Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juli 2008 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Gründe:
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute; das gemeinsame Kind Lea-Chantal lebt bei der Antragsgegnerin (Mutter).
Der Antragsteller (Vater) hat eine gerichtliche Regelung des Umgangsrechts angestrebt und hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat dem Vater Prozesskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten jedoch abgelehnt, weil das Verfahren keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweise. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat der Verfahrensbevollmächtigte des Vaters den Antrag auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts zurückgenommen, nachdem die Eltern sich zuvor über den Umgang geeinigt hatten.
Gegen die Versagung der Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten hatte der Vater zuvor Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Vater sein Begehren auf Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten weiter.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist jedenfalls für den ersten Rechtszug in einfach gelagerten Umgangsverfahren die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Zwar werde in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vielfach die Auffassung vertreten, bei einer Entscheidung über das Umgangsrecht handele es sich im Allgemeinen um ein rechtlich und tatsächlich schwieriges Verfahren, das die Beiordnung eines Rechtsanwalts gebiete. Eine solche allgemeine Regel lasse sich jedoch nicht aufstellen; vielmehr werde auch bei einem Verfahren mittleren Schwierigkeitsgrades die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls für den ersten Rechtszug nicht oder nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Rechte des bedürftigen Antragstellers seien in derartigen Fällen bereits durch die Objektivität des Richters und dessen Pflicht gewahrt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, außerdem durch die Möglichkeit, den verfahrenseinleitenden Antrag bei der Rechtsantragsstelle und damit bei einem Rechtspfleger zur Niederschrift zu geben, der juristisch geschult sei und Sorge zu tragen habe, dass der Antrag sachdienlich gestellt und der Sachverhalt in einer „schlüssigen“ Form geschildert werde.
Zwar habe das vorliegende Verfahren ein gewisses Konfliktpotential aufgewiesen, weil die Mutter sich – nach der Antragsbegründung des Vaters – nicht an Umgangsrechtsvereinbarungen gehalten und den Umgang des Vaters mit dem Kind seit Weihnachten 2007 unter fadenscheinigen Gründen verweigert habe. Andererseits sei jedoch von vornherein die Aussicht gerechtfertigt gewesen, es werde zu keinem hochstreitigen Verfahren kommen, weil die Mutter erkennbar zu keinem Zeitpunkt grundsätzliche Einwände gegen das Umgangsrecht des Vaters vorgebracht habe.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
Für das vom Vater eingeleitete Verfahren auf Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben (vgl. § 78 Abs. 2 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Da auch die Mutter in diesem Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, durfte dem Vater auf seinen Antrag ein Anwalt nur beigeordnet werden, wenn die Vertretung durch einen Anwalt erforderlich erschien (§ 121 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzung hat das Oberlandesgericht zu Recht verneint; das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Erforderlichkeit einer anwaltlichen Vertretung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Entscheidend ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Maßgebend sind dabei Umfang und Schwierigkeit der konkreten Sache, ferner die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (BVerfG NJW-RR 2007, 1713; vgl. auch BVerfGE 63, 380, 394). Auch die existentielle Bedeutung der Sache oder eine besondere, vom allgemeinen Prozessrecht stark abweichende Verfahrensart kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 – XII ZB 27/07 – FamRZ 2007, 1968).
Die gebotene einzelfallbezogene Prüfung lässt eine Herausbildung von Regelsätzen, nach denen der mittellosen Partei für bestimmte Verfahren immer oder grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen sei, nur in engen Grenzen zu. So hat der Senat entschieden, dass im Vaterschaftsfeststellungsverfahren jedenfalls dann, wenn die Parteien entgegen gesetzte Ziele verfolgen, bereits die existentielle Bedeutung der Sache die Beiordnung eines Rechtsanwalts nahelegen könne; dies gelte auch deshalb, weil es sich bei einem solchen Statusprozess um ein vom allgemeinen Zivilprozess stark abweichendes Verfahren handele und die sachgerechten Verteidigungsmöglichkeiten – gerade auch in dem vom Senat entschiedenen Fall – dem Beklagten als juristischem Laien ohne rechtlichen Beistand kaum möglich sein werde (Senatsbeschluss vom 11. September 2007 – XII ZB 27/07 – FamRZ 2007, 1968). Eine Situation, die dem Abstammungsverfahren vergleichbar wäre, liegt hier indes nicht vor. Das Umgangsrechtsverfahren folgt den allgemeinen Verfahrensregeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, die dem Gericht eine flexible Berücksichtigung der Belange aller Beteiligten ermöglichen. Die von den Interessen der Eltern möglicherweise divergierenden Belange des Kindes können von einem – vom Gericht in geeigneten Fällen zu bestellenden – Verfahrenspfleger geltend gemacht werden (§ 50 FGG). Zwar werden bei Umgangstreitigkeiten Grundrechtspositionen der Eltern wie auch des Kindes berührt. Daraus lässt sich jedoch weder generell noch als Regel herleiten, dass Umgangsstreitigkeiten besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art mit sich bringen und deshalb ausnahmslos oder doch im Regelfall die Beiordnung eines Rechtsanwalts erfordern. Im Einzelfall kann der Umgangsberechtigung – etwa bei einem drohenden Entzug (vgl. OLG Köln FamRZ 1997, 1284) – existentielle Bedeutung für einen der Beteiligten zukommen. Dies rechtfertigt indes ebenfalls nicht den Schluss, dass sich ein bemittelter Rechtssuchender bei Umgangsstreitigkeiten vernünftigerweise stets oder doch nahezu ausnahmslos anwaltlichen Beistands versichert hätte. Der Auffassung, dass „heute … kein Laie einen Rechtsstreit selbst führe, ohne das Risiko von Nachteilen einzugehen“ (OLG Köln FamRZ 2003, 107; Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 121 Rdn. 4), vermag der Senat sich in dieser Allgemeinheit nicht anzuschließen. Die daraus abgeleitete Forderung, dass „die Regel-Ausnahme-Fassung des § 121 Abs. 2 Satz 1 … in praxi umzukehren sei“ (OLG Köln FamRZ 2003, 107; Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 121 Rdn. 4), ist zudem mit Wortlaut und Willen des Gesetzes nicht vereinbar.
b) Das Oberlandesgericht hat es deshalb – im Ansatz zutreffend – abgelehnt, eine allgemeine Regel dahin aufzustellen, dass es sich bei einer Entscheidung über das Umgangsrecht im Allgemeinen um ein rechtlich und tatsächlich schwieriges Verfahren handele, das die Beiordnung eines Rechtsanwalts gebiete (so aber OLG Nürnberg FamRZ 1997, 215; differenzierend OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 2004; zur Beiordnung in Verfahren nach § 52 a FGG vgl. OLG München FamRZ 2000, 1225). Allerdings wird auch die vom Oberlandesgericht befürwortete – umgekehrte – Regel, nach der „auch bei einem Verfahren mittleren Schwierigkeitsgrades die Beiordnung eines Rechtsanwalts jedenfalls für den ersten Rechtszug nicht oder nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen“ werde (so bereits OLG Frankfurt FamRZ 2005, 2005, 2006), den Vorgaben des § 121 Abs. 2 ZPO nicht gerecht. Das Gesetz verlangt, dass die Beiordnung eines Anwalts im Einzelfall erforderlich ist. Dies setzt – wie dargelegt – eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus. Diese dem Tatrichter vorbehaltene Prüfung wird nicht dadurch entbehrlich oder erleichtert, dass für die Erforderlichkeit der Beiordnung – ohne klare Zuordnungskriterien – nach einfachen, mittleren oder hohen Schwierigkeitsgraden des Falles differenziert wird. Auch lässt das Erforderlichkeitskriterium für Regel-Ausnahme-Sätze jedenfalls bei
Umgangsstreitigkeiten schon im Hinblick auf die Vielfalt der Lebenssachverhalte keinen Raum.
c) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält dennoch im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Unbeschadet des von ihm aufgestellten und mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht vereinbaren Regelsatzes hat das Oberlandesgericht die gebotene Prüfung, ob angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Falles die vom Vater begehrte Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten erforderlich war, vorgenommen. Es hat dargelegt, dass die Mutter – wie von vornherein erkennbar – zu keinem Zeitpunkt vom Grundsatz her Einwände gegen ein Umgangsrecht des Antragstellers vorgebracht habe. Dies habe von vornherein die Aussicht gerechtfertigt, dass es nicht zu einem hochstreitigen Verfahren kommen werde. Das Oberlandesgericht hat daraus gefolgert, dass die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten schon im Zeitpunkt der Entscheidung über das Beiordnungsverlangen nicht erforderlich gewesen sei
Diese Ausführungen sind plausibel; sie sind als tatrichterliche Würdigung jedenfalls rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
BGH, Beschluss vom 18.02.2009
XII ZB 137/08
AG Kassel, Entscheidung vom 19.03.2008
531 F 577/08
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 11.07.2008
2 WF 124/08