Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.03.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn (47 F 528/08) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 3.442,32 EUR festgesetzt ((536,86 € – 300,00 €) x 12 + 600,00 €).
Gründe
Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keine Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 19.07.2010 Bezug genommen.
Die Ausführungen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 16.8.2010 rechtfertigen keine andere Bewertung.
Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe „einen etwaigen Anspruch auf Befristung des Unterhaltsanspruches der Beklagten verwirkt“, greift nicht durch. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.4.2006 die Rechtsprechung zur Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts grundlegend geändert und nicht mehr entscheidend auf die lange Dauer der Ehe, sondern vorgreiflich auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abgestellt (vgl. BGH FamRZ 2006, 1006, 1007 f.). Es ist allgemein anerkannt, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Unterhaltsvereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind (vgl. nur BGH FamRZ 2010,192 m. w. N.). Ein Ausschluss der Abänderbarkeit eines Unterhaltsvergleichs wegen nachträglicher Änderung der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung, für die derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der sich darauf beruft. (vgl. BGH FamRZ 2010, 192).
Umstände für einen Ausschluss der Abänderbarkeit hat die demnach darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan, noch sind diese sonst ersichtlich. Vielmehr liegt es hier nahe, dass jedenfalls nachträgliche gesetzliche Änderungen oder Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich unmittelbar auf den geschuldeten Unterhalt auswirken, Berücksichtigung finden müssen. Bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung am 14.12.1993 war die spätere Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Möglichkeit einer Befristung auch bei lang andauernder Ehe nicht absehbar. Die vereinbarte unbefristete Verpflichtung zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt entsprach der damaligen Rechtspraxis, wonach bei einer – wie hier – über 25-jährigen Dauer der Ehe eine Befristung nicht aufgenommen wurde. Dass die Parteien eine spezielle Regelung zur Befristung treffen wollten, lässt sich der Scheidungsfolgenvereinbarung gerade nicht entnehmen.
Dem Kläger kann nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht bereits die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.4.2006 zum Anlass genommen hat, eine Abänderung des titulierten Unterhalts zu begehren, sondern erst Ende 2008 eine Abänderungsklage eingereicht hat, nachdem er im Juli 2008 in den Ruhestand versetzt wurde. Im April 2006 bezog die Beklagte bereits Rente. Ihre eigene wirtschaftliche Lebensstellung wurde durch die zeitlich verzögerte Einreichung der Abänderungsklage nicht nachteilig beeinflusst.
Wie bereits eingehend in dem Beschluss des Senats vom 19.7.2010 ausgeführt, ist es unerheblich, dass der Kläger seine Abänderungsklage nicht ausdrücklich auf die Norm des § 1578 b BGB gestützt hat. Eine „Verwirkung“ vermag weder die über 15-jährige ordnungsgemäße Erfüllung des titulierten Unterhaltsanspruchs noch das prozessuale Verhalten des Klägers zu begründen. Der Gesetzgeber hat gemäß § 36 Nr. 1 EGZPO ausdrücklich die Abänderung von sog. Alttiteln zugelassen. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Unterhaltsberechtigte bereits selbst Rente bezieht. Der Gesetzgeber hat durch die Unterhaltsrechtsreform einer dauerhaften, nicht abänderbaren Lebensstandardsgarantie eine Absage erteilt. Vielmehr ist eine umfassende Billigkeitsprüfung im Einzelfall vorzunehmen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Ausführungen in dem Hinweisbeschluss vom 19.7.2010.
Die wiederholte Behauptung der Beklagte, sie hätte die Abschlussprüfung noch gemacht, wenn sie nicht den Kläger kennengelernt, geheiratet, die besprochene Rollenverteilung in der Ehe übernommen und reifer geworden wäre, bleibt weiterhin nicht nachvollziehbar. Es bleibt dabei, dass die Beklagte bei Eingehung der Ehe 24 Jahre alt war und nach Beendigung der Schule zu dieser Zeit bereits seit über neun Jahren im Berufsleben stand, zunächst als Auszubildende und dann als Verkäuferin ohne Abschlussprüfung. Ein schwaches Selbstbewusstsein der Beklagten bedingt durch ein dominantes Elternhaus bei Eingehung der Ehe vermag einen ehebedingten Nachteil nicht zu begründen.
Der Senat ist in seinem Beschluss vom 19.7.2010 nicht von einem zu hohen Einkommen der Beklagten ausgegangen. Ausweislich des vorgelegten Rentenbescheides bezieht die Beklagte nach Abzug der gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge eine Rente von 1530 €. In seinem Beschluss vom 19.7.2010 hat der Senat festgestellt, dass die Beklagte bei einer Rente von 1530 € netto nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht schlechter gestellt ist, als hätte sie durchgängig als Verkäuferin gearbeitet. Die Kosten für eine Zusatzversicherung (Kranken- und Pflegeversicherung), welche die Beklagte mit 150 € monatlich angegeben hat, fielen auch an, wenn die Beklagte durchgängig als Verkäuferin gearbeitet hätte. Die Beklagte ist somit in der Lage, ihren angemessenen Bedarf, der sich nach den zu erwartenden Renteneinkünften einer durchgängig erwerbstätigen Verkäuferin richtet, selbst zu decken.
Schließlich weist der Senat nochmals darauf hin, dass das angefochtene Urteil nicht auf einem Verfahrensfehler beruht. Selbst wenn das Amtsgericht nicht auf die Möglichkeit einer Herabsetzung oder Befristung hingewiesen haben sollte, so hatte die Beklagte in der Berufungsbegründung und in dem Schriftsatz vom 16.8.2010 Gelegenheit, zu dieser Frage umfassend Stellung zu nehmen. Ihr umfangreicher Vortrag vermag indes, wie bereits in dem Hinweisbeschluss und in den obigen Erwägungen ausgeführt, eine andere rechtliche Bewertung nicht zu rechtfertigen. Der Unterhaltsanspruch ist auf Grund der objektiv vorliegenden Kriterien gemäß § 1578 b BGB wie in dem angefochtenen Urteil zunächst stufenweise herabzusetzen und sodann bis einschließlich 2010 zu befristen, da ein unbefristeter Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Der Senat nimmt Bezug auf die Billigkeitsabwägung in dem angefochtenen Urteil und in dem Beschluss vom 19.7.2010.
Einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO stehen weder die grundsätzliche Bedeutung der Sache noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung entgegen. Im Falle einer Entscheidung des Senats durch Urteil, wäre die Revision nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Billigkeitsabwägung gemäß § 1578 b BGB beruht auf Erwägungen, die konkret auf den vorliegenden Einzelfall bezogen sind. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu. Die Erwägungen zur Befristung oder Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs entsprechen den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
Eine Niederschlagung der Kosten für das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten zum Wohnwert kommt nicht in Betracht, weil keine unrichtige Sachbehandlung durch das Familiengericht gemäß § 21 GKG vorliegt. Eine Änderung der rechtlichen Beurteilung durch das Gericht während eines laufenden Prozesses bedeutet für sich genommen keine unrichtige Sachbehandlung. Vielmehr darf und muss das Gericht seine Rechtsauffassung stets selbstkritisch hinterfragen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., 2007, §, Kostengesetze, 37. Aufl., § 21, Rn. 30); zumal vorliegend ein Wechsel in der Person der zuständigen Abteilungsrichterin stattgefunden hat.
OLG Köln, Beschluss vom 23.08.2010
4 UF 81/10