BGH: Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen neuen Ehepartner

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2009 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beantragt Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit auf Zugewinnausgleich gegen ihren früheren Ehemann. Das Familiengericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Antragstellerin nicht bedürftig sei, weil ihr ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses gegen ihren neuen Ehemann zustehe. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 – 18 UF 233/09 – veröffentlicht bei […]; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 – 2 W 152/09 – veröffentlicht bei […] und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 3 W 1077/09 – veröffentlicht bei […]).

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, weil die Antragstellerin nicht bedürftig i.S. des § 114 ZPO ist.

1. § 1360 a Abs. 4 BGB gewährt einem Ehegatten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, einen Anspruch auf Vorschuss gegen den anderen Ehegatten, soweit dies der Billigkeit entspricht. Ob diese Vorschusspflicht auch den neuen Ehegatten trifft, wenn sein Partner einen Rechtsstreit gegen den alten Ehepartner führt, ist streitig. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird die Vorschusspflicht des neuen Ehegatten teils bejaht (OLG Frankfurt FamRZ 1983, 588; OLG Koblenz FamRZ 1986, 466), teils verneint (OLG Nürnberg FamRZ 1986, 697; OLG Düsseldorf FamRZ 1984, 388; OLG Hamm FamRZ 1989, 277). Die Literatur spricht sich überwiegend gegen eine Vorschusspflicht aus (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 7. Aufl., § 6 Rdn. 28; Staudinger/Voppel, BGB (2007), § 1360 a Rdn. 69; MünchKommBGB/Wacke, 4. Aufl., § 1360 a Rdn. 28; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 9. Aufl. Rdn. 2633; Ermann/Heckelmann, BGB, 11. Aufl., § 1360 a Rdn. 20; a.A. Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Teil IV Rdn. 72). Die Befürworter einer Vorschusspflicht betonen, eine persönliche Angelegenheit bleibe eine solche auch, wenn der betroffene Ehegatte wieder heirate (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.). Die Gegner argumentieren zum Teil dahin, der Anspruch auf Zugewinnausgleich habe seine Wurzeln in der ehelichen Lebensgemeinschaft. Wenn die Ehe rechtskräftig geschieden sei, ende diese enge Verknüpfung. Ausgleichsansprüche seien dann nicht mehr eingebettet in familienrechtliche Beziehungen, sondern stellten sich letztlich als gewöhnliche Zahlungsansprüche dar (OLG Nürnberg a.a.O.; MünchKomm a.a.O.). Zum Teil wird darauf hingewiesen, der neue Ehegatte sei deshalb nicht vor-schusspflichtig, weil der Anspruch seine Wurzeln nicht in der neuen Ehe habe (OLG Düsseldorf a.a.O.; Göppinger/Wax a.a.O.; Staudinger/Voppel a.a.O.). Andere begründen ihre ablehnende Auffassung damit, dem neuen Ehepartner sei es nicht zumutbar, Altlasten des Partners aus dessen früherer Ehe zu finanzieren (Knops, NJW 1993, 1237, 1240). Nach einer weiteren Auffassung (Dose, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, 3. Aufl. Rdn. 49 ff.) kann es – im Einzelfall – unbillig sein, den zweiten Ehegatten mit den Kosten eines Rechtsstreits zu belasten, in dem um vermögensrechtliche Ansprüche gegen den früheren Ehegatten gestritten wird. Schwab/Borth (a.a.O.) halten es für erwägenswert, in solchen Fällen aus Gründen der Billigkeit eine Begrenzung der Vorschusspflicht in Betracht zu ziehen, weil es für den neuen Ehegatten unzumutbar sein kann, einen Rechtsstreit aus der geschiedenen Ehe seines Partners finanzieren zu müssen.

a) Die Auslegung des Begriffs „persönliche Angelegenheit“ bereitet seit jeher Schwierigkeiten. Weder in Literatur noch in Rechtsprechung wurde bisher eine allgemein anerkannte Definition gefunden (Wendl/Scholz a.a.O.; Dose a.a.O.). Die Praxis behilft sich daher mit Fallgruppen (Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl., § 1360 a Rdn. 14; Dose a.a.O.). Besondere Probleme bereitet die Einordnung vermögensrechtlicher Ansprüche.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 31, 384; 41, 184) ist die Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen nicht maßgeblich. Neben den die Person berührenden nicht vermögensrechtlichen Angelegenheiten (wie Vormundschafts-, Pflegschafts-, Betreuungs-, Unterbringungs- und Strafsachen) können auch auf vermögensrechtliche Leistungen gerichtete Ansprüche zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten gehören, insbesondere dann, wenn sie ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben, die auch die wirtschaftliche Existenz der Ehegatten umgreife. Das Recht, an dem wirtschaftlichen Ergebnis der gemeinsamen Tätigkeit in der Ehe beteiligt zu werden, zähle deshalb zu seinen persönlichen Angelegenheiten. Davon geht, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hinweist, auch der Gesetzgeber aus, wenn er in § 621 f ZPO a.F. i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 8 ZPO a.F. (vgl. jetzt § 246 Abs. 1 FamFG) die Möglichkeit vorsieht, einen Kostenvorschuss durch einstweilige Anordnung anzuordnen. Einigkeit besteht aber, dass die Verfahren, die nur dem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse eines Ehegatten dienen, nicht zu den persönlichen Angelegenheiten zählen. Die Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche, gesellschaftsrechtlicher Ansprüche sowie von Ansprüchen auf Zahlung von Provision wurde deshalb von der Rechtsprechung nicht als persönliche Angelegenheiten angesehen (Nachweise bei Schwab/Borth und Dose a.a.O. Rdn. 51). Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Dritten ist eine persönliche Angelegenheit nur dann zu bejahen, wenn der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betroffenen Ehegatten aufweist, eine personenbezogene Funktion (Dose a.a.O. Rdn. 50) hat. Für Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche nach §§ 844 Abs. 2 BGB, 10 Abs. 2 StVG und sozialgerichtliche Verfahren, die die Zahlung einer Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit oder die Altersrente betreffen, ist die Rechtsprechung deshalb von persönlichen Angelegenheiten ausgegangen (Nachweise bei Schwab/Borth und Dose a.a.O.). Eine allgemein gültige begriffliche Formel, wann ein Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betroffenen Ehegatten hat, wurde aber nicht gefunden.

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht den Anspruch auf Zugewinnausgleich, weil aus der Ehe herrührend, zutreffend als persönliche Angelegenheit des Ehegatten i.S. des § 1360 a Abs. 4 BGB angesehen. Zutreffend ist das Gericht auch davon ausgegangen, dass diese Einordnung nicht mit der Wiederverheiratung der Antragstellerin weggefallen ist. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass ein Anspruch, der bei seiner Entstehung als persönliche Angelegenheit einzuordnen ist, diese Eigenschaft nicht durch eine neue Eheschließung des Anspruchsinhabers verliert. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den neuen Ehepartner wäre deshalb nur abzulehnen, wenn § 1360 a Abs. 4 BGB verlangen würde, dass der Anspruch seine Wurzel in der persönlichen Beziehung zum neuen Partner hat. Eine dahingehende Auslegung ist aber abzulehnen.

aa) Wie dargelegt ist § 1360 a Abs. 4 BGB zwar unklar, soweit es um den Begriff der persönlichen Angelegenheit geht. Hinsichtlich der Adressaten lässt der Wortlaut aber keinen Zweifel offen. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss richtet sich gegen den „anderen Ehegatten“, d.h. den jeweiligen Ehegatten zum Zeitpunkt der Geltendmachung oder der Abwehr eines Anspruchs. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen den früheren Ehegatten erlischt mit Rechtskraft der Scheidung. Darüber besteht weitgehend Einigkeit (Senatsurteil vom 9. November 1983 – IVb ZR 14/83 – FamRZ 1984, 148 f.; a.A. MünchKomm/Wacke a.a.O.).

bb) Sinn und Zweck der Regelung verlangen keine vom Wortlaut abweichende Auslegung. Es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den neuen Ehepartner nicht als Schuldner eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss gewollt hat, noch gebieten dies Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen (zu den Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion Palandt/Heinrichs a.a.O., Einl. Rdn. 46).

(1) Die Auffassung, vermögensrechtliche Ansprüche müssten ihre Wurzeln in der ehelichen Lebensgemeinschaft oder in den aus der Ehe erwachsenen persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen haben, Unterhalts- oder Zugewinnausgleichsansprüche aus einer früheren Ehe seien vom jetzigen Ehepartner nicht zu finanzieren, weil ihnen die Beziehung zur gemeinsamen Lebensführung in der jetzigen Ehe fehle, findet im Gesetz keine Stütze. § 1360 a Abs. 4 BGB verlangt lediglich eine persönliche Angelegenheit. Dass sie ihre Wurzel im Verhältnis zum neuen Ehepartner haben muss, ist nicht ersichtlich. Die Rechtsbeschwerde kann sich für die von ihr geforderte Auslegung insoweit auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 31, 384; Urteil vom 24. Juli 2003 – IX ZB 539/02 – NJW 2003, 2910, 2912) ausgeführt, dass zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten i.S. des § 1360 a Abs. 4 BGB diejenigen auf vermögenswerte Leistungen gerichteten Ansprüche gehören, die ihre Wurzeln in der Lebensgemeinschaft der Ehegatten haben. Dass die Angelegenheiten zusätzlich ihre Wurzeln in der neuen Ehe haben müssen, um den neuen Partner prozesskostenvorschusspflichtig werden zu lassen, kann den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aber nicht entnommen werden.

(2) Auch die Argumentation, dem neuen Ehepartner sei nicht zumutbar, Rechtsstreitigkeiten seines Partners gegen den früheren Ehegatten zu finanzieren, vermag nicht zu überzeugen. Der Anspruch auf Gewährung eines Prozesskostenvorschusses ist unterhaltsrechtlicher Natur (Palandt/Brudermüller a.a.O., § 1360 a Rdn. 7). Wortlaut und Sinnzusammenhang sprechen dafür, die Prozesskostenvorschusspflicht als eine Unterstützungspflicht des leistungsfähigen Ehegatten anzusehen, die ihre innere Rechtfertigung in der gegenseitigen personalen Verantwortung aus der ehelichen Lebensgemeinschaft findet und der allgemeinen unterhaltsrechtlichen Pflicht zum finanziellen Beistand am Nächsten kommt. Der leistungsfähige Ehegatte soll den wirtschaftlich schwachen bei der Durchsetzung seiner persönlichen Ansprüche unterstützen. Die erfolgreiche Durchsetzung eines berechtigten oder die Abwehr eines unberechtigten Anspruchs berührt die finanzielle Basis der neuen Ehe und kommt damit auch dem neuen Partner zugute. Im Regelfall ist deshalb die Finanzierung eines solchen Rechtsstreits für ihn nicht von vorneherein unzumutbar. Soweit die Finanzierung im Einzelfall unzumutbar sein sollte – etwa wenn aus sachfremden Erwägungen prozessiert wird – kann dem mit dem Tatbestandsmerkmal der Billigkeit Rechnung getragen werden. Eine generelle Auslegung gegen den Wort-laut ist nicht geboten.

(3) Schließlich widerspräche eine einschränkende Auslegung dem Grundsatz, dass Familiensolidarität staatlicher Fürsorge vorgeht (vgl. Palandt/Brudermüller a.a.O. Rdn. 14). Eine Auslegung, die dazu führt, dass – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – nicht der leistungsfähige (neue) Ehepartner, sondern die staatliche Gemeinschaft in Form der Prozesskostenhilfe einen Rechtsstreit finanzieren muss, ist abzulehnen.

2. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Anhaltspunkte dafür, dass dem neuen Ehepartner der Antragstellerin die Finanzierung des beabsichtigten Rechtsstreits wegen besonderer Umstände unzumutbar sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

BGH, Beschluss vom 25.11.2009
XII ZB 46/09

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