BGH: Einbezug einer privaten Rentenversicherung

 

Auch eine private Rentenversicherung, die ein Ehegatte nach vertraglich vereinbarter Gütertrennung mit Mitteln seines vorehelich erworbenen Privatvermögens begründet hat, ist grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 30. März 2011 XII ZB 54/09 – FamRZ 2011, 877).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Januar 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen vom 31. März 2011 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstands: 2.010 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Einbeziehung einer privaten Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich.

Die am 31. August 1964 geborene Antragstellerin (Ehefrau) und der am 24. November 1964 geborene Antragsgegner (Ehemann) schlossen am 17. November 1995 die Ehe. Zuvor hatten sie mit notariellem Vertrag vom 9. November 1995 die Gütertrennung vereinbart. Regelungen zum Versorgungsausgleich oder zum Unterhalt wurden nicht getroffen. Das Familiengericht hat die Ehe aufgrund des am 3. März 2010 zugestellten Scheidungsantrags der Ehefrau rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Die Ehefrau erwarb während der Ehezeit (1. November 1995 bis 28. Februar 2010; § 3 Abs. 1 VersAusglG) Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zusätzlich erwarb die Ehefrau am 1. Dezember 2004 eine private Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 3 durch Einzahlung eines Einmalbeitrags von 150.000 €. Den Einzahlungsbetrag hatte sie aus einer am selben Tag fällig gewordenen, vorehelich abgeschlossenen Kapitallebensversicherung erlöst. Der Ehemann erwarb eine Anwartschaft bei der Beteiligten zu 3 mit einem Kapitalwert von 8.700,48 €.

Das Familiengericht hat sämtliche ehezeitlich erworbenen Anrechte intern geteilt. Mit ihrer Beschwerde hat sich die Ehefrau gegen die Einbeziehung ihrer privaten Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich gewendet, weil sie diese aus Mitteln ihres vorehelichen Vermögens erworben habe, an dessen Teilhabe der Ehemann durch den vereinbarten Ausschluss des Zugewinnausgleichs ausgeschlossen sei. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Es handle sich bei der abgeschlossenen Rentenversicherung um ein privates, auf eine Rente gerichtetes Anrecht, das nach § 2 Abs. 2 VersAusglG auszugleichen sei. Es sei unerheblich, wann das Vermögen, mit dessen Hilfe das Anrecht begründet wurde, erworben worden sei, solange die Anwartschaft in der Ehe begründet worden sei. Beim Versorgungsausgleich blieben lediglich solche Anrechte außer Betracht, die mit Hilfe eines Vermögens begründet oder aufrechterhalten worden seien, das aus einem vorzeitigen Zugewinnausgleich stamme. Eine derartige Doppelverwertung stehe hier nicht in Rede, weil für die Begründung des Versorgungsanrechts kein aus einer güterrechtlichen Auseinandersetzung herrührendes Vermögen verwendet worden sei. Eine zu Ehebeginn vereinbarte Gütertrennung schließe nicht den Ausgleich von Versorgungsanrechten aus, die während der Ehezeit aus Vermögensmitteln erworben wurden. Auch seien Gründe, den Versorgungsausgleich nicht oder teilweise nicht durchzuführen (§ 27 VersAusglG), nicht erkennbar.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Im Versorgungsausgleich sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, dass das in die Lebensversicherungen eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen der Ehefrau stammte. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtete, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte. Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die – wie hier – mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Eheschließung erworben wurden (Senatsbeschluss vom 30. März 2011 – XII ZB 54/09 – FamRZ 2011, 877 mwN).

b) Vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen wären zwar solche Anrechte, die ein Ehegatte aus Mitteln eines vorzeitigen Zugewinns erlangt, weil sonst das Ziel, Versorgungs- und Zugewinnausgleich gegenständlich voneinander abzugrenzen, nicht vollständig erreicht würde (Senatsbeschluss vom 11. März 1992 – XII ZB 172/90 – FamRZ 1992, 790). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass eine private Rentenversicherung, die ein Ehegatte zeitlich nach vertraglich vereinbarter Gütertrennung mit Mitteln seines Privatvermögens begründet, nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen wäre (entgegen OLG Hamm FamRZ 2006, 795). Denn mit der Einzahlung in die Rentenversicherung verliert der Geldbetrag seine güterrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen und erlangt stattdessen den Charakter einer Altersversorgung. Damit geht einher, dass er nicht mehr dem Ausgleichssystem des Zugewinnausgleichs, sondern fortan dem Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs unterfällt (vgl. jetzt § 2 Abs. 4 VersAusglG). Das Ausgleichssystem des Versorgungsausgleichs wird jedoch durch Regelungen, die die Parteien für den Zugewinnausgleich getroffen haben, grundsätzlich nicht berührt. Der am 9. November 1995 geschlossene Ehevertrag, dessen Wortlaut die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trägt (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1992 – XII ZR 132/90 – FamRZ 1992, 293), enthält keine Regelung zum Versorgungsausgleich, sondern nur zum Zugewinnausgleich.

c) Es liegen auch keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG als grob unbillig auszuschließen. Nach dieser Vorschrift findet der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nach Absatz 2 der Vorschrift nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Eine grob unbillige Härte liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 30. März 2011 – XII ZB 54/09 – FamRZ 2011, 877 Rn. 11 mwN; vom 25. Juni 2008 – XII ZB 163/06 – FamRZ 2008, 1836 und vom 11. September 2007 – XII ZB 107/04 – FamRZ 2007, 1964). Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2011 XII ZB 54/09 -FamRZ 2011, 877 Rn. 11 mwN). Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung, die im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur darauf hin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2011 – XII ZB 54/09 – FamRZ 2011, 877 Rn. 11 mwN). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Überprüfung ist die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Abwägung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

aa) Wie der Bundesgerichtshof bereits in der Grundsatzentscheidung vom 21. März 1979 (BGHZ 74, 38, 45 ff. = FamRZ 1979, 477, 479 ff.) dargelegt hat, rechtfertigt sich der Versorgungsausgleich nicht nur aus dem Zugewinnausgleichsgedanken, sondern auch aus der Pflicht, die Altersversorgung des anderen Ehegatten sicherzustellen. Er bewirkt, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungspositionen gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden, und dient so der Unterhaltssicherung im Alter.

In einer intakten Ehe partizipiert der andere Ehegatte an den erworbenen Versorgungspositionen nach Eintritt des Versorgungsfalls im Rahmen der ehelichen Unterhaltsgemeinschaft. In Übereinstimmung mit diesem Zweck hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch schon vor der Einführung des Versorgungsausgleichs durch das 1. EheRG den erwerbstätigen Ehegatten für verpflichtet gehalten, nicht nur für den gegenwärtigen, sondern entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen auch für die dauernde Sicherung des zukünftigen Unterhalts des anderen Ehegatten zu sorgen; die Grundlage für diese während der gesamten Ehezeit fortlaufend bestehende Verpflichtung hat der Bundesgerichtshof in der ehelichen Unterhaltsverantwortung gesehen (BGHZ 74, 38, 46 = FamRZ 1979, 477, 479; BGH Urteile vom 3. Dezember 1951 III ZR 68/51 – VersR 1952, 97; vom 26. Mai 1954 – VI ZR 69/53 – VersR 1954, 325 und BGHZ 32, 246 = FamRZ 1960, 225). Dieser ehelichen Unterhaltsverantwortung kommt der der gesetzlichen Rentenversicherung angehörende erwerbstätige Ehegatte durch seine Pflichtbeiträge, der Beamte durch seine kontinuierliche zum Aufbau der Beamtenversorgung geeignete Dienstleistung und der Selbständige oder Vermögende durch freiwillige Einzahlungen in eine privatrechtliche Altersversorgung nach. Die so ehezeitlich begründeten Versorgungsanwartschaften sind demnach aufgrund der wahrgenommenen Unterhaltsverantwortung zur Sicherung beider Ehegatten bestimmt. Im Falle des Scheiterns der Ehe bewirkt der Versorgungsausgleich, dass die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden. Der Gedanke der einmal auf Lebenszeit angelegt gewesenen ehelichen Lebensgemeinschaft und damit Versorgungsgemeinschaft setzt sich gegenüber der formalen Zuordnung der Versorgungsanwartschaften auf nur einen Ehegatten durch. Dabei steht auch der Grundsatz, dass die während der Ehezeit von einem oder gegebenenfalls von beiden Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaften regelmäßig („schematisch“) zur Hälfte aufgeteilt werden, im Einklang mit der Idee der ehelichen Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 GG), der ein rechnerisches Abwägen sowohl der beiderseitigen Leistungen und Verdienste für die Gemeinschaft als auch der Teilhabe an gemeinschaftlichen Rechtspositionen im allgemeinen widersprechen würde (BGHZ 74, 38, 46 f., 51 = FamRZ 1979, 477, 479 ff.).

bb) Diesem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs widerspricht es nicht, wenn im vorliegenden Fall auch die von der Ehefrau erworbenen privatrechtlichen Anrechte in den Ausgleich einbezogen werden. Nach dem Leitgedanken der auf Lebenszeit angelegten ehelichen Lebensgemeinschaft sollte die private Rentenversicherung der gemeinsamen Unterhaltssicherung im Alter dienen. Mit dem dafür aufgewendeten Kapital erbrachte die Ehefrau ebenso eine eheliche Unterhaltsleistung wie der Ehemann mit seinen zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft geleisteten Beiträgen. Darauf, dass die Ehefrau die Anwartschaft durch Einmalzahlung aus ihrem Vermögen anstelle durch ratierliche Einzahlungen aus ihrem Einkommen erwarb, kommt es nicht an

BGH, Beschluss vom 18.01.2012
XII ZB 213/11

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