BGH: Wechselmodell und der Ausgleich des Kindergeldes

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 21. Januar 2015 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht Schleswig vom 17. März 2014 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 558 € nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2013 zu zahlen.

Die Antragsgegnerin wird weiter verpflichtet, an den Antragsteller ab August 2013 monatlich jeweils

– ein Viertel des gesetzlichen Kindergelds für ein erstes Kind für das Kind M. , geboren am 20. Dezember 2000, mithin monatlich 46 € für den Zeitraum August 2013 bis Dezember 2015 und monatlich 47,50 € für den Zeitraum ab Januar 2016,

– ein Viertel des gesetzlichen Kindergelds für ein zweites Kind für das Kind N. , geboren am 8. Juni 2003, mithin monatlich 46 € für den Zeitraum August 2013 bis Dezember 2015 und monatlich 47,50 € für den Zeitraum ab Januar 2016,

– ein Viertel des gesetzlichen Kindergelds für ein drittes Kind für das Kind R. , geboren am 16. März 2005, mithin monatlich 47,50 € für den Zeitraum August 2013 bis Dezember 2015 und monatlich 49 € für den Zeitraum ab Januar 2016

zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten aller Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder M. (geboren im Dezember 2000), N. (geboren im Juni 2003) und R. (geboren im März 2005) hervorgegangen. Die Kinder halten sich im wöchentlichen Wechsel im jeweiligen Haushalt des einen und des anderen Beteiligten auf. Es besteht auch im Übrigen Einigkeit darüber, dass die Beteiligten ihre Kinder paritätisch und somit in einem Wechselmodell betreuen. Keiner der Beteiligten leistet aufgrund seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern bislang Zahlungen an den anderen Teil. Die im öffentlichen Dienst beschäftigte Antragsgegnerin bezieht das gesetzliche Kindergeld für alle drei Kinder.

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin in dem vorliegenden Verfahren auf Auskehrung des hälftigen Kindergelds für den Zeitraum ab April 2013 in Anspruch. Die Antragsgegnerin ist dem Anspruch unter anderem mit der Begründung entgegengetreten, dass sie in diesem Zeitraum die erforderlichen Aufwendungen insbesondere für Bekleidung, Schulutensilien, Mobilität und Versicherungen für die drei Kinder allein getragen habe und eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung dieser Leistungen insoweit noch ausstehe. Hilfsweise hat sie wegen dieser Aufwendungen die Aufrechnung mit Gegenforderungen in einer Gesamthöhe von 4.431,92 € erklärt. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß dazu verpflichtet, für den Zeitraum ab August 2013 laufend das hälftige Kindergeld für die Kinder M. und N. in monatlicher Höhe von 92 € und für das Kind R. in Höhe von 95 € sowie für den Zeitraum von April bis Juli 2013 einen Rückstandsbetrag in Höhe von 1.116 € nebst Zinsen an den Antragsteller zu zahlen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin eine Abweisung der Zahlungsanträge erstrebt.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, die in FamRZ 2015, 965 veröffentlicht ist, im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Da der Antragsteller die gemeinsamen Kinder hälftig betreue und auch Baraufwendungen durch die Unterhaltung der Kinder jedenfalls im Hinblick auf Wohn- und Verpflegungskosten habe, stehe ihm intern die Hälfte des Kindergelds zu, welches entgegen § 1612 b BGB allein der Antragsgegnerin zugeflossen sei. Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers auf hälftigen Ausgleich des von der Antragsgegnerin bereits empfangenen und künftig zu beziehenden Kindergelds komme ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch in Betracht, mit dem nicht nur erbrachte Unterhaltsleistungen, sondern auch vorweggenommene staatliche Sozialleistungen ausgeglichen werden könnten. Es bestünden keine Bedenken dagegen, den Anspruch auf Kindergeldausgleich isoliert ohne gleichzeitige Abrechnung des Gesamtunterhalts geltend zu machen. Zwar sei ein Gesamtausgleich einschließlich des Kindergelds praktisch und sinnvoll. Solange aber ein Gesamtausgleich und eine damit einhergehende unterhaltsrechtliche Abrechnung des Kindergelds von beiden Elternteilen nicht geltend gemacht werde, müsse eine isolierte Durchsetzung möglich sein, weil sonst eine unnötige Erweiterung des Verfahrens drohe. Dem stehe auch der Gedanke des § 1612 b BGB nicht entgegen. Im Normalfall, in dem der das Kindergeld beziehende Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung erfülle und der andere barunterhaltspflichtig sei, stelle sich die Frage nach dem Kindergeldausgleich nicht, weil das Kindergeld hälftig auf die Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils angerechnet werde. Es gebe aber auch in dieser Konstellation Ausnahmefälle, wie beispielsweise bei einem Obhutswechsel des Kindes, in denen ein Ausgleich des Kindergelds zu erfolgen habe. Dies sei auch zulässig, weil das Kindergeld nicht Teil des Kindesunterhalts sei und daher keinen bloß unselbständigen Rechnungsposten in einer möglichen Gesamtabrechnung darstelle. Die isolierte Geltendmachung führe zudem nicht zu einem unbilligen Ergebnis, denn wenn der andere Elternteil im Anschluss an den isolierten Kindergeldausgleich noch einen unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleich geltend

machen wolle, könne und müsse die Entscheidung zum isolierten Kindergeldausgleich in der dortigen Abrechnung berücksichtigt und das Kindergeld bei beiden Elternteilen hälftig als empfangene Leistung in die Abrechnung eingestellt werden. Die Hilfsaufrechnung der Antragsgegnerin mit behaupteten monatlichen Mehraufwendungen greife nicht durch, weil mangels Vortrags zu den Einkünften der Antragsgegnerin nicht dargetan sei, in welchem Verhältnis die Kindeseltern zum Barunterhalt der Kinder beizutragen hätten. Schon aus diesem Grund könne von etwaigen Mehraufwendungen im Verhältnis zum Antragsteller, der nach den vorgelegten Einkommensunterlagen nur knapp über dem notwendigen Selbstbehalt liegen dürfte, nicht auf eine Berechtigung geschlossen werden, das volle Kindergeld nach eigenem Belieben einzusetzen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht allerdings erkannt, dass sich ein etwaiger Anspruch des Antragstellers auf Ausgleich des hälftigen Kindergelds nicht wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint auf § 430 BGB stützen kann.

Ein Anspruch nach § 430 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn der Tatbestand einer Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB vorliegt, mithin mehrere Personen eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist. Ein solcherart ausgestaltetes Forderungsrecht beider kindergeldberechtigter Elternteile gegenüber der Familienkasse besteht nicht. Das auf der Grundlage des Einkommensteuergesetzes gewährte staatliche Kindergeld wird gemäß §§ 31 Satz 3, 62 ff. EStG als vorweggenommene Steuervergütung an die Eltern gezahlt. Auch wenn beide Elternteile jeder für sich genommen – die Voraussetzungen der §§ 62 f. EStG für die Gewährung von Kindergeld erfüllen, wird nach § 64 Abs. 1 EStG nur an einen der beiden Anspruchsberechtigten die Auszahlung des (gesamten) Kindergelds vorgenommen. § 64 Abs. 2 EStG enthält Bestimmungen dazu, welcher der beiden Berechtigten das Kindergeld bekommt. Ist das Kind überwiegend im Haushalt eines Berechtigten aufgenommen und hat es dort seinen Lebensmittelpunkt, erhält dieser Berechtigte nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG das Kindergeld. Ist das Kind in einen gemeinsamen Haushalt aufgenommen, bestimmen die Berechtigten nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander, wer das Kindergeld erhält; können sie sich nicht einigen, trifft das Familiengericht eine für die Familienkasse bindende Entscheidung (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG). § 64 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG sind entsprechend anwendbar, wenn das Kind wie bei einem Wechselmodell in den getrennten Haushalten beider Berechtigter nahezu gleichwertig aufgenommen worden ist (vgl. BFH Beschluss vom 15. Januar 2014 V B 31/13 juris Rn. 4 und FamRZ 2005, 1173, 1174). Kindergeld kann daher bei konkurrierenden Berechtigungen nur derjenige Elternteil beziehen, der nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 64 Abs. 2 EStG hierzu berufen ist; dies schließt die Annahme einer Gesamtgläubigerschaft der Eltern gegenüber der Familienkasse aus (vgl. bereits Senatsurteil vom 11. Mai 1988 IVb ZR 89/87 FamRZ 1988, 834 zu § 3 BKGG 1964).

b) Ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass sich ein Anspruch des Antragstellers auf Auskehrung des hälftigen Kindergelds aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs ergeben kann.

aa) Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich für solche Fälle anerkannt, in denen ein Elternteil für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufgekommen ist und dadurch dessen Unterhaltsanspruch erfüllt hat, obwohl (auch) der andere Elternteil ganz oder teilweise unterhaltspflichtig war. Der Anspruch beruht auf der Unterhaltspflicht beider Eltern gegenüber ihrem Kind und ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Unterhaltslast im Verhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen (vgl. Senatsurteile vom 25. Mai 1994 XII ZR 78/93 FamRZ 1994, 1102, 1103 mwN und vom 26. April 1989 IVb ZR 42/88 FamRZ 1989, 850, 851).

bb) Der Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergelds ist ein Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs (Senatsurteile BGHZ 150, 12, 29 = FamRZ 2002, 536, 541 und vom 16. April 1997 XII ZR 233/95 FamRZ 1997, 806, 809; vgl. bereits Senatsurteil vom 11. Mai 1988 IVb ZR 89/87 FamRZ 1988, 834), obwohl in diesem Fall nicht geleisteter Unterhalt, sondern eine vorweggenommene Steuervergütung bzw. eine staatliche Sozialleistung im Rahmen des Familienlastenausgleichs ausgeglichen werden soll. Über den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch können auch solche staatlichen Leistungen ausgeglichen werden, die beiden Eltern zur Erleichterung des Kindesunterhalts zugutekommen sollen, aber nur einem Elternteil tatsächlich zugeflossen sind (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 770). Ein diesbezüglicher familienrechtlicher Ausgleichsanspruch wegen des staatlichen Kindergelds wird freilich nur in seltenen Fällen in Betracht kommen, weil die in § 1612 b Abs. 1 BGB geregelte bedarfsmindernde Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhalt einen besonderen Ausgleich zwischen den Eltern regelmäßig entbehrlich macht. Auch bei der Praktizierung eines Wechselmodells wird das von einem Elternteil bezogene staatliche Kindergeld meistens im Rahmen des unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleichs zwischen den Elternteilen angerechnet oder verrechnet werden können.

Dies ändert jedoch nichts daran, dass es bei dem Anspruch auf Familienlastenausgleich um ein eigenes Recht des jeweiligen Elternteils geht, der den anderen Elternteil auch unmittelbar auf Auszahlung des gegebenenfalls anteiligen Kindergelds in Anspruch nehmen kann (vgl. Senatsurteile BGHZ 150, 12, 29 = FamRZ 2002, 536, 541 und vom 16. April 1997 XII ZR 233/95 FamRZ 1997, 806, 809). Ein unbedingter und in jeder denkbaren Fallgestaltung zu wahrender Vorrang einer möglichen unterhaltsrechtlichen Abwicklung des Kindergeldausgleichs besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht (vgl. bereits Senatsurteil vom 11. Mai 1988 IVb ZR 89/87 FamRZ 1988, 834). Es gibt deshalb auch keinen ausreichenden Grund, den Eltern beim Vorliegen eines Wechselmodells in jedem Einzelfall eine von ihnen möglicherweise gar nicht gewünschte unterhaltsrechtliche Gesamtabrechnung unter Einschluss des Kindergeldausgleichs aufzuzwingen; es ist vielmehr nicht von vornherein ausgeschlossen, einen Anspruch auf Auskehrung des Kindergelds selbständig geltend zu machen, wenn und solange es an einem unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleich zwischen den unterhaltspflichtigen Eltern fehlt (zu weiteren möglichen Anwendungsfällen für einen gesonderten Kindergeldausgleich vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 781).

c) Die hier obwaltenden Umstände rechtfertigen es allerdings entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht, die Hälfte des gesetzlichen Kindergelds für die drei gemeinsamen minderjährigen Kinder an den Antragsteller auszukehren.

aa) Der Senat hat bereits mehrfach ausgeführt, dass bei einem strengen Wechselmodell beide Elternteile für den Barunterhaltsdarf des Kindes einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2014 XII ZB 599/13 FamRZ 2015, 536 Rn. 18 und vom 12. März 2014 XII ZB 234/13 FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Hierzu können neben den Fahrtkosten insbesondere erhöhte Unterkunftskosten gehören, weil der im Tabellenbetrag enthaltene und in einigen unterhaltsrechtlichen Leitlinien (z.B. Ziff. 21.5.2. der Süddeutschen Leitlinien) mit 20 % des Barunterhaltsanspruchs angesetzte Anteil für die Deckung des Wohnbedarfs des Kindes möglicherweise nicht auskömmlich ist, um die Kosten für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern in den Wohnungen der beiden Elternteile vollständig abzubilden (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 449).

Für den so ermittelten Bedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) haben die Eltern anteilig aufzukommen, wobei auf den Verteilungsmaßstab der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurück-zugreifen ist. Weil zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Eltern beim Wechselmodell einen Teil des Unterhalts in Natur decken (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2014 XII ZB 234/13 FamRZ 2014, 917 Rn. 29 und Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 XII ZR 126/03 FamRZ 2006, 1015, 1017), findet ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern typischerweise nur in Form einer den Tabellenunterhalt nicht erreichenden Ausgleichszahlung statt (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 449).

bb) Umstritten ist beim Vorliegen eines Wechselmodells die Aufteilung des gesetzlichen Kindergelds zwischen den Elternteilen.

(1) Hierzu werden im Wesentlichen die folgenden Auffassungen vertreten (vgl. zur Darstellung des Streitstandes auch Wohlgemuth FamRZ 2015, 808 f. mit Berechnungsbeispielen):

Mit dem Beschwerdegericht geht eine Auffassung davon aus, dass das Kindergeld getrennt von der übrigen unterhaltsrechtlichen Gesamtabrechnung in Ansatz zu bringen und jedem Elternteil ohne Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse zur Hälfte gutzubringen sei (OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 567, 569; Poppen in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 3. Aufl. § 1612 b BGB Rn. 11; Wohlgemuth FamRZ 2015, 808, 809 und FamRZ 2014, 84, 85; Ehinger in Ehinger/Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht 7. Aufl. Kap. A Rn. 269; vgl. auch Thesen des Arbeitskreises 15 des 20. Deutschen Familiengerichtstages, Brühler Schriften zum Familienrecht S. 136).

Nach einer anderen Auffassung kann der gesamte Kindergeldausgleich zwar ebenfalls außerhalb einer unterhaltsrechtlichen Gesamtabrechnung vorgenommen werden, allerdings nach dem Maßstab des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB, so dass jedem Elternteil derjenige Anteil am Kindergeld zugerechnet wird, welcher der aus seinen Einkommensverhältnissen hergeleiteten prozentualen Beteiligung am Unterhalt entspricht (Schürmann in Sünderhauf u.a. Vom starren Residenzmodell zum individuellen Wechselmodell Schriftenreihe des ISUV Band 7 S. 53, 60).

Nach einer weiteren Meinung soll grundsätzlich die Hälfte des Kindergelds bedarfsmindernd bei der Berechnung des Barunterhalts berücksichtigt und dadurch bewirkt werden, dass der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergelds nach der einkommensabhängigen Beteiligungsquote der Eltern am Barunterhalt und der auf die Betreuung entfallende Anteil des Kindergelds hälftig zwischen den Eltern ausgeglichen wird (vgl. OLG Dresden FamRZ 2016, 470, 472 f.; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 450; FA-FamR/Seiler 10. Aufl. Kap. 6 Rn. 352 f.; Bausch/Gutdeutsch/Seiler FamRZ 2012, 258, 259; Finke FamFR 2013, 488; Knittel JAmt 2014, 289, 290).

(2) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.

(a) Nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, wenn ein Elternteil im Sinne von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt. In allen anderen Fällen erfolgt die Anrechnung des Kindergelds gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB in voller Höhe auf den Barbedarf. Die Anrechnungsregel des § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf Fälle getrennt lebender Eltern zugeschnitten, in denen (nur) einer der beiden Elternteile das minderjährige Kind betreut, während der andere zur Zahlung des Barunterhalts verpflichtet ist. Mit der Auffangvorschrift des § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs hingegen solche Fälle in den Blick nehmen, in denen das Kind entweder wegen Volljährigkeit einer Betreuung nicht mehr bedarf oder die Betreuung eines minderjährigen Kindes (etwa bei Fremdunterbringung) nicht wenigstens durch einen der beiden Elternteile erfolgt und deshalb von ihnen nur Barunterhalt zu leisten ist (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 30; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 XII ZB 258/13 FamRZ 2014, 1138 Rn. 37).

Keine dieser beiden Konstellationen, die der Gesetzgeber den beiden Anrechnungsregeln des § 1612 b Abs. 1 BGB zugrunde gelegt hat, liegt bei einem Wechselmodell vor. Indessen beruht die gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB vorgesehene Halbanrechnung des Kindergelds auf der grundlegenden gesetzgeberischen Erwägung, dass betreuende Elternteile mit der anderen Hälfte des Kindergelds bei der Erbringung ihrer Betreuungsleistungen unterstützt werden sollen (BT-Drucks. 16/1830 S. 30; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 XII ZB 258/13 FamRZ 2014, 1138 Rn. 38). Dieser Zweck wird, was letztlich auch das Beschwerdegericht nicht anders sieht, bei der gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile im Rahmen eines Wechselmodells nicht verfehlt. Eine Vollanrechnung des gesetzlichen Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf würde zudem dazu führen, dass der Kindergeldausgleich im Hinblick auf die im Wechselmodell gleichwertig erbrachten Be treuungsleistungen zu Gunsten des besserverdienenden Elternteils verzerrt würde (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 450; Bausch/Gutdeutsch/Seiler FamRZ 2012, 258, 259; FAKomm-FamR/Müting 5. Aufl. § 1606 BGB Rn. 34a; Finke FamFR 2013, 488; Wohlgemuth FPR 2013, 157; Knittel JAmt 2014, 289, 290).

(b) Die Anrechnung des staatlichen Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach Maßgabe des § 1612 b Abs. 1 BGB ist auch bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht im Wechselmodell zwingend. Wie sich bereits aus seinem Wortlaut ergibt („in allen anderen Fällen“), liegt dem Gesetz die Konzeption zugrunde, dass das gezahlte Kindergeld stets je nach Sachverhaltsgestaltung entweder zur Hälfte oder vollständig zweckgebunden als Einkommen des Kindes zu behandeln ist und deshalb ein bedarfsmindernder Vorwegabzug des Kindergelds vom Barunterhalt stattzufinden hat (vgl. insoweit bereits Senatsurteil BGHZ 164, 375, 382 ff. = FamRZ 2006, 99, 101 ff.). Eine Kindergeldverteilung, die sich wie die vom Beschwerdegericht für richtig befundene einkommensunabhängige Halbteilung zwischen den Elternteilen von jeder Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes löst, lässt sich mit dem Gesetz insoweit nicht in Einklang bringen.

Etwas anderes kann auch nicht aus § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Diese Regelung betrifft den Fall des sogenannten Residenzmodells und der damit verbundenen herkömmlichen Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung. Die im Rahmen eines Wechselmodells geleistete Kinderbetreuung kann demgegenüber für keinen Elternteil zur Befreiung von der Barunterhaltspflicht führen; dies muss schon deshalb gelten, weil anderenfalls beide Elternteile vom Barunterhalt befreit wären, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ist deshalb beim Wechselmodell generell unanwendbar (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 XII ZB 599/13 FamRZ 2015, 236 Rn. 17). Die Vorschrift beruht auf der grundsätzlichen Annahme, dass die Eltern die ihnen ursprünglich gemeinsam obliegende Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt einerseits und Betreuungsunterhalt andererseits funktional vollständig zwischen sich aufgeteilt haben. Ausschließlich für diesen Fall ist die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Unterhaltsleistungen fingiert worden, so dass sich der Vorschrift kein Rechtsgedanke dahingehend entnehmen lässt, die von den Eltern erbrachten Unterhaltsleistungen müssten auch dann in jeder Hinsicht als gleichwertig angesehen werden, wenn es wie beim Wechselmodell an einer solchen vollständigen funktionalen Aufteilung fehlt. Als gleichwertig sind deshalb beim Wechselmodell ohne weiteres nur die von den Eltern erbrachten paritätischen Betreuungsleistungen anzusehen. Soweit es den von beiden Elternteilen geschuldeten Barunterhalt betrifft, verbleibt es bei dem Grundsatz des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB, dass die Eltern nach Maßgabe ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Unterhalt des Kindes beizutragen haben und ihre diesbezüglichen Beiträge daher auch unterschiedlich bewertet werden müssen.

(c) Die hälftige Anrechnung des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB hat beim Wechselmodell zur notwendigen Folge, dass der besser verdienende Elternteil durch das Kindergeld in einem größerem Umfang entlastet wird. Ist der schlechter verdienende Elternteil unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergelds infolge der Anrechnung allein dem leistungsfähigen Elternteil zu Gute. Dem kann auch nicht ohne weiteres entgegengehalten werden, dass beim Wechselmodell auch der leistungsunfähige Elternteil worauf das Beschwerdegericht hingewiesen hat in der Zeit, in der sich das Kind in seinem Haushalt aufhält, jedenfalls durch Wohnungsgewährung und Verpflegung Naturalunterhaltsleistungen erbringt. Denn Wohnungsgewährung und Verpflegung, die dem Kind beim Wechselmodell durch einen Elternteil erbracht werden, erfassen nur einen (relativ) geringen Teil des im Übrigen allein vom leistungsfähigen Elternteil aufzubringenden sächlichen Gesamtbedarfs des Kindes. Es erscheint deshalb ebenfalls nicht angemessen, den in einem deutlich größeren Umfang zum Barunterhalt herangezogenen Elternteil wirtschaftlich lediglich durch die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld zu entlasten. Die sich daraus ergebenden Wertungskonflikte hat das Gesetz durch die Anrechnungsregel des § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB zugunsten des Elternteils aufgelöst, der sich aufgrund seines höheren Einkommens in größerem Umfang am Barunterhalt für das Kind beteiligen muss.

cc) Gemessen an den vorstehenden Ausführungen gilt für den hier verfahrensgegenständlichen Kindergeldausgleich das Folgende:

(1) Die auf den Barunterhalt entfallende Hälfte des Kindergelds ist nach dem Maßstab der elterlichen Einkommensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu verteilen. Verlangt der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil insoweit die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils, ist es grundsätzlich seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen. Eine solche Darlegung wird zudem in der Regel einen gesonderten Kindergeldausgleich entbehrlich machen, weil dann eine Gesamtabrechnung über den unterhaltsrechtlichen Ausgleich zwischen den Eltern unter An- und Verrechnung des an einen Elternteil gezahlten Kindergelds möglich ist. Ein Anspruch auf hälftige Auskehrung des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils wird beim Wechselmodell auch dann in Betracht kommen, wenn beide Elternteile nicht leistungsfähig sind.

Insoweit fehlt es an hinreichenden Feststellungen des Beschwerdegerichts. Der Antragsteller behauptet im Übrigen schon selbst nicht, dass er in gleichem Umfang wie die Antragsgegnerin zur Tragung des Barunterhalts für die Kinder verpflichtet wäre. Denn während er selbst vorträgt, aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit keine (nennenswert) über dem notwendigen Selbstbehalt liegenden Einkünfte zu erwirtschaften, geht er andererseits davon aus, dass die Antragsgegnerin bei Ausschöpfung ihrer Erwerbsmöglichkeiten und Ausweitung ihrer Tätigkeit bei der Post ein deutlich höheres Nettoeinkommen erzielen könne.

(2) Anders verhält es sich mit dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteil am Kindergeld. Dieser steht den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihren gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu.

Auch wenn ein Elternteil nur über Einkünfte unterhalb des notwendigen Selbstbehalts verfügt und sich deshalb an der Aufbringung des Barunterhalts nicht beteiligen muss, kann er von dem anderen Elternteil im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs jedenfalls die Auskehrung eines Viertels des Kindergelds nämlich die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld verlangen (vgl. Volker FuR 2013, 550, 554). Diesen Anspruch kann auch der Antragsteller geltend machen.

(3) Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht der Hilfsaufrechnung der Antragsgegnerin mit den von ihr geltend gemachten Eigenaufwendungen für den Bedarf der Kinder etwa Bekleidung, Schulutensilien oder Taschengeld den Erfolg versagt. Da es an Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen der Beteiligten gerade auch mangels Vortrags der Antragsgegnerin zu den eigenen Einkommensverhältnissen fehlt, lässt sich nicht beurteilen, in welchem Umfang die Antragsgegnerin ohnehin zur Tragung des Barbedarfs der Kinder verpflichtet gewesen wäre. Insoweit wäre es Sache der Antragsgegnerin gewesen, im Rahmen einer unterhaltsrechtlichen Gesamtabrechnung darzulegen, dass dem Antragssteller nach Anrechnung der von der Antragsgegnerin für die Kinder erbrachten Eigenleistungen auch unter Berücksichtigung des Betreuungsanteils des an die Antragsgegnerin gezahlten Kindergelds kein Ausgleichsanspruch mehr verbleibt.

d) Somit kann der Antragsteller im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs die Auskehrung eines Viertels des gesetzlichen Kindergelds für die Kinder an sich verlangen. Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt zwar der Schranke des § 1613 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2013 XII ZB 329/12 FamRZ 2014, 1138 Rn. 14 mwN), was auch für den Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gewährten Kindergelds gilt (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1988 IVb ZR 89/87 FamRZ 1988, 834 und vom 3. April 1996 XII ZR 86/95 FamRZ 1996, 725, 726). Die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB liegen entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde aber schon seit April 2013 vor, weil dem Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 11. April 2013 ein hinreichend deutliches Verlangen nach Auskehrung des hälftigen Kindergelds zu entnehmen ist.

BGH, Beschluss vom 20.04.2016
XII ZB 45/15

OLG Schleswig, Entscheidung vom 21.01.2015, 12 UF 69/14
AG Schleswig, Entscheidung vom 17.03.2014, 93 F 245/13

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