BGH: Zur Tatsachenermittlung durch das Beschwerdegericht im Abänderungsverfahren

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4 wird der Beschluss des 5. Zivilsenats Senat für Familiensachen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20. November 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.000 €

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich.

Auf den am 21. August 2001 zugestellten Antrag hatte das Familiengericht die am 15. Dezember 1956 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und deren im Juli 2011 verstorbenen Ehemanns rechtskräftig geschieden. Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit (1. Dezember 1956 bis 31. Juli 2001; § 3 Abs. 1 VersAusglG) Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann außerdem eine private Lebensversicherung und die Ehefrau eine geringfügige betriebliche Altersversorgung. Den Versorgungsausgleich hatte das Familiengericht dahin geregelt, dass zulasten der Ehefrau Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 11,77 € im Wege des Splittings (§ 1587 b Abs. 1 BGB) übertragen wurden, bezogen auf den 31. Juli 2001 als Ehezeitende. Dabei wurde die Lebensversicherung mit einem festgestellten ehezeitlichen Deckungskapital von 16.547 € in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Ehefrau die Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wegen eingetretener Wertänderung des Ehezeitanteils der privaten Lebensversicherung.

Das Familiengericht hat die frühere Entscheidung über den Versorgungsausgleich abgeändert, indem es im Wege der internen Teilung zulasten der Anrechte des Ehemanns bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 6,5874 Entgeltpunkten auf das vorhandene Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen und im Übrigen unter Anwendung des § 31 VersAusglG angeordnet hat, dass ein weiterer Ausgleich unterbleibe. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund, mit der diese die Anwendung des § 31 VersAusglG rügt, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei der Abänderung nach § 51 VersAusglG sei die Ausgangsentscheidung dadurch abzuändern, dass die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 ff. VersAusglG intern oder extern geteilt würden, so dass der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich in der Altentscheidung vollständig durch einen Wertausgleich nach neuem Recht ersetzt werde. Hierbei seien auch die Rechtsfolgen des § 31 VersAusglG zu beachten. Daher sei nur das vom Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Anrecht zu teilen. Das Besserstellungsverbot des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG sei beachtet. Bei einer Gesamtsaldierung der zu berücksichtigenden Anrechte ergebe sich auch ohne die betriebliche Altersversorgung der Ehefrau, die in den ursprünglichen Ausgleich nicht einbezogen gewesen sei, ein maximal auszugleichender Kapitalwert von 56.123,74 €, hinter dem der Kapitalwert der ausgeglichenen Entgeltpunkte (= 35.178,44 €) zurückbleibe.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31. August 2009 gegolten hat, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt.

a) Gemäß § 51 Abs. 2 VersAusglG iVm § 225 Abs. 3 FamFG ist die Wertänderung wesentlich, wenn sie mindestens fünf Prozent des bisherigen Ausgleichswerts des Anrechts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße ein Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 Prozent der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze), wobei es genügt, wenn sich der Ausgleichswert nur eines Anrechts geändert hat.

Gemäß § 51 Abs. 3 VersAusglG ist die Abänderung auch dann zulässig, wenn sich bei Anrechten der berufsständischen, betrieblichen oder privaten Altersvorsorge (§ 1587 a Abs. 3 oder 4 BGB) der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Die Aktualisierung erfolgt mithilfe der aktuellen Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Wertunterschied nach Satz 1 ist wesentlich, wenn er mindestens 2 Prozent der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.

b) Das Familiengericht hat auf der Grundlage des § 51 Abs. 3 VersAusglG angenommen, dass sich der ehezeitliche Wert der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Lebensversicherung von deren ursprünglich angegebenem Kapitalwert von 16.547 € auf einen dynamischen Rentenwert von nunmehr 42,08 € verändert habe und dieser Unterschiedsbetrag die Wertgrenze von zwei Prozent der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (2 % von 2.520 € = 50,40 €) übersteige. Das Oberlandesgericht hat hierzu keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern darauf verwiesen, dass das Familiengericht die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VersAusglG bejaht habe und dies von der Beschwerde nicht angegriffen sei.

Hierdurch hat das Oberlandesgericht seine Pflicht verletzt, die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen selbst durchzuführen (§ 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG iVm § 26 FamFG). Die Durchführung eigener Ermittlungen war bereits deshalb unentbehrlich, weil das Familiengericht offensichtlich unzutreffend angenommen hat, dass die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich von einem nicht dynamisierten (= nominalen) Ehezeitanteil der Lebensversicherung in Höhe von monatlich 32.363,12 DM (= 16.547 €) ausgegangen sei. Tatsächlich war dieser Betrag nicht als monatlicher Ehezeitanteil, sondern als Deckungskapital angegeben. Dieses war mit dem Umrechnungsfaktor für 2001 von 0,0000957429 in 3,0985 Entgeltpunkte umgerechnet worden. Multipliziert mit dem seinerzeitigen Rentenwert von 49,51 DM (= 25,31 €) ergab sich eine dynamisierte monatliche Rentenanwartschaft von 153,41 DM (= 78,44 €), die in den Wertausgleich eingestellt wurde.

Diese dynamische Rentenanwartschaft ist nach § 51 Abs. 3 Satz 1, 2 VersAusglG mithilfe der aktuellen Rentenwerte der gesetzlichen Rentenversicherung zu aktualisieren. Dividiert durch den aktuellen Rentenwert bei Ehezeitende von 25,31 € (= 49,51 DM, nicht 49,51 €) und multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert bei Eingang des Änderungsantrags von 26,56 € ergibt sich ein aktueller Wert von (78,44 € / 25,31 € x 26,56 € =) 82,31 €. Dieser Wert hätte mit dem vor der Umrechnung ermittelten Rentenwert des Ehezeitanteils verglichen werden müssen. Nach Auskunft des Versicherungsträgers steht dem vorhandenen Gesamtdeckungskapital in Höhe von 142.018 € ein (lebzeitiger) Rentenanspruch von monatlich 938,10 € gegenüber. Das bedeutet, dass der im Versorgungsausgleich nur berücksichtigte Ehezeitanteil von (32.363,12 DM =) 16.547 € des Deckungskapitals einem vor der Umrechnung ermittelten Rentenwert von 109,30 € (= 938,10 € x 16.547€ / 142.018 €) entspräche.

Die rechnerische Differenz betrüge somit 109,30 € – 82,31 € = 26,99 €. Dieser Differenzbetrag überstiege nicht die Wesentlichkeitsgrenze des § 51 Abs. 3 Satz 3 VersAusglG von 50,40 €.

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist jedoch nicht zur Entscheidung reif, da noch weitere Tatsachen aufzuklären sind.

Der Versicherungsträger der Lebensversicherung hat in seiner Auskunft vom 23. Oktober 2010 mitgeteilt, dass das ehezeitliche Deckungskapital nicht 16.547 €, wie im Scheidungsverfahren mitgeteilt und bei der Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich berücksichtigt, sondern 142.018 € betragen habe. Die Beitragszahlung sei zu Vertragsbeginn während der Ehezeit im Wege eines Einmalbetrages in Höhe von damals 315.000 DM erfolgt. Seit dem 1. März 1998 sei aus dem Deckungskapital eine monatliche Rente von 938,10 € gezahlt worden.

Träfe dies zu, wäre bereits im ursprünglichen Versorgungsausgleich ein unzutreffender Ausgleichswert eingestellt worden. Als feststehender Rentenanspruch hätte der nach Tabelle 7 der Barwert-Verordnung dynamisierte monatliche Betrag von 938,10 € gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 b BGB in den Wertausgleich eingestellt werden müssen. Das Oberlandesgericht wird die hierzu erforderlichen Feststellungen nachholen müssen und sodann zu prüfen haben, ob wegen dieses oder eines anderen Anrechts eine Abänderung der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach Maßgabe des § 51 VersAusglG eröffnet ist.

BGH, Beschluss vom 05.06.2013
XII ZB 709/12

AG Bremen, Entscheidung vom 18.01.2012, 69 F 1267/09
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.11.2012, 5 UF 21/12

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.