Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahaus vom 4. August 2009 (Az. 11 F 50/09) dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt nach § 540 Abs. 1 ZPO):
I.
Die Beklagten sind die Kinder des Klägers aus dessen geschiedener Ehe. Die Beklagte zu 1 ist am 3. Januar 1999, der Beklagte zu 2 am 1. März 2000 und die Beklagte zu 3 am 29. August 2001 geboren.
Der Kläger ist mit Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom 15. August 2006 (Az: 11 F 107/05, GA 6) zur Unterhaltszahlung an seine drei Kinder in Höhe von 100 % des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung verpflichtet worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers ist mit Urteil des 12. Familiensenats des OLG Hamm vom 12. September 2007 zurückgewiesen worden (Az: 12 UF 261/06, GA 10). Dabei ist das – sachverständig beratene – Oberlandesgericht davon ausgegangen, der Kläger sei erwerbsfähig und könne ein Nettoeinkommen in Höhe von rund 1.800 € erzielen. Hinzu komme eine Rente. Damit sei der Kläger leistungsfähig.
Der Kläger, diplomierter Elektrotechniker, war bis Ende 1999 selbständig tätig. Er entwickelte, produzierte und installierte Steuerungen für Flüssigfütterungsanlagen in der Landwirtschaft. Im Jahr 2000 verkaufte er die Firma. Anschließend war er auf Honorarbasis als Dozent tätig. Auch diese Tätigkeit stellte er nach der Trennung von der Mutter der Beklagten ein. Aufgrund eines Leidens der Atemwege ist er mit einem GdB von 20 v.H. als schwerbehindert anerkannt.
In der Folge der Trennung und mehrerer familiengerichtlicher Verfahren wurde der Kläger vermehrt wegen psychischer Leiden behandelt. Seiner Argumentation, er sei deshalb nicht mehr erwerbsfähig, sind in dem genannten Ursprungsverfahren weder das Amts- noch das Oberlandesgericht gefolgt. Dieser Auffassung der Gerichte lagen zugrunde Gutachten der Sachverständigen X und Dr. S aus dem Jahr 2007.
Der Kläger bezieht eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 717,14 €. Für die Krankenversicherung wendet er 143,64 € auf. Er wohnte bis Ende August 2010 in einem Haus, für das er Arbeitsleistungen zu erbringen und die Nebenkosten zu tragen hatte. Miete zahlte er nicht. Zum 1. September 2010 hat der Kläger eine anderweitige Wohnung angemietet. Ferner entstehen ihm Kosten für den Umgang mit den drei Beklagten an 1 ½ Tagen wöchentlich.
Die Beklagten verfügen über keine eigenen Einkünfte. Das staatliche Kindergeld erhält die Kindesmutter, bei der die Beklagten leben.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei arbeitsunfähig erkrankt und könne keinen Kindesunterhalt mehr zahlen.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt und vorgetragen, eine Abänderung des Unterhaltstitels sei nicht angezeigt. Der Kläger könne arbeiten. Zudem sei ihm ein Wohnvorteil zuzurechnen, weil er mietfrei wohne.
Mit dem angefochtenen Urteil ist der Unterhaltstitel dahingehend abgeändert worden, dass der Kläger ab April 2009 nur noch Unterhalt in Höhe von monatlich 70 € je Kind zu zahlen hat. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, die titulierten Unterhaltsbeträge zu zahlen. Er sei jetzt erwerbsunfähig aufgrund einer psychischen Erkrankung. Das ergebe sich aus der Begutachtung durch den Psychiater Dr. O vom Gesundheitsamt des Kreises C. Die Erkrankung des Klägers habe zu einer nachhaltigen und schweren Beeinträchtigung der psychosozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit geführt. Andererseits beziehe der Kläger aber eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 700,16 €. Hinzu komme ein Betrag in Höhe von 300 €, weil er mietfrei wohne und lediglich Arbeitsleistungen erbringen müsse. Deshalb sei es angemessen, dass der Kläger jedem Kind 70 € zahle.
Dagegen wenden sich die beklagten Kinder, die mit der Berufung die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage begehren. Der Kläger sei nicht erwerbsunfähig.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.
Auch der Kläger greift das angefochtene Urteil mit einer Berufung an. Er macht geltend, das Amtsgericht sei zwar zu Recht von seiner Erwerbsunfähigkeit ausgegangen. Es hätte ihn jedoch nicht zur Zahlung von monatlich 70 € je Kind verurteilen dürfen. Insoweit sei er nicht leistungsfähig. Insbesondere seien zu Unrecht 300 € als Mietvorteil angesetzt worden. So habe er sämtliche Nebenkosten des Hauses zu tragen gehabt. Zudem habe er, um das Haus mietfrei zu nutzen, 300 € monatlich für die Fertigstellung des Hauses aufbringen müssen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es ihn verurteilt, ab April 2009 monatlich für jedes Kind 70 € zu zahlen, und das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ahaus vom 15. August 2006 – 11 F 107/05 – dahin abzuändern, dass auch insoweit seit April 2009 keine Unterhaltspflicht des Klägers mehr besteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und hinsichtlich des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien gemäß § 141 ZPO angehört. Die Akte 3 UF 167/09 OLG Hamm lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufungen der Beklagten sind begründet, diejenige des Klägers ist unbegründet.
1. Berufung der Beklagten
Auf die Berufungen der Beklagten war die von dem Kläger erhobene Abänderungsklage insgesamt abzuweisen. Die von dem Kläger behauptete wesentliche Veränderung der Verhältnisse, auf die er sein Abänderungsbegehren stützt, und zwar die Veränderung seiner Einkommensverhältnisse durch Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit, kann nicht festgestellt werden.
a)
Der Kläger stützt die Abänderungsklage darauf, er sei nicht (mehr) erwerbsfähig und deshalb nicht leistungsfähig. Dem ist das Amtsgericht auf der Grundlage einer bloßen Kurzstellungnahme des Gesundheitsamtes gefolgt (GA 20), die jedoch nicht den Anforderungen an einen Sachverständigenbeweis genügt. Der Senat hat daher einen Beweisbeschluss erlassen (GA 85) und Prof. Dr. u2 von der Universitätsklinik N zum Sachverständigen bestellt. Der Kläger hat sich aber der Beweisaufnahme widersetzt.
Zunächst hat er der Begutachtung durch den bestellten Sachverständigen widersprochen, aber seinen behandelnden Nervenarzt Dr. u von der Schweigepflicht entbunden (wenn auch nur beschränkt auf die Anhörung im Senatstermin). Auf den Hinweis des Senats, dass er die Beweislast für den Wegfall seiner Erwerbsfähigkeit trage, hat der Kläger zusätzlich den behandelnden Arzt der Klinik Tecklenburger Land, bei der er 2009 in Behandlung war, von der Schweigerpflicht entbunden.
Der Senat hat sodann versucht, das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen auf dieser Basis einzuholen. Das war dem gerichtlich bestellten Sachverständigen indes nicht möglich, der darauf hingewiesen hat, er müsse den Kläger persönlich untersuchen, möglicherweise sogar stationär, um die Fragen des Senats beantworten zu können.
Die erteilten Schweigepflichtentbindungen hat der Kläger nun zurückgezogen. Er wolle nicht, dass sein Gesundheitszustand im Rahmen des vorliegenden Verfahrens öffentlich und insbesondere seiner geschiedenen Frau zugänglich gemacht werde. Der Senat hat einen Termin anberaumt, zu dem er nicht die behandelnden Ärzte, sondern nur den gerichtlichen Sachverständigen geladen hat, um den Kläger in Anwesenheit des Sachverständigen anzuhören.
Daraufhin hat der Kläger mitteilen lassen, er werde sich nicht im Termin begutachten lassen. Schließlich hat er erklärt, weder er noch seine Prozessbevollmächtigte würden zum Termin erscheinen, wenn eine Begutachtung im Termin beabsichtigt sei. Der Senat hat die Anordnung der Ladung des Sachverständigen zum Termin aufgehoben.
b)
Der Senat kann die Begutachtung des Klägers durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erzwingen (vgl. BGH FamRZ 2010, 720). Ohne diese Begutachtung konnte der Beweis der Erwerbsunfähigkeit indes nicht geführt werden.
Der Kläger hat zwar einige – auch neuere – ärztliche Unterlagen vorgelegt, die seinen Vortrag bestätigen. Aufgrund des Bestreitens der Beklagten bedurfte es indes zur Überzeugung des Senats der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dieses konnte allein auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht erstellt werden. Auch eine Befragung der behandelnden Ärzte war – wenn sie überhaupt zielführend gewesen wäre – jedenfalls deshalb nicht möglich, weil der Kläger die Schweigepflichtentbindung widerrufen hat.
Andere Beweismittel waren nicht geeignet, eine hinreichende Überzeugung des Senats von der Erwerbsunfähigkeit des Klägers herbeizuführen, § 286 ZPO. Das gilt zunächst für die von dem Amtsgericht herangezogene schriftliche Äußerung des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises C – Dr. O (GA 20). Es handelt sich hierbei um einen gut zwei Seiten langen Vermerk, der weder eine eingehende Untersuchung des Klägers noch eine hinreichend fundierte, den Anforderungen an gerichtliche Gutachten genügende ärztliche Stellungnahme erkennen lässt. Zudem ist der Verfasser des Vermerks vorbefasst und damit nicht hinreichend neutral, da er den Kläger aus einer Gruppenpsychotherapie in den Jahren 2006 und 2007 kennt.
Entsprechendes gilt für die von dem Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Aus diesen kann allenfalls gefolgert werden, dass der behandelnde Arzt den Kläger durchgehend für arbeitsunfähig hielt. Damit wird der erforderliche Beweis indes nicht geführt, zum einen weil die Arbeitsunfähigkeit der Erwerbsunfähigkeit nicht gleichsteht, zum anderen aber auch deshalb, weil der Einschätzung des behandelnden Arztes, den aus dem Patientenverhältnis heraus ein Vertrauensverhältnis mit dem Kläger verbindet, beweisrechtlich ein wesentlich geringerer Stellenwert zukommt als dem Gutachten eines renommierten und neutralen, gerichtlich bestellten Sachverständigen.
c)
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Frage der Erwerbsfähigkeit sich nicht anders darstellt als in dem Urteil angenommen wird, dessen Abänderung der Kläger begehrt, bzw. in dem Berufungsurteil, mit dem die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen wurde. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Verschlechterung der Erwerbschancen liegt bei dem Kläger als Unterhaltspflichtigem (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., vor § 1601 Rdn. 68, 69, 71). In dem Berufungsurteil heißt es: „Denn der [… Kläger …] ist auch unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands in der Lage zu arbeiten und eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben. [….] In Anbetracht der Ausbildung, der Fähigkeiten und der Erwerbsbiographie des [… Klägers …] war daher nicht auszuschließen, dass der [… Kläger …] (bei Steuerklasse I) zumindest einen monatlichen Nettodurchschnittsverdienst in Höhe von rund 1.800 € erzielen kann. Eine Kürzung dieses fiktiven Einkommens ist nicht veranlasst. Dass unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähige Abzüge vorzunehmen sind, hat der [… Kläger …] nicht substantiiert vorgetragen.“ Diesen Ausführungen schließt der Senat sich an. Sie gelten mangels Darlegung und Beweis von Veränderungen unverändert (vgl. Palandt/Diederichsen, aaO, Rdn. 72) und führen dazu, dass der Kläger – fiktiv – leistungsfähig ist, den drei Beklagten den titulierten Kindesunterhalt zu zahlen. Dabei kann dahinstehen, ob wegen ersparter Wohnkosten der Selbstbehalt zu kürzen ist.
d)
Auf den Umstand, dass die Beklagten Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) beziehen, kommt es nicht an. Streitgegenständlich sind nämlich allein die nach Rechtshängigkeit der Abänderungsklage entstandenen Unterhaltsansprüche. Deshalb ergibt sich bereits aus § 265 Abs. 2 ZPO, dass ein etwaiger Anspruchsübergang gemäß § 7 UVG vorliegend unbeachtlich ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1997, 278).
2. Berufung des Klägers
Hat angesichts der anzunehmenden Leistungsfähigkeit des Klägers die Berufung der Beklagten Erfolg, ergibt sich zugleich, dass die auf die Behauptung der Leistungsunfähigkeit gestützte Berufung des Klägers zurückzuweisen war.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Kläger hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen unter dem Gesichtspunkt der Überprüfung der Aussagefähigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. In Betracht käme vorliegend allein die Zulassung der Revision, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG, § 543 Abs. 2 ZPO. Der Senat hat jedoch von einer Zulassung abgesehen. Die Zulassungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt, § 543 Abs. 2 ZPO. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die beweisrechtliche Bedeutung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des behandelnden Arztes im vorliegenden Zusammenhang umstritten oder ungeklärt wäre (vgl. nur Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 1 Rdn. 532 m.w.N.). Der Kläger verkennt, dass die unterhaltsrechtliche Frage der Erwerbsunfähigkeit der arbeitsrechtlichen Frage der Arbeitsunfähigkeit nicht entspricht und dass deshalb den von ihm vorgelegten Urteilen von Arbeitsgerichten vorliegend keine entscheidende Bedeutung zukommt.
OLG Hamm. Urteil vom 09.11.2010
II-3 UF 177/09