Ist der Vater eines minderjährigen Erben zum (Verwaltungs-)Testamentsvollstrecker bestellt worden, so kommt die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft zur Wahrnehmung der Rechte des Erben aus den in den Nachlass fallenden Gesellschaftsanteilen auch dann nicht in Betracht, wenn der Vater Mitgesellschafter und die Mutter von der Vertretung des Kindes für das ererbte Vermögen ausgeschlossen ist; denn die mit einer solchen Pflegschaft einhergehende Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Vaters ändert an dessen Verwaltungsbefugnissen als Testamentsvollstrecker nichts.
Ob in einem solchen Fall eine Ergänzungspflegschaft zur Wahrnehmung der Rechte des Minderjährigen gegenüber dem Vater als Testamentsvollstrecker angeordnet werden muss, ist – im Rahmen der tatrichterlichen Verantwortung – im Einzelfall zu entscheiden. Ein „typischer“ Interessengegensatz wird zwar im Regelfall die Annahme rechtfertigen, dass es auch im zu entscheidenden Einzelfall zu Konfliktsituationen kommen kann, denen durch die Bestellung eines Pflegers rechtzeitig vorgebeugt werden sollte. Anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses zwischen Vater und Kind keinerlei Anlass zu der Annahme besteht, der Vater werde unbeschadet seiner eigenen Interessen die Belange des Kindes nicht in gebotenem Maße wahren und fördern.
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat vom 21. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe:
I.
Der minderjährige L. K. ist der testamentarische Alleinerbe seines Großvaters. Der Großvater hat seine Tochter – die Mutter des L.K. (Beteiligte zu 1) – von der Verwaltung des seinem Enkel vererbten Vermögens ausgeschlossen und deren geschiedenen Ehemann – den Vater des L.K. – (Beteiligter zu 2) zum Testamentsvollstrecker berufen. Zugleich hat er Vermächtnisse zugunsten seiner Tochter, seines Sohnes und seines Schwiegersohnes angeordnet, letzteres unabhängig davon, ob dieser im Zeitpunkt des Erbfalles (noch) verheiratet ist oder nicht.
Zum Nachlass gehören Kommanditbeteiligungen an zwei in der Form einer GmbH & Co KG betriebenen Bauunternehmen, Geschäftsanteile an den Komplementär-Gesellschaften (mbH) dieser Unternehmen sowie Immobilien. Der Vater des L.K. ist Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften; außerdem ist er jedenfalls an beiden Bauunternehmen als Kommanditist beteiligt.
Auf Anregung der Mutter des L.K. hat der Rechtspfleger beim Familiengericht für die Aufgabenkreise „Wahrnehmung der Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker“ und „Wahrnehmung der Rechte aus den Gesellschaftsbeteiligungen des Minderjährigen“ Ergänzungspflegschaft angeordnet, da die Eltern wegen Interessenkonflikts von der Vertretung des L.K. ausgeschlossen seien. Auf die befristete Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht die Ergänzungspflegschaft aufgehoben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nicht vor, da der Vater des L.K. an der Vermögenssorge für den Minderjährigen nicht verhindert sei. Das Gesetz sehe die Eltern als die natürlichen Verwalter der Vermögensinteressen ihrer minderjährigen Kinder an. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers allein zur Prüfung, ob der gesetzliche Vertreter die Rechte des Kindes pflichtgemäß wahrnehme oder ob es etwa im Interesse des Kindes nötig sein könne, gegen ihn vorzugehen, finde im Gesetz keine Stütze. Vielmehr müsse ein Interessenwiderstreit im konkreten Fall auftreten und die Befürchtung rechtfertigen, der Vertreter könne aus Eigennutz die von ihm wahrzunehmenden Belange des Kindes vernachlässigen.
Der Umstand, dass der gesetzliche Vertreter in einer Person auch die Aufgaben als Testamentsvollstrecker über den vom Minderjährigen ererbten Nachlass wahrnehme bzw. als Mitgesellschafter und Geschäftsführer in Gesellschaften tätig sei, an denen der Minderjährige beteiligt sei, erfordere ohne konkreten Anlass nicht die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft. Eine konkrete Konfliktlage oder ein Interessengegensatz im Einzelfall und eine sich daraus ergebende Gefährdung der Vermögensinteressen des L.K. seien nicht aufgezeigt worden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Vater des Minderjährigen bei der Ausübung seiner Ämter und bei der Wahrnehmung seiner Gesellschaftsrechte zugleich im Interesse seines Sohnes handle.
2. Diese Ausführungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Nach Satz 2 dieser Vorschrift erhält er zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, insbesondere dann einen Pfleger, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen. Die Voraussetzungen des § 1909 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB sind hier nicht erfüllt.
Die vom Großvater des Minderjährigen getroffene Bestimmung, dessen Mutter solle das von ihm ererbte Vermögen nicht verwalten, bewirkt nach § 1638 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass sich die Sorge der Mutter nicht auf dieses Vermögen erstreckt. Dies führt nach § 1638 Abs. 3 BGB bei – wie hier – gemeinsamer Sorge dazu, dass nunmehr dem anderen Elternteil die Sorge für das vom Minderjährigen ererbte Vermögen und damit auch insoweit die Vertretung des Minderjährigen allein obliegt. Für eine Pflegerbestellung wäre deshalb nur Raum, wenn auch der Vater die Vermögenssorge für den Minderjährigen in Ansehung des ererbten Vermögens nicht wahrnehmen könnte und deshalb, wie von § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzt, beide Elternteile insoweit an der Ausübung der Vermögenssorge gehindert sind. Das ist indes nicht der Fall.
a) Der Vater ist durch § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2 i. V. m. § 181 BGB an der Ausübung der Sorge im Hinblick auf das von dem Minderjährigen ererbte Vermögen rechtlich nicht gehindert.
aa) Der Umstand, dass der Vater gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen und zugleich Testamentsvollstrecker über das von diesem ererbte Vermögen ist, begründet eine solche Verhinderung nicht. § 181 BGB setzt voraus, dass ein – hier: gesetzlicher – Vertreter im Namen des Vertretenen Geschäfte mit sich selbst vornimmt, die nicht allein der Erfüllung einer Verbindlichkeit dienen. Das dem Vater übertragene Amt als Testamentsvollstrecker über den von dem Minderjährigen ererbten Nachlass verlangt – für sich genommen – solche Geschäfte weder notwendig noch regelmäßig. Als Testamentsvollstrecker hat der Vater den Nachlass abzuwickeln, also insbesondere Nachlass- und Erblasserschulden – z. B. auch die Vermächtnisansprüche der Mutter des Minderjährigen sowie die ihres Bruders – zu erfüllen; außerdem hat er den Nachlass – hier bis zum 35. Lebensjahr des Erben – zu verwalten. Weder die Regulierung der Nachlassverbindlichkeiten noch die Verwaltung des Nachlasses erfordern notwendig und vorhersehbar Rechtsgeschäfte des Testamentsvollstreckers mit dem Erben, die für den Erben abzuschließen dem Vater als dessen gesetzlichem Vertreter nach § 181 BGB verwehrt wäre.
bb) Auch die Stellung des Vaters als Kommanditist der Baugesellschaften mbH & Co KG sowie als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaften mbH begründen keine rechtliche Verhinderung des Vaters an der gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen mit der Folge der Bestellung eines Ergänzungspflegers (nach § 1909 Abs. 1, § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2 i. V. m. § 181 BGB). Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Rechte des Minderjährigen aus seinen vom Großvater ererbten Gesellschaftsbeteiligungen von seinem Vater nicht als dessen gesetzlicher Vertreter, sondern – aufgrund der vom Großvater für die Zeit bis zum 35. Lebensjahr des Minderjährigen angeordneten Testamentsvollstreckung – als Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden. Damit steht bei Wahrnehmung der Gesellschaftsangelegenheiten der Vater als Mitgesellschafter und Geschäftsführer sich selbst als Testamentsvollstrecker gegenüber. Dies mag bei etwaigen dem § 181 BGB unterfallenden Interessenkollisionen (zur eingeschränkten Anwendbarkeit des § 181 BGB auf Gesellschafterbeschlüsse über die Geschäftsführung bei OHG und GmbH vgl. etwa BGHZ 65, 93; MünchKomm/Edenhofer BGB 5. Aufl. § 181 Rdn. 19 f. m.w.N.) möglicherweise zu erbrechtlichen Konsequenzen, etwa zu einer Abberufung des Vaters als Testamentsvollstrecker (vgl. § 2227 BGB), führen; die Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Minderjährigen rechtfertigen solche Interessenkollisionen indes schon deshalb nicht, weil die damit begründete gesetzliche Vertretungsmacht des Pflegers nichts daran ändern würde, dass der Minderjährige als Erbe und Mitgesellschafter – ebenso wie ein für ihn bestellter Ergänzungspfleger – durch die fortbestehende Testamentsvollstreckung beschränkt ist und bleibt.
b) Eine – die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigende – Verhinderung des Vaters an der Sorge für das von dem Minderjährigen ererbte Vermögen würde sich allerdings dann ergeben, wenn dem Vater die Sorge nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 1796 Abs. 1 BGB entzogen würde. Ob eine solche Entziehung in dem – vom Oberlandesgericht aufgehobenen – Beschluss des Rechtspflegers beim Amtsgericht über die Anordnung der Pflegschaft und die Bestellung eines Pflegers konkludent enthalten war (vgl. § 1630 Abs. 1 BGB), kann hier dahinstehen. Das Oberlandesgericht hat die Voraussetzungen für eine Entziehung des Sorgerechts jedenfalls in nicht zu beanstandender Weise verneint.
Nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 1796 Abs. 2 BGB soll einem Elternteil das Sorgerecht nur entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes zum Interesse des Elternteils als gesetzlichem Vertreter in erheblichem Gegensatz steht. Ein solcher Gegensatz kann – wie dargelegt – hier nicht in der Stellung des Vaters als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Bauunternehmen, an denen der Minderjährige beteiligt ist, und in seiner gleichzeitigen Funktion als gesetzlicher Vertreter gesehen werden. Denn die Gesellschaftsbeteiligungen des Minderjährigen unterliegen nicht den sorgerechtlichen Befugnissen des Vaters als gesetzlichem Vertreter, sondern seiner Verwaltungsmacht als Testamentsvollstrecker. Einem etwaigen Interessenkonflikt in der Person des Vaters könnte deshalb auch nicht dadurch abgeholfen werden, dass dem Vater die Vermögenssorge für die von dem Minderjährigen ererbten Gesellschaftsanteile entzogen und auf einen Pfleger übertragen würde; denn an der fortbestehenden Testamentsvollstreckung des Vaters über die Gesellschaftsbeteiligungen änderte sich dadurch nichts.
Ein für § 1629 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 1796 Abs. 2 BGB erheblicher Interessengegensatz könnte deshalb nur in dem Umstand gefunden werden, dass der Vater, der in Ansehung des von dem Minderjährigen ererbten Vermögens dessen alleiniger gesetzlicher Vertreter ist, dieses Vermögen zugleich als Testamentsvollstrecker verwaltet. In der Tat werden in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 1796 Abs. 2 BGB generell bejaht, wenn der gesetzliche Vertreter eines Erben zugleich als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Der Testamentsvollstrecker habe gegenüber dem Erben die in §§ 2215 bis 2217 BGB bestimmten Pflichten und könne ihm unter den Voraussetzungen des § 2219 BGB schadensersatzpflichtig werden. Der sich daraus ergebende Interessengegensatz sei so erheblich, dass er die Wahrnehmung der Aufgaben der beiden Ämter durch ein und dieselbe Person ausschließe (Bay-ObLG Rpfleger 1977, 440; OLG Schleswig OLGR 2007, 442; OLG Zweibrücken Rpfleger 2004, 162; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 272; OLG Hamm FamRZ 1993, 1122, 1123).
Der Senat vermag sich einer solchen generalisierenden Betrachtungsweise nicht anzuschließen. § 1796 BGB setzt – anders als § 1795 BGB – einen sich aus dem Einzelfall ergebenden Interessenwiderstreit voraus. Dabei wird nicht verkannt, dass ein „typischer“ Interessengegensatz im Regelfall die Annahme rechtfertigen wird, dass es auch im Einzelfall zu Konfliktsituationen kommen kann, denen durch die Bestellung eines Pflegers rechtzeitig vorgebeugt werden soll. Diese Risikogeneigtheit eines „typischen“ Interessengegensatzes führt indes nicht zwangsläufig zur Anordnung einer Pflegschaft. Vielmehr liegt es auch hier im Rahmen tatrichterlicher Verantwortung, nach einer Abwägung aller Umstände zu entscheiden, ob eine vorbeugende Pflegschaftsanordnung geboten oder ein Zuwarten – auch im wohlverstandenen Interesse des Vertretenen – ratsam erscheint. Letzteres mag sich für den Tatrichter namentlich dann anbieten, wenn ein minderjähriger Erbe von seinem zugleich zum Testamentsvollstrecker berufenen Elternteil gesetzlich vertreten wird und wenn aufgrund der bisherigen Erfahrungen und des engen persönlichen Verhältnisses der Beteiligten keinerlei Anlass zu der Annahme besteht, der Vertreter werde – unbeschadet seiner eigenen Interessen – die Belange des Vertretenen nicht im gebotenen Maße wahren und fördern.
So liegen die Dinge hier. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, der Vater des minderjährigen L.K. werde bei der Ausübung seiner Ämter zugleich im Interesse seines Sohnes handeln. Diese Annahme hält sich – in Ansehung der Umstände des Falles und mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte – im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Beurteilung und ist deshalb rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
3. Das Oberlandesgericht hat somit die Entscheidung des Rechtspflegers beim Amtsgericht zu Recht aufgehoben. Für die Anordnung einer Pflegschaft zur „Wahrnehmung der Rechte aus den Gesellschaftsbeteiligungen des Minderjährigen“ war – wie dargelegt – von vornherein kein Raum, da diese Rechte nicht von dem Minderjährigen bzw. seinem gesetzlichen Vertreter wahrgenommen, sondern von dem Testamentsvollstrecker verwaltet werden und die Bestellung eines Pflegers für den Minderjährigen an der fortbestehenden Verwaltungszuständigkeit des Testamentsvollstreckers nichts zu ändern vermag. Für die Anordnung einer Pflegschaft zur „Wahrnehmung der Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker“ fehlt es nach der – insoweit maßgebenden – tatrichterlichen Beurteilung des Oberlandesgerichts an einem erheblichen Interessengegensatz im Einzelfall.
BGH, Beschluss vom 05.03.2008
XII ZB 2/07
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 21.12.2006, 5 UF 190/06
AG Kaiserslautern, Entscheidung vom 04.10.2006, 7 F 991/06