Kindeswohlgefährdungen durch die Umgangsverweigerung und -vereitelung seitens der Mutter“ weiter aufzuklären.
Nach Abschluss der Begutachtung baten die Eltern den Sachverständigen um „mediative Gespräche“. Dies hat zweimal zu (einvernehmlichen) Verschiebungen des ursprünglich auf den 18.12.2008 terminierten Senatstermins auf den 05.03.2009 geführt. Letztlich sind die Bemühungen des Sachverständigen erfolglos geblieben; nach deren Scheitern hat er unter dem 16.02.2009 sein schriftliches Gutachten vorgelegt. Es gelangt im Kern zu denselben Ergebnissen wie das Erstgutachten (mangelnde Bindungstoleranz der Mutter; der Kindeswille sei nicht autonom).
Zuvor hatte das Vormundschaftsgericht, entsprechend dem angefochtenen Beschluss in diesem Verfahren, am 01.08.2008 Frau H… aus Berlin zur Umgangspflegerin bestellt. Diese führte am 05.09.2008, fünf Wochen nach ihrer Bestellung, ein erstes Gespräch mit der Mutter und am 12.10.2008 ein Gespräch mit den Kindern (nach Angaben des Jugendamtes deshalb nicht früher, weil „Frau Dr. Sch… keinen Terminsvorschlag der Umgangspflegerin umsetzen konnte“). Bevor ein Umgang konkret angegangen wurde, wurde die Umgangspflegerin auf ihren Antrag am 19.12.2008 aus gesundheitlichen Gründen entlassen und an ihrer Stelle das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Auch dem Jugendamt ist es bis zum Senatstermin am 05.03.2009 nicht gelungen, einen Umgang der Kinder mit dem Vater tatsächlich herbeizuführen.
Dies hat den Vater veranlasst, im Senatstermin vom 05.03.2009 und nachfolgend mit Schriftsatz vom 27.05.2009 Anschlussbeschwerde einzulegen, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt bzw. (in Bezug auf V…) erweitert hat. Er beantragt nunmehr, das Sorgerecht für V… zur Gänze auf ihn zu übertragen und der Mutter das Sorgerecht für C… zu entziehen.
Im Senatstermin vom 05.03.2009 hat der Senat sämtliche Verfahrensbeteiligten, die Kinder sowie den Sachverständigen Dr. W… angehört. Des weiteren hat er die Mutter eindringlich auf ihre elterliche Verantwortung für die Erhaltung der Vater-Kind-Beziehung hingewiesen und der vom Jugendamt mit den Aufgaben der Ergänzungspflegerin betrauten Sachbearbeiterin ihre rechtlichen Befugnisse und Pflichten als Umgangspflegerin erläutert; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.03.2009 Bezug genommen. Um der Mutter nochmals Gelegenheit zu geben, ihrer elterlichen Verantwortung in diesem Punkt gerecht zu werden, und Raum zu schaffen für eine therapeutisch begleitete Wiederanbahnung der Umgangskontakte, ist das Beschwerdeverfahren sodann für drei Monate ausgesetzt und neuer Termin auf den 08.06.2009 bestimmt worden.
Mit Schreiben vom 04.05.2009 hat die Ergänzungspflegerin mitgeteilt, eine Umsetzung der bestehenden Umgangsregelung sei nicht möglich gewesen. Nach anfänglich positivem Verlauf hätten sich die Kinder zunehmend ablehnend verhalten, so dass die Umgangsbegleiter weitere Umgangskontakte nicht mehr hätten begleiten wollen. Aus dem angeschlossenen Bericht der Umgangsbegleiter vom 04.05.2009 ergibt sich, dass nach deren Einschätzung wesentliche Ursache für die Umgangsverweigerung der Kinder ein von der Mutter induziertes „inneres Verbot“ ist, „dem Vater positiv zu begegnen und sich ihm positiv zuwenden zu dürfen“; wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bericht – Bl. 336 ff der Akten – verwiesen.
Im Senatstermin vom 08.06.2008 hat der Senat (nochmals) die Verfahrensbeteiligten und den Sachverständigen Dr. W… sowie die im Auftrag der Ergänzungspflegerin in der Zeit vor dem Termin tätig gewesenen Umgangsbegleiter angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2009 verwiesen.
II.
Das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel der Mutter, das der Senat in eine befristete (Berufungs-)Beschwerde umdeutet, ist als solche gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat es keinen Erfolg; vielmehr ist der Mutter, über die vom Amtsgericht getroffenen Maßnahmen hinaus, gemäß § 1666 BGB das Sorgerecht für C… zur Gänze zu entziehen und von Amts wegen auf den Vater zu übertragen. Auf diese Möglichkeit und darauf, dass das Verbot der „reformatio in peius“ (Verschlechterungsverbot) in einem von Amts wegen eingeleiteten Sorgerechtsverfahren gemäß §§ 1666, 1666 a BGB nicht gilt (hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 621 e, Rdnr. 72; Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., 2003, § 19, Rdnr. 118, jew. m.w.N.), hat der Senat in der Sitzung vom 08.06.2009 ausdrücklich hingewiesen.
Die Anschlussbeschwerde des Vaters ist, soweit sie das Sorgerecht für C… betrifft, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Senat, Beschl. v. 20.05.2008 – 15 UF 55/08 -), die der Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt hat (BGH, FamRZ 2009, 220), unzulässig, weil ihm als nicht sorgeberechtigtem Elternteil insoweit kein eigenes Beschwerderecht zusteht. Eine Beschwerdeberechtigung folgt weder aus § 57 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 9 FGG, weil diese Vorschriften gemäß §§ 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG auf Endentscheidungen der Familiengerichte in Sorgerechtssachen nicht anwendbar sind (hierzu Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 57, Rdnr. 31), noch aus § 20 Abs. 1 FGG, weil der Vater als nicht Sorgeberechtigter durch die angefochtene Entscheidung nicht in seinen Rechten beeinträchtigt ist, noch aus § 20 Abs. 2 FGG, weil Maßnahmen gemäß § 1666 BGB nicht „nur auf Antrag“ im Sinne dieser Vorschrift, sondern von Amts wegen zu veranlassen sind, wenn das Familiengericht Kenntnis von das Kindeswohl gefährdenden Umständen erlangt. Rechtlich hat es sich deshalb bei der Antragsschrift des Vaters vom 15.11.2006, soweit sie C… betrifft, nicht um einen Antrag in diesem Sinne gehandelt, sondern um eine (bloße) Anregung an das Familiengericht, gemäß § 1666 BGB von Amts wegen tätig zu werden (vgl. hierzu Zöller/Philippi, a.a.O., § 621 e, Rdnr. 14 b). Das Rechtsmittel wird auch nicht dadurch zulässig, dass der Vater für den Fall, dass der Mutter das Sorgerecht entzogen würde, nunmehr die Übertragung des Sorgerechts auf sich erstrebt, weil das geltende Recht einen Rechtsanspruch darauf jedenfalls so lange nicht vorsieht, wie das Sorgerecht der Mutter fortbesteht.
Soweit die Anschlussbeschwerde das Sorgerecht für V… betrifft, ist sie zulässig, weil der Vater insoweit, gleichberechtigt mit der Mutter, mitsorgeberechtigt ist, und hat in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und zur Übertragung des Sorgerechts auf den Vater.
Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:
1.
Der Senat ist auf Grund der ihm vorliegenden schriftlichen Sachverständigengutachten sowie des Ergebnisses der Anhörung der Beteiligten, des Sachverständigen Dr. W… und der im Auftrag der Ergänzungspflegerin tätig gewesenen Umgangsbegleiter zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass bei einem weiteren Verbleib der Kinder im Haushalt der Mutter das Kindeswohl nachhaltig gefährdet ist, wobei es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Gefährdung jedenfalls bei V… bereits manifestiert. Dabei ist nicht in Frage zu stellen, dass sich die Mutter vordergründig umsichtig um die Kinder kümmert und für sie sorgt. Das entscheidende Defizit in Bezug auf ihre Erziehungsfähigkeit, das sie letztlich als Erziehungsberechtigte disqualifiziert, besteht darin, dass sie keinerlei Bindungstoleranz in Bezug auf das Vater-Kind-Verhältnis aufbringt. Das hat schon das Amtsgericht, gestützt auf das in I. Instanz im Umgangsrechtsverfahren eingeholte Gutachten Dr. Wa…, überzeugend herausgearbeitet und festgestellt; der Senat schließt sich dem, auch auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeholten ergänzenden Gutachtens Dr. W…, das zu demselben Ergebnis gelangt, sowie des Verlaufs der mehrfachen während des Beschwerdeverfahrens mit professioneller Hilfe organisierten und immer wieder fehlgeschlagenen Versuche, einen gedeihlichen Umgang zwischen den Kindern und ihrem Vater zu installieren, in vollem Umfang an. Sämtliche Chancen, durch eine konstruktive Mitwirkung an diesen Versuchen eine Sorgerechtsentscheidung zu ihren Lasten – die selbst der Vater ursprünglich nicht gewollt hat – entbehrlich zu machen, hat die Mutter ungenutzt gelassen, weil es ihr offenbar an jeglicher Einsicht dafür fehlt, dass sie an der entstandenen Situation zumindest den entscheidenden Anteil trägt. Sie gefährdet dadurch seit Jahren das Kindeswohl nachhaltig. Auch angesichts der Bedeutung des Umgangsrechts des nicht betreuenden Elternteils, die das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerfG, FamRZ 2009, 399) und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (grundlegend EGMR, NJW 2004, 3397) immer wieder betont und mit Verfassungsrang ausgestattet haben – eine Rechtsauffassung der der Senat uneingeschränkt folgt -, kann dies nicht hingenommen werden.
Die Beteuerungen der Mutter, Umgangskontakten der Kinder mit dem Vater positiv gegenüberzustehen, haben sich als reine Lippenbekenntnisse erwiesen. Es reicht nicht und wird ihrer elterlichen Verantwortung nicht gerecht, wenn sie die Kinder auf „Druck“ von dritter Seite (Umgangspfleger; Umgangsbegleiter) pünktlich bringt und zur vereinbarten Zeit wieder abholt; vielmehr ist sie verpflichtet, die Kinder positiv auf den Umgang einzustimmen und mögliche Störfaktoren zu beseitigen. Hier hat sie auf ganzer Linie versagt. Statt dessen ist ihre Haltung dadurch geprägt, dass sie, nunmehr schon seit Jahren, die Erinnerung an zwei – angebliche – „Gewalterfahrungen“ von V… mit dem Vater aus den Jahren 2004 und 2006 (jeweils eine Ohrfeige in angespannter Situation) wach hält, wobei hinsichtlich letzterer noch nicht einmal feststeht, ob es sie tatsächlich gegeben hat. Dies geschieht unter anderem dadurch, dass sie seit Jahren regelmäßigen Umgang von einem „klärenden“ Eltern-Kind-Gespräch abhängig macht, obwohl erkennbar ist, dass sich dadurch das Vater-Kind-Verhältnis nicht verbessern kann; dies hat sie auf Fragen des Senats im Senatstermin vom 08.06.2009 unumwunden zugestanden. Ein solches Gespräch als Voraussetzung von Umgang ist auch für V… inzwischen zu einer „fixen Idee“ geworden; und auch C… macht sich diese Position, ohne sie wirklich verstehen und auf eigene Erfahrungen zurückführen zu können, immer mehr zu eigen. Treffend hat der Sachverständige Dr. W… in diesem Zusammenhang von einer „Perseveration“ gesprochen (S. 70 des Gutachtens) und nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem Beharren der Mutter auf einem solchen Gespräch letztlich um ein Instrument der Machtausübung über die Situation handelt, das sie einsetzt, um den Umgang zu blockieren.
Dass ein solches Gespräch das Vater-Kind-Verhältnis nicht verbessern, insbesondere die „Blockadehaltung“ von V… nicht aufbrechen kann, hat sich auch sehr deutlich bei dem jüngsten, durch Mitarbeiter der Beratungsstelle „L…“ therapeutisch begleiteten Versuch einer Umgangsanbahnung gezeigt. Die Mitarbeiter haben im Senatstermin vom 08.06.2009 anschaulich berichtet, dass der „Gewaltvorwurf“ im Gespräch zwischen dem Vater und den Kindern thematisiert und augenscheinlich erfolgreich bearbeitet worden ist (die Mitarbeiter haben eine sichtbare Entspannung bei den Kindern wahrgenommen, nachdem der Vater ihnen gegenüber seine Betroffenheit darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Kinder eine solche Erinnerung mit sich trügen). Gleichwohl waren die Widerstände gegen den Umgang nicht ausgeräumt. Zwar sei der Umgangskontakt nach diesen Äußerungen des Vaters durchaus positiv verlaufen; jedoch sei alles gemeinsam positiv Erlebte sodann im Nachhinein negativ „umgedeutet“ worden, so dass sich die Widerstände sogar noch verstärkt hätten. Damit hat sich im Grunde wiederholt, was sich schon während des Ferienumgangs im Juli 2006 ereignet hat, jedoch mit dem Unterschied, dass es jetzt, weil der Umgang begleitet stattgefunden hat, mit Sicherheit nicht zu irgendwelchen Übergriffen des Vaters gekommen ist. Die Mitarbeiter sprechen – auch schon in ihrem schriftlichen Bericht vom 04.05.2009 – von einem „inneren Verbot“, das die Kinder daran hindere, dem Vater offen zu begegnen und sich ihm positiv zuzuwenden, und führen dies auf die Einstellung der Mutter zurück, die ihnen ein negatives Vaterbild vermittle. Zu demselben Ergebnis sind beide Sachverständige gelangt; die Einschätzung wird auch vom Jugendamt und von der Verfahrenspflegerin geteilt.
Der Mutter ist selbstverständlich zuzustimmen, dass die Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben; das ergibt sich schon aus dem Gesetz (vgl. § 1631 Abs. 2 BGB). Der Senat missbilligt es deshalb ausdrücklich, wenn dem Vater in der Vergangenheit in den thematisierten wenigen Situationen „die Hand ausgerutscht“ sein sollte. Deswegen jedoch das Bild des jähzornigen, ungehemmt um sich schlagenden Vaters zu zeichnen, wie es die Mutter noch im Senatstermin vom 08.06.2009, in dem sie immer wieder das „Gewaltpotential“ des Vaters als die „eigentliche“ Ursache des Konflikts benannt hat, getan hat, und den Kindern nachhaltig ein solches Bild zu vermitteln, verbietet sich schon deshalb, weil sich die körperlichen Züchtigungen unstreitig auf ein oder zwei, also vereinzelt gebliebene Fälle beschränken, die im „normalen“ Erleben eines Kindes im Alter von V…, der zum Zeitpunkt der Vorfälle 6 bzw. 8 Jahre alt war, nicht in der Weise erinnert werden, wie dies heute tatsächlich geschieht. Auch das haben beide Sachverständige überzeugend herausgearbeitet.
Kennzeichnend für die Situation ist auch die Strafanzeige der Großmutter mütterlicherseits – Bl. 366 ff der Akten -, die diese unmittelbar vor dem Senatstermin am 05.03.2009 wegen der Ohrfeige im Jahre 2004 (!) erstattet hat. Auch in ihrem Duktus belegt sie, dass dem Vater von seiten der Familie der Mutter keinerlei Wertschätzung entgegengebracht wird. Es liegt auf der Hand, dass sich die Kinder dem nicht entziehen können. Die Aussage der Mutter im Senatstermin vom 08.06.2009, auf die Entscheidungen der Großmutter „keinen Einfluss“ zu haben, empfindet der Senat als vorgeschoben. Wenn die Mutter auch nur irgendein Interesse daran hätte, das Verhältnis vor allem von V… zu seinem Vater perspektivisch zu normalisieren, hätte sie – davon ist der Senat zutiefst überzeugt – Wege gefunden, die Großmutter davon abzuhalten, fünf Jahre nach dem in Rede stehenden Vorfall noch eine Strafanzeige zu erstatten und damit die ohnehin schon höchst angespannte Situation weiter zu belasten. Statt dessen hat sie sich noch nicht einmal von dieser Strafanzeige distanziert. Auch dies zeigt, dass sie nicht bereit ist, den Vater im Leben der Kinder präsent zu erhalten, obwohl er zumindest in Bezug auf V… das gleiche Elternrecht hat wie sie.
Indem die Mutter die „Gewalterfahrungen“ in der Erinnerung der Kinder lebendig hält und damit zum festen Bestandteil ihres Vaterbildes macht, gefährdet sie das Kindeswohl nachhaltig. Die Gefährdung besteht darin, dass den Kindern der Vater als Bindungs- und Bezugsperson völlig verloren zu gehen droht; ferner darin, dass sie sich nicht selbst akzeptieren können, weil sie den Vater und damit dessen Anteile in sich selbst innerlich abwerten müssen. Schließlich ist das Kindeswohl auch deshalb gefährdet, weil die Kinder aus dem miterlebten Elternverhalten lernen, dass familiäre Konflikte in der Destruktivität enden und emotionale Verluste nach sich ziehen, und daraus ihre jeweiligen Schlüsse für ihr eigenes Leben ziehen. Insbesondere bei V… zeigen sich bereits deutliche Auffälligkeiten in seiner Persönlichkeit, die nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. W… schon jetzt therapiebedürftig sind. Maßgebliche Ursache für diese Gefährdungen ist die fehlende Bindungstoleranz der Mutter. Sie kann oder will nicht einsehen, dass die Ablehnung des Vaters durch die Kinder auf ihrer eigenen Abwehrhaltung beruht und nicht auf einem Verhalten des Vaters. Sie vermag nicht zu erkennen, dass die Kinder ihre starken negativen, zum Teil hasserfüllten Gefühle gegenüber dem Vater aufnehmen, selbst wenn sie diese ihnen gegenüber nicht offen ausspricht. Daran ändert es nichts, dass sie verbal versuchen mag, die Kinder zum Umgang mit dem Vater zu motivieren. Die nonverbalen Botschaften, die den größeren Anteil der Kommunikation ausmachen, signalisieren ihnen, dass ihre Mutter „glücklicher“ ist, wenn sie den Vater ablehnen. Dass sie – die Mutter – es ist, die die Kinder damit in einen Loyalitätskonflikt treibt, vermag sie ebenfalls nicht zu erkennen. Wenn hier nicht gegengesteuert wird, ist zu befürchten, dass bei den Kindern irreversible Traumatisierungen mit erheblichen negativen Folgen sowohl für die eigene Identitätsfindung als auch für die Fähigkeit, später eigene Partnerbeziehungen aufzunehmen, eintreten. Dadurch ist das Kindeswohl weit mehr gefährdet, als es durch je eine vereinzelt gebliebene Ohrfeige im Jahre 2004 und möglicherweise im Jahre 2006 gefährdet worden ist.
2.
Bei dieser Sachlage kann es für V… nicht beim gemeinsamen Sorgerecht beider Eltern bleiben; vielmehr ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und das Sorgerecht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Vater zu übertragen, weil dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Leben die ganz oder in Teilbereichen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, wie hier, nicht nur vorübergehend getrennt, ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf Antrag – auch ohne die Zustimmung des anderen Elternteils – einem Elternteil die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese Regelung bedeutet nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt wird. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist. Einer solchen Regelung stünde bereits entgegen, dass sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt (grundlegend BGH, NJW 2000, 203, 204; ebenso BVerfG, NJW-RR 2004, 577). Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist deshalb grundsätzlich – und auch der Senat hat dies wiederholt ausgesprochen – eine auch nach der Trennung fortbestehende Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zur Kooperation in den das gemeinsame Kind betreffenden Belangen, setzt also insoweit eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene zwischen ihnen voraus (BVerfG, a.a.O.).
Daran fehlt es vorliegend. Eine solche Beziehung besteht zwischen den Eltern nicht mehr. Dabei ist nicht die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft des Vaters in Frage zu stellen; vielmehr ist es die Mutter, die den Vater nicht als mitsorgeberechtigten Elternteil akzeptiert und am Leben von V… teilhaben lässt, auch nicht in dem Sinne, dass sie auch nur bereit wäre, ihn in irgendeiner Weise bei der Entscheidung von die Erziehung des Kindes betreffenden Fragen einzubeziehen. Es zieht sich vielmehr wie ein roter Faden durch die Gerichtsakten, dass sie den Vater als solchen geradezu verachtet und ihr seine Meinung zu den Belangen des Kindes völlig gleichgültig ist. Entsprechend handelt sie auch.
Da – wie ausgeführt – bei einem weiteren Verbleib von V… im Haushalt der Mutter das Kindeswohl gefährdet wäre, entspricht es dem Kindeswohl am besten, das Sorgerecht auf den Vater zu übertragen. Anhaltspunkte dafür, dass auch dieser in seiner Erziehungseignung eingeschränkt wäre, haben sich während des Verfahrens nicht ergeben; auch der Sachverständige Dr. W…, vom Senat danach befragt, und das Jugendamt sehen keine Einschränkungen. Sämtliche professionellen Helfer bescheinigen ihm vielmehr, bei Umgangskontakten – soweit sie denn stattfinden konnten – sensibel auf die Kinder eingegangen zu sein und ihre Wünsche respektiert zu haben. Anders als die Mutter hat er auch die an ihn herangetragenen Beratungsangebote genutzt und z.B. Anfang des Jahres an einem Elternkurs teilgenommen. Auch die äußeren Voraussetzungen für eine Aufnahme der Kinder in den Haushalt des Vaters sind nach der Einschätzung des Jugendamtes, wie sie in der Senatssitzung vom 08.06.2009 geäußert worden ist, gegeben. Dass es schließlich im Haushalt des Vaters künftig zu körperlichen Züchtigungen des Jungen kommen könnte, ist entgegen der geäußerten Befürchtung der Mutter nach der sicheren Überzeugung des Senats nicht zu erwarten.
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass ein Wechsel von V… in den Haushalt des Vaters jedenfalls zur Zeit dem erklärten Willen des Kindes widerspricht. Das aber muss und kann im Interesse des Kindeswohls hingenommen werden. Der Sachverständige Dr. W… hat überzeugend dargelegt, dass der Wille von V… nicht autonom ist. Das zeigt sich insbesondere darin, dass er – wie im übrigen auch C… – keine tatsächlichen Argumente gegen einen Umgang mit dem Vater vorbringen kann, sondern nur Argumente der Mutter wiedergibt, ein Befund, den auch der Senat im Zuge der Anhörung der Kinder in der Senatssitzung vom 05.03.2009 bis hin zur Wortwahl der Kinder (Originalton V…: „Der Vater hat sein Umgangsrecht ‚verwirkt'“; so redet ein 11 Jahre altes Kind normalerweise nicht) eindrucksvoll bestätigt gefunden hat. Dementsprechend hält der Sachverständige den Willen der Kinder, weil nicht erlebnisgestützt in dem Sinne, dass es tatsächliche Problematiken in der Interaktion mit dem Vater gibt, für nicht relevant, so dass es bedenklich sei, in diesem Zusammenhang überhaupt von einem „Willen“ zu sprechen. Jedenfalls aber ist er aus den dargelegten Gründen als selbstgefährdend einzustufen und deshalb unbeachtlich.
Der Senat ist sich weiter dessen bewusst, dass die Entscheidung, dem Vater das Sorgerecht zu übertragen, mit einem Umzug von V… heraus aus seiner gewohnten Umgebung in den Haushalt des Vaters verbunden sein wird. Die Kontinuität seiner bisherigen Entwicklung erleidet also einen „Bruch“. Angesichts der dargelegten Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Mutter, aber auch in Ansehung der Chancen, die sich durch den Wechsel für V… ergeben, insbesondere der Möglichkeit, langfristig beide Elternteile zu behalten, kann und muss dieser „Bruch“ indes hingenommen werden. Die Folgen können zudem dadurch abgemildert werden, dass dem Kind das bisherige außerhäusliche Umfeld, etwa die Schule und der Fußballverein, so weit wie möglich erhalten bleibt; es ist dem Vater anzuraten, dies im Rahmen seiner Möglichkeiten zu gewährleisten.
Schließlich steht auch der Umstand, dass V… jedenfalls zur Zeit die weitaus intensiveren Bindungen zur Mutter hat, einer Übertragung des Sorgerechts auf den Vater im Ergebnis nicht entgegen. Es kann nämlich schon nicht davon ausgegangen, dass es sich, bindungstheoretisch betrachtet, hierbei um eine sichere Bindung handelt. Der Sachverständige Dr. W… hat in der Senatssitzung vom 08.06.2009 darauf hingewiesen, dass insofern durchaus Risikofaktoren bestehen; darauf lasse etwa der Umstand schließen, dass V… die Mutter „idealisiere“. Eine Bindungsstörung hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten (S. 76, 79 des Gutachtens) auch darin gesehen, dass die Mutter, statt in bestimmten Situationen angemessen erzieherisch einzugreifen, ihre Elternrolle gleichsam auf V… delegiert („Rollenumkehr“). All dies lässt die Bindung als nicht so schützenswert erscheinen, dass dahinter die festgestellten Kindeswohlgefährdungen bei einem weiteren Verbleib des Kindes im Haushalt der Mutter zurücktreten müssten.
Allerdings hat der Sachverständige auch darauf hingewiesen, dass ein Wechsel in den Haushalt des Vaters für V… – anders als wohl noch für C… – in der gegenwärtigen Situation mit erheblicher Belastung verbunden ist und deshalb auf jeden Fall therapeutisch begleitet werden muss. Hier wird das Jugendamt entsprechende Angebote bereitzustellen haben; der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Vater davon Gebrauch machen wird.
3. a)
In Bezug auf C… müssen im Interesse des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass er nicht länger im Haushalt der Mutter verbleibt. Der an sich angemessene Eingriff des Amtsgerichts, der sich darauf beschränkt hat, nur eine Umgangspflegschaft einzurichten, hat sich als unzureichend erwiesen, weil diese Maßnahme wegen der Verweigerungshaltung der Mutter auch nicht ansatzweise zu einer Korrektur des von ihr vermittelten Vaterbildes beigetragen hat. Geboten erscheint dem Senat deshalb ein vollständiger Entzug des Sorgerechts. Mit einem Teilentzug (etwa nur des Aufenthaltsbestimmungsrechts) ist es nicht getan, weil nichts dafür spricht, dass die Mutter mit einem nur Aufenthaltsbestimmungsberechtigten konstruktiv und mit dem Fokus auf das Kindeswohl zusammenarbeiten würde. Das hat sich schon an ihrem Verhalten gegenüber der vom Jugendamt mit den Aufgaben der Umgangspflegerin betrauten Sachbearbeiterin gezeigt: Als diese im Rahmen der Ausübung der Pflegschaft Umgangstermine konkret festgelegt und damit wenigstens ansatzweise von der ihr übertragenen Rechtsmacht, in diesem Wirkungskreis auch gegen den Willen der Mutter Entscheidungen zu treffen, Gebrauch gemacht hat, hat sie – die Mutter – sich solches verbeten und unverhohlen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht. Auch ist nicht zu erwarten, dass sie, wenn es etwa zu den vom Sachverständigen Dr. W… als Folge des Umgangsabbruchs für möglich gehaltenen und zu befürchtenden psychischen Störungen im emotionalen Bereich und in der Ausgestaltung der eigenen Persönlichkeit des Kindes kommen sollte, von ihrer Gesundheitssorge verantwortlich Gebrauch machen wird, weil ihr jegliche Einsicht dafür fehlt, dass hier ein Zusammenhang besteht.
b)
Gemäß § 1680 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BGB ist das Sorgerecht, soweit es der gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter entzogen wird, dem zuvor nicht sorgeberechtigten Vater zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2006, 1723), der der Senat folgt, in Fällen, in denen ein nach § 1626 a BGB nicht sorgeberechtigter Vater – wie hier – über einen längeren Zeitraum die elterliche Sorge für das Kind zwar nicht in rechtlicher, aber in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat, unter dem Gesichtspunkt des Elternrechts gemäß Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung gemäß § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Vater regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen.
Solche Interessen sind – abgesehen von dem erklärten entgegenstehenden Willen des Kindes – nicht ersichtlich. Indes ist schon darauf hingewiesen worden, dass der geäußerte Kindeswille nicht autonom ist und deshalb im wohlverstandenen Interesse des Kindeswohls zurückstehen muss. Für eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater spricht die zwischen V… und C… vorhandene Geschwisterbindung, die es nahelegt, das Sorgerecht für beide Kinder in einer Hand zu vereinigen.
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass die Entscheidung, dem Vater das Sorgerecht zu übertragen, mit einem Umzug von C… heraus aus seiner gewohnten Umgebung in den Haushalt des Vaters verbunden sein wird. Die Kontinuität seiner bisherigen Entwicklung erleidet also – ebenso wie bei V… – einen „Bruch“. Angesichts der dargelegten Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Mutter, aber auch in Ansehung der Chancen, die sich durch den Wechsel für C… ergeben, insbesondere der Möglichkeit, langfristig beide Elternteile zu behalten, kann und muss dieser „Bruch“ indes hingenommen werden; es gilt hier nichts anderes als bei V…. Auch bei C… können die Folgen zudem dadurch abgemildert werden, dass dem Kind das bisherige außerhäusliche Umfeld so weit wie möglich erhalten bleibt.
4.
Vor dem Hintergrund, dass es dem Vater eigentlich nur darum geht, kontinuierlich Umgang mit seinen Kindern zu haben, hat der Senat erwogen, als mildere Alternative zur Übertragung bzw. zur Entziehung und Übertragung des Sorgerechts auf den Vater eine vorübergehende Drittunterbringung der Kinder anzuordnen mit dem Ziel, einen von der Mutter unbeeinflussten, therapeutisch begleiteten Prozess der Wiederanbahnung von Kontakten zwischen ihnen und dem Vater in Gang zu bringen. Dies hätte für die Kinder die Option enthalten, nach Abschluss dieses Prozesses wieder in den Haushalt der Mutter zurückzukehren.
Jedoch haben weder der Sachverständige noch das Jugendamt eine Einrichtung benennen können, die über die hierfür erforderliche Fachkompetenz verfügt. Auch dem Senat ist keine in diesem Sinne geeignete Einrichtung bekannt. Bei dieser Sachlage scheidet eine solche Alternative aus tatsächlichen Gründen aus. Wenn eine für eine vorübergehende Drittunterbringung mit dem Ziel der therapeutisch begleiteten Kontaktanbahnung geeignete Einrichtung nicht zur Verfügung steht, ist das Risiko des Scheiterns eines solchen Weges, vor dem auch der Sachverständige gewarnt hat, zu groß. Dann aber gibt es zu den Maßnahmen, die der Senat zu Lasten des Sorgerechts der Mutter hat treffen müssen, keine mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringende Alternative.
5.
Die Notwendigkeit, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, wie es die Mutter am Schluss der Senatssitzung vom 08.06.2009 angeregt hat, sieht der Senat nicht. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Zudem würde dies letztlich nur zu einer mit dem Kindeswohl nicht mehr zu vereinbarenden (weiteren) Verfahrensverzögerung führen und der Mutter auf unbestimmte Zeit eine Fortsetzung ihrer bisherigen „Hinhaltetaktik“ ermöglichen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 10.000,00 €
OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2009
15 UF 98/08