Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung, nach der Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangt werden kann, ist nicht anwendbar, wenn die Ehe vor dem 1. September 2009 rechtskräftig geschieden worden ist (Fortführung von Senatsurteilen vom 16. Juli 2014 – XII ZR 108/12 – FamRZ 2014, 1610 und vom 22. Oktober 2014 – XII ZR 194/13 – FamRZ 2015, 121).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 12. Mai 2016 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) beansprucht von ihrem seit 28. März 2009 rechtskräftig geschiedenen Ehemann, dem Antragsgegner, Zugewinnausgleich in Höhe von 380.621,85 € nebst Zinsen. Wegen eines bei ihm entstandenen Verdachts illoyaler Vermögensverschiebungen durch die Ehefrau in der Zeit nach der Trennung hat der Ehemann beantragt, diese zu verpflichten, ihm Auskunft über ihr Vermögen zum Trennungszeitpunkt, dem 17. Juni 2005, durch Vorlage eines schriftlichen, systematisch gegliederten Bestandsverzeichnisses zu erteilen und dieses zu belegen. Das Familiengericht hat die Ehefrau demgemäß durch Teil-Versäumnisbeschluss verpflichtet, welchen es auf ihren Einspruch hin aufrechterhalten hat. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluss abgeändert, den Teil-Versäumnisbeschluss aufgehoben und den Antrag des Ehemanns zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 3 FGG-RG das seit Anfang September 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren in der Zeit nach dem 1. September 2009 durch Beschluss vom 12. Mai 2010 ausgesetzt worden war.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2017, 21 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Die Beschwerde sei zulässig, insbesondere sei die Mindestbeschwer von 600 € erreicht. Da die Ehefrau verpflichtet worden sei, Auskunft über ihr gesamtes Vermögen zum Stichtag des Trennungszeitpunkts zu erteilen, könne sie nicht auf vorhandene Grundlagen wie Jahresabschlüsse zurückgreifen, sondern sei dazu gehalten, u.a. den Wert ihres Unternehmens zum konkreten Stichtag 17. Juni 2005 darzulegen und zu belegen. Dass sie sich dafür der Hilfe einer Fachkraft mit einem Kostenaufwand von deutlich über 600 € bedienen müsse, sei nachvollziehbar.
Die Beschwerde sei auch begründet. Ein Anspruch auf Darlegung des Vermögens zum Trennungszeitpunkt ergebe sich für den Ehemann nicht aus § 1379 Abs. 1 BGB, weil der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau bereits mit Rechtskraft der Scheidung am 28. März 2009 entstanden sei und eine Anwendung des erst danach, am 1. September 2009 in Kraft getretenen § 1379 Abs. 1 BGB eine unzulässige Rückwirkung auf einen abgeschlossenen Sachverhalt darstellte. Die Vorschrift stehe nämlich in untrennbarem Zusammenhang mit der ebenfalls neu eingeführten Regelung des § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach dann, wenn das Endvermögen niedriger ausfalle als das Vermögen, welches der Ehegatte in seiner Auskunft über seinen Vermögensbestand zum Trennungszeitpunkt angebe, vermutet werde, dass die Differenz auf einer illoyalen Vermögensverschiebung beruhe, und sich der Zugewinnausgleichsanspruch entsprechend reduziere, wenn der Anspruchsberechtigte nicht darlegen und beweisen könne, dass die Vermögensdifferenz nicht aufgrund von Handlungen, wie sie in § 1375 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgeführt seien, bewirkt worden sei. Für diese Konstellation habe der Bundesgerichtshof bereits eine Rückwirkung abgelehnt. Bei einer Anwendung der §§ 1379 Abs. 1 Satz 1, 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB auf bereits abgeschlossene Güterstände würde es sich ebenso um eine echte Rückwirkung handeln, denn damit werde der Umfang der Darlegungslast des Anspruchsberechtigten für die Fallkonstellation, dass sich dessen Vermögen zwischen Trennung und der Beendigung des Güterstands verringert habe, erheblich ausgeweitet. Das würde zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt führen.
Der geltend gemachte Auskunftsanspruch bestehe auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Nach diesen Grundsätzen könnten zwar bezüglich einzelner behaupteter illoyaler Vermögensverfügungen über den Umfang des § 1379 Abs. 1 BGB a.F. hinaus Auskunftsansprüche hergeleitet werden. Voraussetzung sei aber, dass Auskunft über einzelne Vorgänge verlangt und konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB vorgetragen würden. Die vom Ehemann hingegen begehrte Auskunft über die gesamte Vermögenslage der Ehefrau zum Trennungszeitpunkt könne nach diesen Grundsätzen nicht verlangt werden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Schätzung des mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwands im Wert von über 600 € hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009 – XII ZB 146/08 – FamRZ 2009, 594).
b) In der Sache hat das Beschwerdegericht zu Recht § 1379 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung angewendet.
aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, sind die Vorschriften der §§ 1378 Abs. 2, 1384 BGB in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung, nach denen im Falle der Ehescheidung für die Höhe der Ausgleichsforderung an die Stelle der Beendigung des Güterstands der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags tritt und sich das für die Begrenzung der Ausgleichsforderung maßgebliche Vermögen des Ausgleichspflichtigen in Fällen der illoyalen Vermögensminderung um den dem Endvermögen hinzuzurechnenden Betrag erhöht, nicht anwendbar, wenn die Ehe vor dem 1. September 2009 rechtskräftig geschieden worden ist (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 – XII ZR 108/12 – FamRZ 2014, 1610 und vom 22. Oktober 2014 – XII ZR 194/13 – FamRZ 2015, 121).
Wären nämlich im Fall der am 1. September 2009 bereits rechtskräftigen Scheidung die §§ 1378 Abs. 2 Satz 1, 1384 BGB anzuwenden, könnte ein Ausgleichsanspruch, der bei Rechtskraft der Scheidung wegen eines seit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetretenen Vermögensverlusts des Ausgleichspflichtigen nicht bestanden hat, nachträglich entstehen. Die Anwendung der geänderten Bestimmungen würde einen Eingriff in den bereits abgeschlossenen Sachverhalt darstellen. Das wäre verfassungsrechtlich bedenklich und stünde mit den allgemeinen Grundsätzen über die zeitliche Geltung von Gesetzen nicht in Einklang (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 – XII ZR 108/12 – FamRZ 2014, 1610 Rn. 20 mwN und vom 22. Oktober 2014 – XII ZR 194/13 – FamRZ 2015, 121 Rn. 14). Bis zur Verkündung der gesetzlichen Neuregelung, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Recht Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (BVerfGE 127, 1 = NJW 2010, 3629 Rn. 56 mwN). Im Hinblick darauf ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber eine solche Rückwirkung anordnen wollte.
Dafür spricht auch die Formulierung der Gesetzesbegründung, Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB sehe bewusst nur eine Übergangsregelung für § 1374 BGB vor, denn nur in Bezug auf die Einführung des negativen Anfangsvermögens bestehe ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der alten Rechtslage, die übrigen Bestimmungen dienten vor allem dem Schutz vor Manipulationen, das Vertrauen auf den Fortbestand einer Manipulationsmöglichkeit sei nicht schutzwürdig (BT-Drucks. 16/10798 S. 25). Danach sollte ausgehend von dem Grundsatz, dass der zeitliche Geltungsbereich eines Gesetzes eindeutig zum Ausdruck kommen muss, gewährleistet werden, dass § 1374 BGB n.F. selbst in anhängigen Verfahren noch nicht zur Anwendung gelangt. Abgeschlossene Sachverhalte werden durch Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB dagegen nicht geregelt (Senatsurteil vom 16. Juli 2014 – XII ZR 108/12 – FamRZ 2014, 1610 Rn. 21).
bb) Die für den vorliegenden Fall bedeutsame Neufassung des § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Anfügung des § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB gehen auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags zurück. Mit diesen Regelungen sollte der im Regierungsentwurf vorgeschlagene Schutz vor illoyalen Vermögensverschiebungen weiter ergänzt werden (BT-Drucks. 16/13027 S. 7).
Zwar haben die hinzugefügten Bestimmungen keinen geänderten Berechnungsmodus für den Zugewinnausgleichsanspruch, sondern nur eine auf den Trennungszeitpunkt erweiterte Auskunftspflicht (§ 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB) sowie eine daran anknüpfende Darlegungs- und Beweislastregel für die Annahme illoyaler Vermögensverschiebungen (§ 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB) zum Gegenstand. Jedoch wirken auch die Regeln über die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast) auf das materielle Recht. So vermag § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB eine nachträgliche Änderung des bei Rechtskraft der Scheidung bereits entstandenen Zugewinnausgleichsanspruchs in den Fällen zu bewirken, in denen die Ursachen für einen zwischen dem Trennungszeitpunkt und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags eingetretenen Vermögensverlust unaufgeklärt bleiben, was auch der Zielsetzung der Gesetzesänderung entspricht. Deshalb gelten die vom Senat angestellten Erwägungen auch hier (offengelassen in Senatsbeschluss vom 12. November 2014 – XII ZB 469/13 – FamRZ 2015, 132 Rn. 17).
cc) Allerdings ist in der Rechtsprechung und Literatur darauf hingewiesen worden, dass mit der Erweiterung der Auskunftspflicht durch § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. für sich genommen noch keine tiefgreifende Änderung der Rechtslage eintritt, die dem Schutz des Vertrauens in die bisherige Gesetzesfassung entgegensteht. Das Rechtsstaatsprinzip, aus dem das Rückwirkungsverbot für Gesetze hergeleitet wird, verbiete nämlich nicht schlechthin jede Rückwirkung, selbst wenn nachträglich an einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Tatbestand angeknüpft wird. Vertrauensschutz komme dort nicht in Frage, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt sei. Um illoyale Vermögensminderungen insbesondere aus dem Zeitraum zwischen Trennung und Beendigung des Güterstandes aufdecken zu können, sei bereits nach bisheriger Rechtslage ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB hergeleitet worden, wenn Anhaltspunkte für illoyale Vermögensminderungen bestanden. Der Auskunftsanspruch zum Trennungszeitpunkt sei gerade deshalb ergänzt worden, um Vermögensverschiebungen zwischen der Trennung der Ehegatten und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu vermeiden, und das Vertrauen in den Fortbestand einer Manipulationsmöglichkeit sei gerade nicht schutzwürdig (so OLG Hamm FamRZ 2011, 566, 567; BeckOK BGB/J. Mayer [Stand: 1. August 2015] § 1379 Rn. 2).
Auch diese Erwägungen führen jedoch nicht zur rückwirkenden Anwendung des § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. auf bereits abgeschlossene Sachverhalte (ebenso MünchKommBGB/Koch 7. Aufl. § 1379 Rn. 13; Münch-KommBGB/Koch 6. Aufl. Art. 229 § 20 EGBGB Rn. 1). Abgeschlossene Sachverhalte werden nämlich durch Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB insgesamt nicht geregelt. Die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 BGB a.F. ist auf vor dem 1. September 2009 abgeschlossene Sachverhalte, nämlich den durch rechtskräftige Scheidung beendeten Güterstand, weiter anzuwenden, weil etwas Anderes nicht bestimmt worden ist. Das gilt unabhängig davon, ob ein Zugewinnausgleichsverfahren am 1. September 2009 bereits anhängig war oder noch nicht (vgl. Senatsurteil vom 16. Juli 2014 – XII ZR 108/12 – FamRZ 2014, 1610 Rn. 21).
Dafür spricht auch, dass die Vorschrift des § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. im inhaltlichen Zusammenhang mit § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. sowie den übrigen zeitgleich vorgenommenen Gesetzesänderungen steht und ihr keine außerhalb dieses Zusammenhangs stehende Bedeutung beigegeben worden ist. Die §§ 1375 Abs. 2 und 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. sollten vielmehr den im Regierungsentwurf bereits vorgeschlagenen Schutz vor illoyalen Vermögensverschiebungen weiter ergänzen. Da jedoch bereits eine Anwendung der §§ 1378 Abs. 2 Satz 1, 1384 BGB auf abgeschlossene Sachverhalte scheitert, muss das Gleiche auch für die §§ 1375 Abs. 2 Satz 2 und 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten.
Hinzu kommt, dass der Auskunftsanspruch nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht nur in Bezug auf das Vermögen zum Trennungszeitpunkt, sondern auch in Bezug auf das Anfangsvermögen erweitert wurde. Dieses ist als Folgeänderung zur Einführung des negativen Anfangsvermögens durch den geänderten § 1374 BGB in das Gesetz aufgenommen worden (BT-Drucks. 16/10798 S. 18). Auch darin verdeutlicht sich, dass den neu eingeführten Auskunftspflichten nur dienende Funktion gegenüber den gleichzeitig geänderten materiell-rechtlichen Regelungen zukommen soll und sie mit diesen im untrennbaren Zusammenhang stehen.
Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen war, ein vor dem 1. September 2009 rechtskräftig geschiedener Ehegatte könne noch die für ihn günstigeren Wirkungen des geänderten § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB in Anspruch nehmen (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 – XII ZR 101/10 – FamRZ 2013, 103 Rn. 22), hält er daran nicht fest.
BGH, Beschluss vom 05.04.2017
XII ZB 259/16
OLG Jena, Entscheidung vom 12.05.2016, 3 UF 126/16
AG Weimar, Entscheidung vom 18.02.2016, 9 F 344/06