Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. April 2013 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe:
I.
Die beteiligten Eheleute schlossen 1984 die Ehe, lebten seit 17. November 2009 getrennt und sind seit 16. August 2012 rechtskräftig geschieden. Sie waren je zur Hälfte Miteigentümer eines gemeinsam bewohnten Familienheims, das sie im März 1998 auf ihre vier gemeinsamen Töchter zu je 1/4 Miteigentumsanteil schenkweise übertrugen. Dabei behielten sie sich als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht vor, das sie dazu berechtigt, das auf dem Grundstück stehende Wohnhaus unter Ausschluss des Eigentümers zu bewohnen. Der Wohnwert des Anwesens beträgt monatlich 1.200 €.
Im Zeitpunkt der Trennung zog die Antragstellerin (Ehefrau) aus dem Familienheim aus. Seither bewohnt der Antragsgegner (Ehemann) das Familienheim mit den vier inzwischen volljährigen Töchtern und einer 11-jährigen Enkelin. Die beiden älteren Töchter sind wirtschaftlich selbstständig, während die beiden jüngeren Töchter nach Abschluss ihrer Ausbildung arbeitslos sind.
Mit ihrem Antrag hat die Ehefrau den Ehemann auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 600 € in Anspruch genommen, die sie mit Schreiben vom 30. August 2011 erstmals geltend gemacht hat. Das Familiengericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht eine Nutzungsentschädigung von monatlich 250 € seit 1. September 2011 bis zum 15. August 2012 zugesprochen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Ehefrau stehe eine Nutzungsvergütung für die Nutzung der früheren Ehewohnung während der Trennung gemäß § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB zu. Dieser familienrechtliche Anspruch gehe dem Anspruch aus Gemeinschaftsrecht (§ 745 Abs. 2 BGB) vor.
Bei der gewählten Art des bestellten Wohnungsrechts bestehe ein Anspruch des einzelnen Berechtigten gegen den Eigentümer auf Nutzung durch ihn allein. Im Innenverhältnis zum Mitberechtigten sei er zum Ausgleich verpflichtet, der darin bestehe, dass die Mitbenutzung der Wohnung durch diesen geduldet werden müsse. Der Auszug der Ehefrau aus der Ehewohnung entbinde den Ehemann von seiner Verpflichtung, das Mitbenutzungsrecht der Ehefrau zu dulden. Darin liege ein rechtlicher Vorteil, der zu einem Ausgleich nach § 1361 b BGB verpflichte, zumal das Wohnrecht an die Stelle des früheren gemeinschaftlichen Eigentums getreten sei. Die Höhe der Nutzungsentschädigung richte sich nach Billigkeitsgesichtspunkten. Unter Berücksichtigung des Einkommens der Ehegatten und des Wohnwerts sei eine Entschädigung von monatlich 250 € angemessen. Der Anspruch entfalle mit der Rechtskraft der Scheidung; Ansprüche für die Zeit nach der Scheidung müssten in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB kann der Ehegatte, der dem anderen die Ehewohnung während des Getrenntlebens ganz oder zum Teil überlassen hat, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Seit der Neufassung der Vorschrift durch das Gewaltschutzgesetz zum 1. Januar 2002 knüpft die Vergütungsregelung nur noch an die faktische Überlassung der Wohnung an, ohne dass es darauf ankommt, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlässt oder er verpflichtet ist, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen (OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 725 und FamRZ 2006, 1392; OLG Jena FamRZ 2008, 1934; Götz/Brudermüller Die gemeinsame Wohnung Rn. 274; Johannsen/Henrich/Götz Familienrecht 5. Aufl. § 1361 b BGB Rn. 33; Haußleiter/Schulz Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 5. Aufl. Kap. 4 Rn. 63; MünchKommBGB/Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 b Rn. 17; Kemper Der Rechtsstreit um Wohnung und Hausrat in der gerichtlichen, anwaltlichen und notariellen Praxis Rn. 180; Wever Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 5. Aufl. Rn. 101; vgl. zur früheren Rechtslage bereits Senatsurteil vom 15. Februar 2006 – XII ZR 202/03 – FamRZ 2006, 930; aA: OLG Frankfurt AGS 2013, 341; kritisch auch Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1361 b Rn. 63 ff.).
b) Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren (Senatsurteil vom 15. Februar 2006 – XII ZR 202/03 – FamRZ 2006, 930). Zugleich schafft sie einen Ausgleich dafür, dass nur noch der Verbliebene allein diejenigen Nutzungen zieht, die nach der ursprünglichen ehelichen Lebensplanung beiden Ehegatten gemeinsam zustehen sollten. Die Vergütungsregelung nach § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB ermöglicht somit einen nach familienrechtlichen Billigkeitskriterien orientierten Ausgleich für die Zeit des Getrenntlebens. Der Anspruch scheidet aus, wenn der Wohnvorteil des in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten bereits anderweitig familienrechtlich kompensiert wird, er insbesondere bei der Unterhaltsbemessung entweder bedarfsmindernd oder die Leistungsfähigkeit erhöhend berücksichtigt ist (Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1361 b Rn. 71 mwN).
c) In die Regelungen des § 1361 b BGB sind, wie sich aus Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift ergibt, Fälle von Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen.
Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt daher grundsätzlich nicht von der Art des Rechts ab, auf dem die gemeinsame eheliche Nutzung der Wohnung beruht. Das entspricht dem Regelungszweck der Norm, die den wirtschaftlichen Nachteil des weichenden Ehegatten nach Billigkeit kompensieren und einen Ausgleich dafür schaffen will, dass aus dem zuvor gemeinsam genutzten Recht nur noch der Verbliebene allein die Nutzungen zieht.
Der Vergütungsanspruch besteht daher auch, wenn ein Ehegatte aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden gemeinsam ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht eingeräumt ist. Denn während der Zeit des gemeinsamen ehelichen Wohnens ist das Wohnrecht jedes Ehegatten mit der Verpflichtung belastet, die Mitnutzung durch den anderen Ehegatten zu dulden (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 1996 – XII ZR 254/94 – FamRZ 1996, 931 mwN). Diese Duldungspflicht entfällt für den verbleibenden Ehegatten mit dem Weichen des anderen aus der Wohnung. Die fortan ungeteilte Nutzung durch den verbliebenen Ehegatten kann einen höheren Wohnwert verkörpern als die ursprünglich nur anteilige Nutzung. Sowohl dieser Vorteil als auch der dem weichenden Ehegatten entstehende Nachteil kann, soweit es der Billigkeit entspricht, durch eine Vergütung an den weichenden Ehegatten auszugleichen sein.
Soweit der Senat einen Ausgleichsanspruch in seinem Urteil vom 8. Mai 1996 (XII ZR 254/94 – FamRZ 1996, 931) weiterhin davon abhängig gemacht hat, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten könne, hält er daran nicht fest. Der Vergütungsanspruch nach § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift nur das Überlassen der Ehewohnung während des Getrenntlebens voraus und eröffnet auf der Rechtsfolgenseite eine Billigkeitsabwägung.
Der Nutzungsvergütung steht es auch nicht generell entgegen, wenn dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten die alleinige Nutzung letztlich aufgedrängt worden ist. Diesem Gesichtspunkt kann mit dem Kriterium der Billigkeit Rechnung getragen werden, an das der Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe anknüpft (Senatsurteil vom 15. Februar 2006 – XII ZR 202/03 – FamRZ 2006, 930, 933 in teilweiser Abgrenzung zum Senatsurteil vom 8. Mai 1996 – XII ZR 254/94 – FamRZ 1996, 931).
d) Ob und in welchem Umfang eine Wohnwertsteigerung für den verbleibenden Ehegatten tatsächlich eintritt, in welchem Umfang der weichende Ehegatte durch den Verlust des Wohnungsbesitzes wirtschaftliche Nachteile erleidet und inwieweit es der Billigkeit entspricht, dieses durch eine Nutzungsvergütung zu kompensieren, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat, von ihm Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt wurden und er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat.
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung, dass neben dem Ehemann noch vier erwachsene Töchter sowie ein Enkelkind die Ehewohnung nutzen, die vom Ehemann zu zahlende Nutzungsvergütung auf rund ein Fünftel des Gesamtwohnwerts des Anwesens festgesetzt. Rechtsverstöße bei der Billigkeitsabwägung sind weder ersichtlich noch von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt.
BGH, Beschluss vom 18.12.2013
XII ZB 268/13
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 18.04.2013, 6 UF 139/12
AG Kandel, Entscheidung vom 15.08.2012, 2 F 128/12