Die Beschwerden der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 29. November 2011 und ihr Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.
Die Mutter hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Dem Vater des jetzt 7jährigen Jungen war durch Beschluss vom 22.01.2009 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn übertragen worden. Vater und Sohn lebten bis Sommer 2011 gemeinsam in Berlin. Ende Juli 2011 verzog der Vater – berufsbedingt – mit dem Kind nach Tenereiffa, wo der Junge seither wiederholt von der Mutter besucht wurde.
Die Mutter ist mit einem weiteren – endgültigen – Verbleib des Kindes in Teneriffa nicht einverstanden. Sie hält diesen nicht für kindeswohlförderlich, zumal der Vater, wie sie behauptet, ihre schriftliche Einverständniserklärung zu einem – aus ihrer Sicht nur vorübergehenden – Aufenthalt in Spanien erschlichen habe und sich, wie sie weiter behauptet, auch nicht an die in dieser Erklärung vereinbarten Absprachen halte. Sie begehrt daher, um den Sohn zurück nach Deutschland holen zu können, in Abänderung der amtsgerichtlichen ENtscheidung vom 22.01.2009 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn auf sie zu übertragen.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 29.11.2011 den Antrag der Mutter unter Hinweis auf die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zurück gewiesen. Es vertritt hierzu die Auffassung, dass das Kind zwischenzeitlich seinen gewöhlichen Aufenthalt – offensichtlich auch mit Wissen und Wollen der Mutter – in Teneriffa begründet habe. Im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht der Abänderungsklage hat das Amtsgericht auch den Verfahrenskostenhilfeantrag der Mutter zurückgewiese. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl 25/26 d.A. verwiesen.
Die Mutter hat gegen beide Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt, mit denen sie – unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – an ihre, Begehren auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für den Sohn auf sich und an ihren Antrag auf Verfahrenskostenhilfe festhält.
Die gegen die Zurückweisung des Abänderungsantrags gerichtete Beschwerde der Mutter (17 UF 344/11) ist zulässig (§ 58 Abs. 1 FamFG), insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ( §§ 63ff FamFG). Sie bleibt indes in der Sache ohne Erfolg.
Dabei geht der Senat – anders als das Amtsgericht – nicht schon von der fehlenden internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus, die das Amtsgericht aus den Regelungen der EuEheVO und dem HKentfÜ herleiten will, ohne sich allerdings mit den maßgeblichen Bestimmungen näher auseinander zu setzen. Es ist zwar richtig, dass die Regelungen der EuEheVO gegenüber § 99 FamFG grundsätzlich vorrangig sind und dass sie für die internationale Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes anknüpfen (vgl. Engelhardt, FamFG-Kom., 16. Aufl. Rz 8 zu § 99 FamFG; EuEhEVO, FamRZ 2009, 843). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort des Sohns hier – unstreitig – jedenfall bis Ende Juli 2011 Berlin war, kann nach Auffassung des Senats nicht – jedenfalls nicht ohne weiteres – davon ausgegangen werden, dass innerhalb von nicht einmal drei Monaten bereits eine nachhaltige Änderung geschweige denn eine Verfestigung in den sozialen und familiären Verhältnissen des Kindes eingetreten war, d.h. der Sohn seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dieser kurzen Zeit von Berlin nach Tenriffa „verlagert“ bzw. dort mit seinem Vater (schon) seinen „neuen“ gewöhnlichen Wohnsitz begründet hatte. Die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angegriffenen Beschluss lassen auch nicht erkennen, worauf die dahingehende Einschätzung des Amtsgerichts fußt. Der bloße Hinweis, der Sohn lebe im väterlichen Haushalt und habe den Schulbesuch aufgenommen, kann hierzu schon deshalb nicht genügen, weil diese Umstände gewissermaßen zuvor in Berlin gegeben waren.
Ungeachtet dessen kann – die Zuständigkeit der deutschen Gerichte und darüber hinaus auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts unterstellt – das Abänderungsbegehren der Mutter keinen Erfolg haben. Eine auf Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht abzielende Änderung verlangt nämlich triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe, für die der Abänderungsmaßstab des § 1696 BGB gilt (OLG Dresden, FamRZ 2010, 1992 m. w. N.). Dieser ist strenger als das allgemeine Kindeswohlerfordernis von § 1697a BGB und auch gesteigert gegenüber den Maßstäben der §§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 und 1672 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB-Kom., 71. Aufl. RZ 15 zu § 1696 BGB). Demzufolge ist es gerade nicht ausreichend, dass die vom änderungsbegehrenden Elternteil beabsichtigte Neuregelung dem Wohl des Kindes genügt oder entspricht. Die Vorteile der erstrebten Neuregelung müssen vielmehr die mit der Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen, mithin zu einer nachhaltigen Verbesserung für das Kind führen. Erst dann kann eine entsprechende Abänderung im Kindeswohlinteresse auch angezeigt erscheinen.
Dahingehendes lässt sich dem Vorbringen der Mutter allerdings nicht entnehmen.
Die Mutter stützt ihr Abänderungsverlangen auf den ihrer Auffassung nach nicht kindeswohldienlichen (endgültigen) Umzug des Sohnes nach Teneriffa, auf das hierzu – aus ihrer Sicht „erschlichene“ Einverständnis des Vaters und auf die Nichteinhaltung der vom Vater in der Elternvereinbarung (Bl. 40/41 d.A.) abgegebene Versprechen. Zudem rügt sie negative Auswirkungen des Umzugs auf den Sohn, der auf Teneriffa eine neue Schule besuchen müsse und dem dort Freunde und Sprachkenntnisse fehlten. Durch die von der Mutter angesprochenen Gesichtspunkte werden indes keine triftigen Gründe im Sinne von § 1696 BGB belegt. Ein Umzug als solcher, auch wenn er ins Ausland erfolgt und mit einer Erschwerung der Umgangskontakte zum anderen Elternteil einhergeht, begründet keine triftigen Gründe, ist vielmehr hinzunehmen, jedenfall dann, wenn – was von der Mutter nicht in Abrede gestellt wird – beachtenswerte berufliche Gründe der Hauptbetreuungsperson für den Umzug sprechen, und wenn darüber hinaus regelmäßige Besuchs- und Telefonkontakte des anderen Elternteil gewährleistet sind (Palandt-Diederichsen, BGB Kom., 71. Aufl., Rz 28 zu § 1671 BGB und Rz. 9 zu § 1684 BGB, letztere unter Hinweis auf OLG München, FamRZ 2008, 1774 und OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 135). Letzteres ist wie sich aus Ziffern 2 und 3 der Elternvereinbarung entnehmen lässt, hier der Fall. Soweit die Mutter in der Beschwerdeschrift moniert, der Vater ermögliche, anders als in der Vereinbarung vorgesehen, tatsächlich keine Skype-Kontakt und schränke den Sohn auch in seinem Telefonverhalten ein, bleibt ihr Vorbringen unsubstantiiert. Gleichermaßen gilt dies für die behauptete Absage ihres beabsichtigten Weihnachtsbesuchs durch den Vater, dessen hierzu in Bezug genommene E-mail sie weder inhaltlich vorgetragen noch vorgelegt hat.
Soweit die Mutter beklagt, der Vater halte sich nicht an die in der Elternvereinbarung zugesagt Kostenübernahme, kann die Berechtigung dieses Vorwurfs für das vorliegende Verfahren dahinstehen, da er allenfalls geeignet wäre, etwaige weitergehende als die vom Vater zugestandenen Kostenerstattungsansprüche (insbesondere auch die Übernahme von in Zusammenhang mit der Umgangsausübung anfallenden Hotelkosten) zu stützen, nicht aber triftige Abänderungsgründe im Sinne von § 1696 BGB zu belegen. Gleiches gilt, soweit die Mutter dem Vater vorwirft, er habe die Elternvereinbarung „erschlichen“. Auch wenn diese schriftliche Vereinbarung, wie die Mutter geltend macht, unter Verletzung der von beiden Eltern im Umgang miteinander einzuhaltenden „Spielregeln“ zustande gekommen sein sollte, lässt dies das Kindeswohl grundsätzlich unberührt, jedenfalls solange sich daraus nicht (zwingende) Auswirkungen auch auf das Eltern-Kind-Verhältnis ergeben. Dahingehendes ist aber weder ersichtlich noch von der Mutter dargetan.
Soweit die Mutter schließlich darauf verweist, dass der Sohn nicht spanisch spreche, auf Teneriffa seine Berliner Freunde vermisse und anlässlich ihrer Besuche den Wunsch geäußert habe, nach Berlin zurückzukehren, kann sie auch daraus in ihrem Sinne nichts herleiten. Sie verkennt, dass ein Umzug einem Kind regelmäßig eine erhebliche und längerfristige Anpassungsleistung abverlangt, dies indes immer der Fall ist, wenn Eltern mit ihren Kindern umziehen, egal ob nur vorübergehend oder endgültig. Dass hier vom Sohn über die in der Anfangsphase üblicherweise auftretenden Eingewöhnungsschwierigkeiten hinausgehende Probleme zu überwinden sind, ist indes ebenfalls nicht ersochtlich oder dargetan.
Die Beschwerde der mutter erweist sind somit als bereits auf der Grundlage ihres eigenes Vorbringens als unbegründet. Mithin war sie im Beschlusswege zurückzuweisen ( §§ 32 Abs. 1, 88 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.
Der Antrag der Mutter auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war schon angesichts der fehlenden Erfolgsaussicht des Rehtsmittels zurückzuweisen (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114ff ZPO). Die Frage, ob sie bedürftig im Sinne der Verfahrenshilfebestimmungen ist, deren Beantwortung auch davon abhängt, ob die Mutter durch Ausübung einer Halbtagsbeschäftigung der ihr (auch gegenüber der Allgemeinheit) obliegenden Erwerbsobliegenheitspflicht hinreichend nachkommt, kann daher dahinstehen.
Die gegen die Zurückweisung ihres erstinstanzlichen Verfahrenkostenhilfeantrages gerichtete sofortige Beschwerde der Mutter (17 WF 378/11) ist gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 567ff ZPO) zulässig. Das Rechtsmittel erweist sich indes aus den vorstehend unter Ziffer II dargelegten Gesichtspunkten ebenfalls als unbegründet. Verfahrenskostenhilfe konnte der Mutter danach schon unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Erfolgsaussicht ihres Abänderungsbegehrens nicht bewilligt werden.
KG Berlin, Beschluss vom 20.02.2012
17 UF 344/11
17 WF 378/11
AG Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 29.11.2011
180 F 21129/11