Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Witten vom 26.5.2011 teilweise abgeändert und neu gefasst.
Die elterliche Sorge für den am 16.10.2007 geborenen D T wird den Kindeseltern gemeinsam übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Kindesmutter. Die
Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleiben gegeneinander
aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 16.10.2007 geborenen Kindes D T. Der Kindesvater hat die Vaterschaft anerkannt. Eine Erklärung zur gemeinsamen Sorge haben die Kindeseltern nicht abgegeben.
Zum Zeitpunkt der Geburt D hatten die Kindeseltern bereits eine rund acht Jahre währende Beziehung geführt, ohne jemals zusammengezogen zu sein. Auch nach der Geburt D zogen die Kindeseltern nicht in eine gemeinsame Wohnung. Die Beziehung endete im Juni 2008, als D etwa acht Monate alt war. D wird seit seiner Geburt durch die Kindesmutter betreut und versorgt. Mit der Trennung nahm der Kindesvater auf Aufforderung der Kindesmutter die Zahlung des geschuldeten Kindesunterhalts auf. Die Besuchskontakte fanden regelmäßig statt. Die Kindeseltern einigten sich außergerichtlich über den Umgang. Dabei bedienten sie sich beiderseits anwaltlichen Beistands.
Im Oktober des Jahres 2008 zog der Antragsteller mit seiner neuen Partnerin zusammen. Ab November 2010 steigerte sich die Umgangsfrequenz auf 8 Stunden an einem Tag eines jeden Wochenendes.
Die Kindeseltern kommunizieren nur schriftlich miteinander. Im Zuge der Beratung durch das Jugendamt bedienten sie sich zur Verbesserung des Informationsaustausches im Rahmen des Umgangs eines Umgangstagebuches, in dem wesentliche Bemerkungen D betreffend aufgeführt werden sollten.
Der Kindesvater möchte nunmehr an der elterlichen Sorge für D teilhaben.
Das Familiengericht hat den Antrag des Kindesvaters mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem Kindesvater zwar nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die gemeinsame Sorge einzuräumen sei, wenn dies dem Wohl des Kindes entspreche. Auch entspreche es grundsätzlich dem Kindeswohl, wenn sich die Kindeseltern einvernehmlich die elterliche Verantwortung teilen. Jedoch entspreche die gemeinsame Sorge hier nicht dem Kindeswohl. Zwar bestehe zwischen D und dem Kindesvater eine positive Bindung. Auch der Umgang finde regelmäßig statt. Auch zeige der Kindesvater Interesse an den Belangen des Kindes. Jedoch fehle es an einem Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit der Kindeseltern, weil die Kindeseltern nicht miteinander sprechen, den Umgang über Anwälte regeln mussten und ein Umgangstagebuch führen. Zwar liege die schlechte Kommunikation im wesentlichen an der ablehnenden, teilweise trotzigen Haltung der Kindesmutter, die gemeinsame Gespräche beim Jugendamt noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht verweigert habe. Indes halte sich der Antragsteller nicht an die Anweisungen der Kindesmutter den Umgang betreffend. Auch seien die Kindeseltern nicht in der Lage, mit dem Verdacht der Erkrankung des Kindes einvernehmlich umzugehen. Deshalb sei abzuwarten, ob sich in Zukunft die Kommunikationsfähigkeit verbessere. Derzeit sei jedenfalls zu erwarten, dass sich die Kindeseltern bei gemeinsamen Entscheidungen nicht sachlich miteinander auseinandersetzen können, sondern vielmehr Streitigkeiten entstünden, in denen die Konflikte auf Paarebene mit den Konflikten auf Elternebene vermischt würden und so dem Kindeswohl geschadet werde.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kindesvater nach wie vor die Herstellung der gemeinsamen Sorge für D.
Er trägt vor, die Schwierigkeiten in der Kommunikation und im Umgang seien ausschließlich auf eine Blockadehaltung der Kindesmutter zurückzuführen. Die Kindesmutter habe ja sogar den Versuch unternommen, ihn dauerhaft vom Umgang auszuschließen.
Die Einschaltung von Anwälten zur Regelung des Umgangs sei aufgrund der Blockadehaltung der Kindesmutter erforderlich geworden. Allein auf eine Blockadehaltung der Kindesmutter dürfe die Zurückweisung des Antrages auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht gestützt werden.
Er sei kooperationsfähig und kommunikationsbereit. Dafür spreche bereits, dass in der Vergangenheit alle Streitigkeiten außergerichtlich geregelt worden seien, sowohl was den Kindesunterhalt wie auch was den Umgang angehe.
Der Kindesvater beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Witten vom 26.5.2011 abzuändern und ihm die elterliche Sorge für zur gemeinsamen Ausübung zu übertragen.
Er regt, an im übrigen darüber zu entscheiden, ob ihm die alleinige elterliche
Sorge zu übertragen ist.
Die Kindesmutter beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, die bisherige gesetzliche Regelung habe aus guten Gründen bestanden, von deren Zweck abzuweichen vorliegend keine Veranlassung bestehe. Da sie kein Vertrauen zum Kindesvater mehr habe, könne die gemeinsame elterliche Sorge nicht eingerichtet werden. Es sei auch nicht zu erwarten, dass die Kindeseltern in Zukunft miteinander zu kommunizieren lernten. Hierzu sei ausreichend während des anderthalb Jahre dauernden erstinstanzlichen Verfahrens Zeit gewesen. Dennoch habe sich eine solche positive Entwicklung nicht gezeigt.
Die Kommunikation mit dem Antragsteller scheitere daran, dass dieser im Grunde nicht kommunikationsfähig sei, weil er verlange, dass sie seiner Meinung und seinen Wünschen in jedem Falle zustimme.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Der Senat hat im Termin vom 12. Januar 2012 die Eltern, den Verfahrensbeistand und das Jugendamt angehört. Der Versuch D anzuhören scheiterte an dessen Widerstand, der wie auch schon gegenüber dem Verfahrensbeistand und dem Jugendamt jegliche Kommunikation verweigerte.
Auf den Berichterstattervermerk wird Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.
Auf den Antrag des Kindesvaters ist die gemeinsame Sorge für das Kind D einzurichten.
1. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 – Az.: 1 BvR 420/09, NJW 2010, 3008 – kommt die Übertragung der elterlichen Sorge für ein nicht in einer Ehe geborenes Kind auf den Kindesvater nicht nur dann in Betracht, wenn der Kindesmutter als alleiniger Sorgerechtsinhaberin nach § 1626a Abs. 2 BGB die elterliche Sorge gemäß §§ 1666, 1666a BGB entzogen werden muss und die Voraussetzungen für die Übertragung auf den Kindesvater nach § 1680 Abs. 3 i.V.m. § 1680 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegen. Die Übertragung der alleinigen oder gemeinsamen elterlichen Sorge auf den Kindesvater eines nichtehelichen Kindes ist aufgrund der vorläufigen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) vielmehr auf Antrag des Kindesvaters bereits dann vorzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Durch diesen Prüfungsmaßstab ist sichergestellt, dass die Belange des Kindes maßgebliche Berücksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.
2. Dabei ist entgegen der Auffassung der Kindesmutter keine vorläufige Maßnahme zu treffen, sondern endgültig in den Grenzen des § 1696 BGB über die Sorge zu entscheiden. Bereits der Wortlaut der verfassungsgerichtlichen Entscheidung lässt es fernliegend erscheinen, dass die Familiengerichte nur eine vorläufige Entscheidung aussprechen sollen. Hinzukommt, dass das Bundesverfassungsgericht nicht festgelegt hat, bis wann der Gesetzgeber tätig werden soll, sodass der Sache nach keine vorläufige, sondern eine auf unbestimmte Zeit Geltung beanspruchende Regelung erlassen werden muss.
Entsprechend wird nach bisher einhelliger Auffassung in diesen Fällen keine vorläufige, sondern eine in den Grenzen des § 1696 Abs. 1 BGB endgültige Sorgerechtsregelung getroffen, (siehe OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2011, Az.: 10 UF 2/11, FamRZ 2011, S. 1662; KG Berlin, Beschluss vom 07.02.2011, Az.: 16 UF 86/10, FamRZ 2011, S. 1659; OLG Naumburg, Beschluss vom 18.06.2010, Az.: 8 UF 56/10, FamRZ 2010, S. 1918; OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2011, Az.: 10 UF 50/11, bei juris).
3. Die Herstellung der gemeinsamen Sorge entspricht dem Wohl des Kindes D.
a) Zwischen D und dem Kindesvater besteht – wie auch das Amtsgericht festgestellt hat – eine für das Kind positive Bindung, die durch regelmäßige Umgangskontakte verfestigt ist, die seit mehreren Jahren ununterbrochen stattfinden.
Anhaltspunkte dafür, dass der Umgang D Wohl widersprechen würde, bestehen nicht. Vielmehr geht D offenbar gerne zu seinem Vater und vertraut ihm, wie Verfahrensbeistand und Jugendamt beobachten konnten.
b) Auch zeigt der Kindesvater ebenso wie die Kindesmutter ein reges Interesse an den Belangen des Kindes und zudem seine deutliche Bereitschaft, sich positiv im Sinne der Kindesinteressen für D einzusetzen.
c) Dabei akzeptiert der Kindesvater den Aufenthalt D bei der Kindesmutter. Differenzen betreffend Grundfragen der Erziehung und Betreuung D bestehen nicht.
d) Zwischen den Eltern bestand eine langjährige tragfähige soziale Beziehung. Die bisherigen Auseinandersetzungen um Belange D führten nur zu Auseinandersetzungen vergleichsweise geringen Ausmaßes; insbesondere konnte der Umgang ebenso wie der Unterhalt außergerichtlich geklärt werden.
e) Derzeit findet eine Kommunikation der Kindeseltern zwar nur schriftlich statt, woran sich regelmäßig kleinere Missverständnisse und Missstimmungen entzünden. Jedoch liegen dieser qualitativ mangelhaften Kommunikation zwischen den Kindeseltern keine unüberwindlichen Zerwürfnisse zwischen ihnen zugrunde. Vielmehr sind die Kommunikationsschwierigkeiten in der Paarebene der Kindeseltern begründet, wie sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt im Einklang mit dem Senat festgestellt haben. Auch sind die Auseinandersetzungen auf der Paarebene keinesfalls außerordentlich heftig; vielmehr ist die fehlende Qualität der Kommunikation ganz wesentlich auf die weigerliche, nicht auf objektiv nachvollziehbare Motive gestützte Haltung der Kindesmutter zurückzuführen, die sowohl die verbale Kommunikation mit dem Kindesvater als auch die Durchführung einer Mediation verweigert.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kindesvater sich keinesfalls beanstandungsfrei verhalten hat. Insbesondere war es fehlerhaft, entgegen der schriftlichen Mitteilung der Kindesmutter, dass D an einer Durchfallerkrankung leide, D Erdbeerkuchen zu verabreichen. Zu verkennen ist andererseits aber auch nicht, dass derartige letztlich auf gegenseitiges Misstrauen der Kindeseltern zurückzuführende Vorfälle durch das jetzige Kommunikationssystem verstärkt werden. Auch steht dem Fehlverhalten des Kindesvaters ein gewichtiges Fehlverhalten der Kindesmutter gegenüber. Diese befragt aus Misstrauen gegenüber dem Kindesvater D dazu, ob sich der Kindesvater an ihre Anweisungen (z.B. betreffend die Verabreichung homöopathischer Präparate) hält. Dieses Verhalten ist geeignet, den Loyalitätskonflikt D zu verstärken. Jedoch gebieten es diese Mängel der Kommunikation nicht, die ohnehin erforderliche Kommunikation der Kindeseltern noch mehr zu schwächen.
f) Vielmehr entspricht es nach übereinstimmender Auffassung des Jugendamts und des Verfahrensbeistandes, die zur Überzeugung des Senats zutreffend ist, D Wohl am Besten, wenn die Kindeseltern die Qualität ihrer Kommunikation auf Elternebene nach und nach bessern. Denn die um eine Kommunikationsverbesserung mit dem anderen Elternteil bemühte Haltung erlaubt es D am ehesten, den sich bei ihm bereits verfestigenden Loyalitätskonflikt abzubauen und eine unbefangene und unbelastete Bindung zu beiden Eltern zu behalten, bzw. wiederzuerlangen.
g) In Gesamtwürdigung dieser Umstände ist es den Kindeseltern zumutbar, die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um die gemeinsame Sorge für D auszuüben.
Da die Kindeseltern noch nicht die gemeinsame Sorge ausgeübt haben, kann derzeit nur in begrenztem Ausmaß auf das bisherige Kommunikationsverhalten der Kindeseltern zurückgegriffen werden, da überhaupt kein Anlass für die Kindeseltern bestand, die Möglichkeiten aber auch die Sachzwänge der gemeinsamen elterlichen Sorge zu erproben und auf ihre Belastbarkeit und Alltagstauglichkeit zu überprüfen.
Hinzukommt, dass die Verweigerung der Zustimmung zur Einrichtung der gemeinsamen Sorge aus nicht kindeswohlbezogenen Motiven regelmäßig gerade nicht tragfähig für den Ausschluss der gemeinsamen elterlichen Sorge ist, (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az.: 1 BvR 420/09, NJW 2010, 3008, Rz. 59 ff.). Nimmt man hinzu, dass die gemeinsame Sorge häufig besser als die Alleinsorge geeignet ist, die Kooperation und die Kommunikation der Eltern miteinander positiv zu beeinflussen sowie den Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten und die Beeinträchtigung der Kinder durch die Trennung zu vermindern, (siehe BGH, Beschluss vom 15.11.2007, Az.: XII ZB 136/04, FamRZ 2008, 251), ist bei im Übrigen günstigen Umständen den Kindeseltern grundsätzlich eine Konsensbereitschaft im Rahmen der Zumutbarkeit abzuverlangen, (siehe ebenso KG Berlin, Beschluss vom 07.02.2011, Az: 16 UF 86/10, FamRZ 2011, 940; jurispK-BGB/Schwer/B.Hamdan, 5. Auflage 2010, § 1626 a Rn. 2.2; im Ergebnis OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2011, Az.: 10 UF 50/11, bei juris).
Insoweit ist der Senat auch überzeugt, dass es der grundsätzlich intellektuell beweglichen Kindesmutter gelingen wird, die bisherige starre Haltung zum Wohl des Kindes D abzulegen und dem Kind zu ermöglichen, eine unbefangene Haltung zu beiden Eltern einzunehmen bzw. zu behalten.
h) Dahin stehen kann, inwieweit sich die beharrlich sowohl dem Jugendamt wie dem Verfahrensbeistand als auch dem Senat gegenüber die Kommunikation verweigernde Haltung D bereits als kindliche Imitation des mütterlichen Verhaltens gegenüber dem Kindesvater aufzufassen ist. Jedenfalls wird es die Aufgabe der Kindesmutter sein, dem Kind ein Vorbild hinsichtlich der Hinwendung zu einem von Vernunft und Selbstkontrolle geprägten Kommunikationsverhalten zu geben.
i) Insoweit sollten die Kindeseltern die von der Kindesmutter im Senatstermin noch von sich gewiesene Chance wahrnehmen, unter professioneller Anleitung ihr Kommunikationsverhalten zu verbessern, da sie nur so das Wohl ihres Kindes am Besten fördern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.
OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2012
II-2 UF 168/11