BVerfG: Anrechnung des Kindergeldes in der Einkommensteuer bei Mangelfällen

§ 31 Satz 5 und § 36 Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2552) sind mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit danach bei Steuerpflichtigen, deren Einkommen gemäß § 31 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes um die Freibeträge des § 32 Absatz 6 des Einkommensteuergesetzes gemindert wurde, die tarifliche Einkommensteuer auch in den Fällen um die Hälfte des gezahlten Kindergeldes zu erhöhen ist, in denen eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhalt nach § 1612b Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I S. 1479) ganz oder teilweise unterblieben ist.

Gründe:

A.

Die Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer des barunterhaltspflichtigen Elternteils um die Hälfte des gezahlten Kindergeldes im Veranlagungszeitraum 2001 in Fällen, in denen eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Kindesunterhalt nach § 1612b Abs. 5 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I S. 1479) ganz oder teilweise unterblieben ist, weil es vorrangig zur Auffüllung des Kindesunterhalts zu verwenden war (sog. Mangelfälle).

I.

1. Die mit dem Unterhalt und der Betreuung von Kindern verbundenen Belastungen der Eltern werden durch steuerliche Freibeträge und durch die Zahlung von Kindergeld ausgeglichen (zur Rechtsentwicklung vgl. BVerfGE 108, 52 <53 f.>). Für den hier zu betrachtenden Veranlagungszeitraum 2001 maßgeblich sind die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2552). Danach wird die steuerliche Freistellung in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das monatlich als Steuervergütung gezahlte Kindergeld bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Die Freibeträge werden nur dann vom Einkommen des Steuerpflichtigen abgezogen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung nicht bereits durch das monatlich gezahlte Kindergeld bewirkt wird („Günstigerprüfung“). Sind bei der Veranlagung die Freibeträge abzuziehen, wird das gezahlte Kindergeld der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet. Nicht steuerlich zusammenveranlagten Eltern stehen die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG jeweils zur Hälfte zu. Da das Kindergeld nur einem Berechtigten – wie im Ausgangsverfahren meist dem betreuungsunterhaltspflichtigen Elternteil – ausgezahlt wird (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG), steht für die steuerliche Hinzurechnung ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch dem Erhalt von Kindergeld gleich (§ 31 Satz 5 EStG).

Die für die Vorlagefrage bedeutsamen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes haben folgenden Wortlaut:

§ 31 Familienleistungsausgleich

Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Betreuungsbedarfs wird durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnitt bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt. Wird die gebotene steuerliche Freistellung durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt, sind bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 abzuziehen. In diesen Fällen sind das Kindergeld oder vergleichbare Leistungen nach § 36 Abs. 2 zu verrechnen, auch soweit sie dem Steuerpflichtigen im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zustehen. …

§ 36 Entstehung und Tilgung der Einkommensteuer

Wurde das Einkommen in den Fällen des § 31 um einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 vermindert, so wird im entsprechenden Umfang das gezahlte Kindergeld der Einkommensteuer hinzugerechnet; …

Soweit § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG eine § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG entsprechende Regelung enthält, kommt ihr selbständige Bedeutung nicht zu.

2. Gemäß § 1612a Abs. 1 BGB in der bis zum 1. Januar 2008 geltenden Ausgestaltung des Unterhaltsrechts kann ein minderjähriges Kind von einem Elternteil, mit dem es nicht in einem Haushalt lebt, Barunterhalt in Höhe eines Prozentsatzes des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung verlangen (vgl. dazu auch BVerfGE 108, 52 <56, 73 ff.>). Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Hälfte anzurechnen, wenn es nicht an den barunterhaltspflichtigen Elternteil ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist (§ 1612b Abs. 1 BGB). Damit trägt das Unterhaltsrecht dem Umstand Rechnung, dass das Kindergeld grundsätzlich dem Elternteil gezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Diese Regelung galt bereits vor Inkrafttreten der die Vorlage des Bundesfinanzhofs auslösenden Änderung des Unterhaltsrechts nicht ausnahmslos. Gemäß § 1612b Abs. 5 BGB a. F. unterblieb die Anrechnung des Kindergeldes, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande war, Unterhalt in Höhe des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Hierdurch sollte sichergestellt werden, dass der betreuende Elternteil mindestens über den Regelbetrag und seinen eigenen Kindergeldanteil verfügen kann, um den Lebensunterhalt des Kindes zu sichern. Der ausgleichsberechtigte Barunterhaltspflichtige sollte steuerrechtlich so behandelt werden, als habe er seinen halben Kindergeldanteil nach Absatz 1 zwar erhalten, aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung eingesetzt (vgl. BTDrucks 13/7338, S. 30). Mit der Begründung, dass die Regelbeträge nach der Regelbetrag-Verordnung hinter dem Existenzminimum von Kindern zurückblieben, wurde darauf verzichtet, den Regelbetrag als im Regelfall bedarfsgerechten Unterhalt zu definieren (vgl. BTDrucks 13/9596, S. 31).

Durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (BGBl I S. 1479) wurde § 1612b Abs. 5 BGB mit Wirkung zum 1. Januar 2001 dahin geändert, dass eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Die Regelung geht auf eine Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zurück (BTDrucks 14/3781, S. 4): In Ergänzung der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs durch das Gesetz zur Familienförderung seien die Alleinerziehenden auch unterhaltsrechtlich zu entlasten. Erst durch eine solche unterhaltsrechtliche Neuregelung könne sichergestellt werden, dass das Existenzminimum des Kindes nicht nur steuerrechtlich freigestellt werde, sondern auch Anknüpfungspunkt für die Verteilung und Verwendung des Kindergeldes werde. Eine Anrechnung des Kindergeldes habe zu unterbleiben, soweit der für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung stehende Betrag, also der tatsächlich geschuldete Unterhalt, hinter dem Barexistenzminimum des Kindes zurückbleibe. Der halbe Kindergeldanteil werde künftig nur angerechnet, soweit er zusammen mit dem tatsächlich geschuldeten Unterhalt das Barexistenzminimum übersteige. Diese Regelung erscheine im Interesse des Kindes sachgerecht. Der neue § 1612b Abs. 5 BGB führe auf diese Weise zu einer geänderten Verwendung des Kindergeldes unter Übernahme des Barexistenzminimums als maßgeblicher Grenze, ohne dass von der in § 1612b Abs. 1 BGB angeordneten Halbteilung des Kindergeldes abgewichen werde. Der Barunterhalt Leistende werde jedoch solange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, bis das Barexistenzminimum des Kindes gesichert sei. Unberührt bleibe hiervon das Erfordernis, in Mangelfällen auch den notwendigen Selbstbehalt des Barunterhaltsverpflichteten zu wahren. Der Entwurf verzichte darauf, das Barexistenzminimum des Kindes autonom zu definieren. Ein eingehender Abgleich der Entwicklung der Beträge des Existenzminimums einerseits sowie der Regelbeträge andererseits habe ergeben, dass die ohnehin beizubehaltenden Regelbeträge eine treffsichere Rechengrundlage abgäben und dass sich hiernach das Existenzminimum mit 135 Prozent des jeweiligen, nach Altersgruppen gestaffelten Regelbetrages darstellen lasse (vgl. BTDrucks 14/3781, S. 7 f.).

Im Jahr 2001 galt § 1612b BGB mit folgendem Wortlaut:

(1) Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Hälfte anzurechnen, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist.

(2) bis (4) …

(5) Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss des Ersten Senats vom 9. April 2003 – 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 – (BVerfGE 108, 52) die Vereinbarkeit von § 1612b Abs. 5 BGB mit dem Grundgesetz bestätigt.

II.

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist seit Dezember 2000 geschieden. Aus der geschiedenen Ehe sind zwei 1993 und 1997 geborene Kinder hervorgegangen, die im Haushalt der Mutter leben. Der Kläger hat sich in der Scheidungsvereinbarung verpflichtet, monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von jeweils 128 Prozent des jeweiligen Regelsatzes der Düsseldorfer Tabelle (nach Einkommensgruppe 5) abzüglich 50 Prozent des gesetzlichen Kindergeldes zu zahlen. Während er noch im Januar 2001 Unterhalt in Höhe von insgesamt 737 DM unter Berücksichtigung von 135 DM Kindergeld für jedes Kind zahlte, erbrachte er im weiteren Jahresverlauf erhöhte Zahlungen, weil das Kindergeld gemäß § 1612b Abs. 5 BGB in geringerem Umfang angerechnet wurde. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 gab der Kläger die Höhe des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs mit jeweils 1.317 DM (insgesamt 2.634 DM) an. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2001 bei einem zu versteuernden Einkommen von 64.553 DM (nach Abzug von zwei Kinderfreibeträgen und zwei Betreuungsfreibeträgen) gemäß der Grundtabelle auf 14.640 DM und unter Hinzurechnung der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes (insgesamt 3.240 DM) auf 17.880 DM fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage, mit der er im Wesentlichen geltend machte, als „gezahltes Kindergeld“ im Sinne des § 36 Abs. 2 EStG dürften nur die unter Berücksichtigung des § 1612b Abs. 5 BGB noch anrechenbaren Kindergeldbeträge in Höhe von insgesamt 2.635 DM angesetzt werden. Das Finanzgericht Münster verurteilte das Finanzamt zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides zugunsten des Klägers (Urteil vom 21. Mai 2003 – 10 K 38/03 E – EFG 2003, S. 1249): Gemäß § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG sei nicht die Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes, sondern nur Kindergeld in Höhe des bestehenden zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs zu verrechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Satz 5 EStG sei das Bestehen eines zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs in jedem Fall Voraussetzung für die Hinzurechnung des halben Kindergeldes, wenn dieses – wie im Streitfall – nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an den anderen Elternteil ausgezahlt worden sei. Dem Kläger habe im Streitfall nur ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch in Höhe von insgesamt 2.635 DM zugestanden. Nach § 1612b Abs. 5 BGB n.F. unterbleibe eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Kindesunterhalt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande sei, 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Der Kläger sei nur zur Zahlung von 128 Prozent des Regelbetrages verpflichtet. Da nach dem Wortlaut des § 31 Satz 5 EStG („zustehen“) aber nur ein bestehender Ausgleichsanspruch dem Kindergeld gleichgestellt sei, habe die Hinzurechnung des Kindergeldes zwingend zu unterbleiben, soweit der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht um das anteilige Kindergeld gekürzt werden dürfe.

2. Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hat das Verfahren über die vom Finanzamt eingelegte Revision ausgesetzt und die Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Vereinbarkeit von § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 6 GG, mit dem Grundsatz der Steuerfreiheit des Existenzminimums aus Art. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG sowie mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vorgelegt (Beschluss vom 30. November 2004 – VIII R 51/03 -, BStBl II 2008, S. 795 = BFHE 207, 471).

Der Senat müsse nach Maßgabe der einfachrechtlichen Bestimmungen das angefochtene Urteil aufheben und die Klage abweisen. Der Abzug der Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG bewirke für den Kläger eine höhere steuerliche Entlastung als das halbe Kindergeld. Die dem Kläger zurechenbare Hälfte des gemäß § 64 EStG an die Mutter gezahlten Kindergeldes (3.240 DM) sei gemäß § 31 Satz 5 in Verbindung mit § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG seiner tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger wegen § 1612b Abs. 5 BGB nur einen Teil des ihm zurechenbaren Kindergeldes (2.635 DM) auf den Unterhaltsanspruch seiner Kinder habe anrechnen können. Auch soweit eine Anrechnung gemäß § 1612b Abs. 5 BGB ausgeschlossen sei, ändere das nichts daran, dass gemäß § 1612b Abs. 1 BGB dem barunterhaltspflichtigen Elternteil ein Ausgleichsanspruch in Höhe des halben Kindergeldes zustehe. § 1612b Abs. 5 BGB stelle den zum Barunterhalt Verpflichteten so, als habe er das halbe Kindergeld zwar erhalten, aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht eingesetzt.

Eine einschränkende Auslegung von § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG dahingehend, dass das Kindergeld nur in Höhe des tatsächlich auf den Kindesunterhalt angerechneten Betrages der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen sei, komme nicht in Betracht. Dem stünden der Wille des Gesetzgebers und der eindeutige Wortlaut des § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG entgegen, wonach sich der Umfang der Hinzurechnung des Kindergeldes nach der Inanspruchnahme des Kinderfreibetrages richte. Dies entspreche dem Halbteilungsgrundsatz, wonach die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG wie auch das Kindergeld beiden Elternteilen, auch wenn sie nicht gemeinsam veranlagt werden, zugute kommen müsse. Eine reduzierte Hinzurechnung, wie sie das Finanzgericht befürworte, führe – bezogen auf beide Elternteile – zu einer kumulativen Begünstigung, die mit § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG gerade ausgeschlossen werden solle. Sie hätte in den Fällen des § 1612b Abs. 5 BGB zur Folge, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern im Ergebnis ein „höheres Existenzminimum“ von der Besteuerung freigestellt würde als bei zusammenveranlagten Eltern.

§ 31 Satz 5 in Verbindung mit § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG verstoße aber insoweit gegen das Grundgesetz, als bei der Veranlagung eines Steuerpflichtigen, dessen Einkommen um die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu mindern ist, der Ausgleichsanspruch in Höhe des halben Kindergeldes auch dann der Einkommensteuer hinzuzurechnen ist, wenn der Steuerpflichtige seine Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht in vollem Umfang mit dem Ausgleichsanspruch (§ 1612b Abs. 1 BGB) verrechnen dürfe, weil er nicht in der Lage ist, Unterhalt in Höhe von 135  Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Hinzurechnung des halben Kindergeldes zur tariflichen Einkommensteuer bewirke, dass im wirtschaftlichen Ergebnis nicht einmal die tatsächlichen – die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden – Unterhaltszahlungen des Steuerpflichtigen von der Einkommensteuer freigestellt seien.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 99, 246 <259>) fordere das Grundgesetz, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werde. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folge, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete in seiner Ausprägung als „horizontale Steuergleichheit“, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern.

Zwar wäre das subjektive Nettoprinzip bei einem Elternteil, dessen Unterhaltsleistungen gegenüber dem Kind sich in den gerichtlich oder vertraglich festgelegten laufenden Unterhaltszahlungen erschöpften, wohl auch durch eine Regelung gewahrt, die eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht in Höhe der Freibeträge, sondern nur in Höhe der (niedrigeren) tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen vorsehe, es widerspreche aber dem Gebot der Folgerichtigkeit, einem zum Barunterhalt verpflichteten Steuerpflichtigen, dem die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zustünden, die dadurch bewirkte steuerliche Entlastung seines Einkommens ganz oder teilweise wieder zu nehmen, indem seine tarifliche Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 5 EStG um den Ausgleichsanspruch des § 1612b Abs. 1 BGB erhöht werde, obwohl ihm dieser Anspruch nicht oder nur teilweise zugute gekommen sei. Zumindest müsse durch den einkommensteuerlichen Familienleistungsausgleich sichergestellt sein, dass die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für den Unterhalt seines Kindes, auch wenn sie die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschritten, im Ergebnis von der Einkommensteuer freigestellt seien. Dem werde die Regelung des § 31 Satz 5 EStG seit dem Inkrafttreten des § 1612b Abs. 5 BGB bei einer erheblichen Anzahl von Fällen nicht mehr gerecht. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge in den Fällen des § 1612b Abs. 5 BGB durch die in § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 EStG angeordnete Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um das halbe Kindergeld teilweise wieder genommen werde. Das Einkommen des Unterhaltsverpflichteten erhöhe sich nicht dadurch, dass § 1612b Abs. 5 BGB die Verwendung des Ausgleichsanspruchs aus § 1612b Abs. 1 BGB zur Auffüllung des Kinderunterhaltes anordne. Die zivilrechtliche Zurechnung eines Anspruchs, über den der Steuerpflichtige zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich verfügen könne, sei einem auf den Kindesunterhalt angerechneten Ausgleichsanspruch oder der Entlastung durch die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG nicht gleichwertig.

Die Hinzurechnung des halben Kindergeldes könne auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der Ausgleichsanspruch diene nur insoweit der steuerlichen Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums des Kindes, als der Steuerpflichtige mit seinen laufenden Unterhaltszahlungen den vollen existentiellen Bedarf des Kindes abdecke; soweit dieser Bedarf nicht abgedeckt werde, sei das Kindergeld Sozialleistung. Ob und in welcher Höhe das Kindergeld der Freistellung des Einkommens in Höhe des Existenzminimums diene, bestimme sich allein nach der Höhe des Einkommens. Ergebe sich aus der Günstigerprüfung wie im Streitfall eine höhere Entlastung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG als durch das Kindergeld, so stehe fest, dass das anteilige Kindergeld in vollem Umfang als Steuervergütung gezahlt worden und daher vollumfänglich dem Steuerrecht und nicht dem Sozialrecht zuzuordnen sei. Der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 108, 52 <70>) formulierte Einwand, ein Steuerpflichtiger bedürfe keiner steuerlichen Entlastung, soweit er den existenznotwendigen Bedarf des Kindes mit seinen Unterhaltszahlungen nicht abdecke, greife nicht durch. Der Anspruch auf die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG sei nicht von der Höhe der im konkreten Einzelfall geleisteten Unterhaltszahlungen abhängig. Bei Einkommensteuerpflichtigen mit einem Kind sei bereits ab einem Einkommen von 55.000 DM und einem Grenzsteuersatz von etwa 34 Prozent der Abzug der Freibeträge günstiger als das Kindergeld. Es könne davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Anteil aller Unterhaltspflichtigen nicht in der Lage sei, Kindesunterhalt von 135 Prozent des Regelbetrages zu zahlen.

Die in § 31 Satz 5 EStG angeordnete Hinzurechnung des halben Kindergeldes auf die tarifliche Einkommensteuer unabhängig davon, ob ihnen das Kindergeld durch Zahlung, durch volle Anrechnung auf den Kindesunterhalt oder in Mangelfällen des § 1612b Abs. 5 BGB nur teilweise oder gar nicht zugute gekommen sei, benachteilige die Unterhaltspflichtigen mit geringerer Leistungsfähigkeit. Dies möge im Unterhaltsrecht sachgerecht sein, führe im Einkommensteuerrecht aber zu einer sachwidrigen Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten. Die unterschiedslose Hinzurechnung des halben Kindergeldes zur tariflichen Einkommensteuer führe bei Steuerpflichtigen, denen nach § 1612b Abs. 5 BGB die Anrechnung des Ausgleichsanspruchs auf den Kindesunterhalt ganz oder teilweise versagt sei, dazu, dass ihre durch die Unterhaltsverpflichtung geminderte Leistungsfähigkeit bei der Besteuerung nicht ausreichend berücksichtigt werde. Die Regelung führe in zahlreichen Fällen dazu, dass nicht einmal ihre tatsächlichen, die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG unterschreitenden, Leistungen für den Kindesunterhalt in vollem Umfang von der Einkommensteuer freigestellt seien. Die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte sei nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen.

3. Die Bundesregierung hält die Hinzurechnung des Kindergeldanteils auf die Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 5 EStG auch in den Mangelfällen für verfassungsgemäß.

§ 1612b Abs. 5 BGB stelle nicht den Halbteilungsgrundsatz des Kindergeldes in Frage, sondern verpflichte den barunterhaltspflichtigen Elternteil, seinen Kindergeldanteil zweckgebunden für den Unterhalt des Kindes zu verwenden; lediglich der Zahlungsweg werde abgekürzt. Die endgültige Unterhaltsleistung bestehe nunmehr aus seiner Zahlung zuzüglich seines Kindergeldanteils. Es mache keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber den Unterhaltsverpflichteten verpflichtet hätte, zumindest Unterhalt in Höhe des Existenzminimums zu zahlen, oder mit demselben wirtschaftlichen Ergebnis für den Betroffenen die Unterhaltsverpflichtung niedriger ansetze, dafür aber eine Anrechnung seines Kindergeldanteils auf diese Verpflichtung nicht zulasse.

Die in § 31 Satz 5 EStG unterschiedslos angeordnete Hinzurechnung des halben Kindergeldes auf die Einkommensteuer bei Steuerpflichtigen, denen das Kindergeld in voller Höhe auf den Kindesunterhalt angerechnet wird, und denjenigen, die nicht in der Lage sind, 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen und denen deswegen die Anrechnung des Ausgleichsanspruchs auf den Kindesunterhalt ganz oder teilweise versagt ist, verletze den Gleichheitssatz nicht. Wirtschaftlich gesehen müssten in beiden Fallgruppen jeweils die Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums geleistet werden, bei beiden Fallgruppen würden entsprechend die Freibeträge gewährt. Zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung werde die Kindergeldzahlung angerechnet. In den Mangelfällen bestehe nur die Besonderheit, dass die Verwendung des Kindergeldes zivilrechtlich zum Wohle des Kindes festgeschrieben sei. Die Unterhaltsverpflichtung sei in diesen Fällen zwar niedriger, faktisch sei aber in beiden Fallgruppen der für das Existenzminimum des Kindes erforderliche Betrag zu leisten.

B.

Die zur Prüfung gestellten Bestimmungen der § 31 Satz 5 und § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG sind mit dem Grundgesetz vereinbar, auch soweit Steuerpflichtige von der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB betroffen sind.

I.

1. Die verfassungsrechtliche Beurteilung hat in erster Linie auszugehen von dem aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt (vgl. BVerfGE 107, 27 <48>; 120, 125 <154 f.>; siehe auch BVerfGE 99, 216 <232 ff.>; stRspr).

Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 66, 214 <223>; 112, 268 <281>; stRspr). In einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis hierzu steht die Befugnis des Gesetzgebers, bei der Ordnung der steuerrechtlichen Massenverfahren die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen und auf dieser Grundlage typisierende Regelungen zu treffen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat er dabei allerdings Sorge zu tragen, dass typisierende Regelungen in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdecken (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 120, 125 <155>; stRspr).

2. Der Gesetzgeber ist außerdem an den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), insbesondere in dessen Ausprägungen im Bereich des Steuerrechts, gebunden. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird im Steuerrecht, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen ausgestaltet werden muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden; Ausnahmen bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (zum Ganzen vgl. BVerfGE 116, 164 <180 f.>; BVerfG, Urteil vom 9. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07, 2/07, 1/08, 2/08 -, NJW 2009, S. 48 <49>; stRspr).

II.

Mit diesen Anforderungen ist vereinbar, dass die nach Verminderung des Einkommens um die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG ermittelte Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG auch bei denjenigen Steuerpflichtigen um die Hälfte des gezahlten Kindergeldes erhöht wird, die außerstande sind, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten, und deshalb nach § 1612b Abs. 5 BGB im entsprechenden Umfang die in § 1612b Abs. 1 BGB vorgesehene Anrechnung auf den gemäß § 1612a Abs. 1 BGB zu leistenden Barunterhalt nicht beanspruchen können.

1. a) Die verfassungsrechtlich gebotene Verschonung des kindbedingten Existenzminimums (vgl. dazu BVerfGE 99, 216 <233 f.>) wird in – hier allein zu betrachtenden – Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens dadurch bewirkt, dass das Einkommen des Steuerpflichtigen um die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG vermindert wird. Der Gesetzgeber hat sich damit im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine generalisierende Regelung entschieden, mit der die existenznotwendigen Mindestaufwendungen für Kindesunterhalt bei allen Steuerpflichtigen in gleicher Weise in der steuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 99, 246 <263 ff.>). Eine individuelle Würdigung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und ihrer Minderung durch die zur Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes zwangsläufig einzusetzenden Mittel findet nicht statt. Das dem Steuerpflichtigen als monatlich gezahlte Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) zugeflossene Kindergeld ist zur Vermeidung doppelter Berücksichtigung des Kindesexistenzminimums zurückzugewähren, indem es zur tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet wird (§ 31 Satz 5 EStG); eigenständige Bedeutung für den Familienleistungsausgleich hat das Kindergeld in diesem Fall nicht.

Dem einkommensteuerrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach individueller Leistungsfähigkeit folgend wird nach § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 EStG gezahltes Kindergeld der Einkommensteuer nur dann hinzugerechnet, wenn es dem Steuerpflichtigen zugeflossen ist. Dies ist nach § 31 Satz 5 EStG auch dann der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen das Kindergeld im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs zusteht. Das Steuerrecht knüpft, wenn auch terminologisch nicht übereinstimmend, an § 1612b Abs. 1 BGB an, wonach das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte auf den gemäß § 1612a Abs. 1 BGB zu leistenden Barunterhalt anzurechnen ist, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist. Damit orientiert sich die steuerrechtliche Regelung an einer Familienkonstellation, in der das Kind getrennt lebender Eltern mit einem Elternteil in einem Haushalt lebt und diesem das Kindergeld gezahlt wird (§ 64 Abs. 1, 2 Satz 1 EStG). Dem barunterhaltspflichtigen anderen Elternteil fließt das ihm zur Hälfte zustehende Kindergeld dadurch zu, dass die zu leistende Unterhaltszahlung um den entsprechenden Betrag gekürzt wird.

b) Entsprechend dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers fließt das Kindergeld dem barunterhaltspflichtigen Elternteil auch in den Fällen zu, in denen eine Anrechnung des Kindergeldes auf den Barunterhalt nach § 1612b Abs. 5 BGB ganz oder teilweise unterblieben ist, weil es vorrangig zur Auffüllung des Kindesunterhalts zu verwenden war (sog. Mangelfall).

Bereits mit der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB a.F. war beabsichtigt, den Barunterhaltspflichtigen auch im Mangelfall steuerrechtlich so zu behandeln, als habe er seinen halben Kindergeldanteil nach § 1612b Abs. 1 BGB zwar erhalten, aber ganz oder teilweise zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung eingesetzt (vgl. BTDrucks 13/7338, S. 30). Der Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages für die Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB ist zu entnehmen, dass die Vorschrift zu einer geänderten Verwendung des Kindergeldes unter Übernahme des Barexistenzminimums als maßgeblicher Grenze führe, ohne dass von der in § 1612b Abs. 1 BGB angeordneten Halbteilung des Kindergeldes abgewichen werde; der den Barunterhalt Leistende werde jedoch solange verpflichtet, die ihm zustehende Hälfte des Kindergeldes für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, bis das Barexistenzminimum des Kindes gesichert sei (BTDrucks 14/3781, S. 7 f.).

Der Wille des Gesetzgebers hat in § 1612b BGB nur insofern Niederschlag gefunden, als der Grundregel des Absatzes 1 eine Regel für bestimmte Unterfälle in Absatz 5 folgt, die von der Grundregel nicht grundsätzlich abweicht. Dem Wortlaut des § 1612b Abs. 5 BGB, demzufolge „eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt“, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Die Norm bezweckt unterhaltsrechtliche Wirkungen, ohne das bestehende System des steuerlichen Familienleistungsausgleichs in Frage zu stellen. Der Gesetzgeber hat mit dem – in rechtssystematischer Sicht unspezifischen und auch deshalb steuerrechtlich nach seinem wirtschaftlichen Gehalt interpretierbaren – Instrument der Anrechnung eine möglichst praktikable, die Interessen der Alleinerziehenden wahrende Gestaltung gewählt; danach ist das in den Materialien zum Ausdruck gebrachte Regelungsziel dem Verständnis der Norm zugrunde zu legen.

Der Ansicht des Bundesfinanzhofs, es stehe mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen steuerlich angemessen – in voller Höhe der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG – zu berücksichtigen, nicht in Einklang, dass der Steuerpflichtige über Kindergeld, das ihm für ein Kind zusteht, nicht frei verfügen könne, sondern es ganz oder teilweise für den Unterhalt des Kindes einsetzen müsse, ist nicht zu folgen. Ein gemäß § 31 Satz 5 EStG auszugleichender Zufluss des Kindesgeldes ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige über das Kindergeld, das ihm für ein Kind zusteht, beliebig verfügen kann. Da den Eltern Kindergeld vor allem zugunsten des Kindes für dessen sächliches Existenzminimum sowie für seinen Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gezahlt wird, trifft die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB eine Zweckbestimmung für die Verwendung des Kindergeldes. Hinter dieser Ausgestaltung steht die materielle Verpflichtung des Barunterhaltspflichtigen, im Mangelfall den gemäß § 1612a Abs. 1, § 1612b Abs. 1 BGB geschuldeten Unterhalt auf das Barexistenzminimum (135 Prozent des Regelsatzes nach der Regelsatz-Verordnung) aufzustocken. Insofern stellt sich die Regelung wirtschaftlich als Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Barunterhaltspflichtigen dar. Änderungen der individuellen Unterhaltslast berühren indes das System der steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen im Wege generalisierter Freibeträge nicht, solange diese das Kindesexistenzminimum angemessen abdecken, was im vorliegenden Verfahren nicht in Zweifel gezogen worden ist.

Es ist dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, bei der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen auf Wertungen des Familienrechts zurückzugreifen. Im Grundansatz vergleichbar etwa der grundsätzlichen Zuordnung von Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 ESG) kann die Entscheidung des Steuergesetzgebers, die den Barunterhaltspflichtigen gemäß § 1612b Abs. 5 BGB treffende Last nicht gesondert zu erfassen, als Nachvollzug der familienrechtlichen Entscheidung verstanden werden, im Interesse der Existenzsicherung des Kindes dem Barunterhaltspflichtigen in Mangelfällen aufzugeben, den dem halben Kindergeld entsprechenden Betrag zur Aufstockung des Unterhalts einzusetzen. Weder gegenläufige steuersystematische Erwägungen noch hypothetische Lastenberechnungen sind geeignet, durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände gegen die gesetzliche Regelung zu begründen.

2. Ein Verstoß gegen die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grenzen gesetzlicher Regelungsbefugnis lässt sich nicht feststellen. Die steuerliche Entlastung kindesbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit der von § 1612b Abs. 5 BGB betroffenen Steuerpflichtigen erfolgt nach denselben Bestimmungen wie diejenige anderer Unterhaltspflichtigen. Die durch diese Vorschrift bewirkten finanziellen Einschränkungen Betroffener sind Konsequenz ihrer geringeren Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfGE 108, 52 <69>). Nicht ersichtlich ist, inwiefern daraus eine Verpflichtung des Gesetzgebers folgen könnte, für diesen Personenkreis zur Wahrung des

Gleichheitssatzes besondere, von den allgemeinen Bestimmungen des Familienleistungsausgleichs abweichende Regelungen zu schaffen.

BVerfG, Beschluss vom 13.10.2009
2 BvL 3/05

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