Allein der Umstand, dass der Unterhaltsschuldner in Polen lebt, führt nicht zur Mutwilligkeit einer Klage auf Zahlung des Mindestunterhalts.
hat der 13. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Richterin am Oberlandesgericht … als Einzelrichterin
am 29. Juni 2010
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nordhorn vom 11.05.2010 geändert und der Antragsstellerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.
Gründe
I.
Die am 28.06.1998 geborene Antragsstellerin ist das eheliche Kind des Antragsgegners. Sie begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung des Mindestunterhalts. Die Antragsstellerin und ihre gesetzliche Vertreterin leben in Deutschland und haben wie der Antragsgegner die polnische Staatsangehörigkeit.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Verfahrenskostenhilfe versagt. Eine verständige Partei in der Lage der Antragsstellerin würde einen solchen Rechtsstreit wegen der schlechten Vollstreckungsaussichten nicht führen. Der Antragsgegner sei Pole, lebe dort und habe das Land nach dem bisherigen Sachvortrag noch nie verlassen. Aus dem Scheidungsurteil aus dem Jahr 2008 gehe hervor, dass er dem Alkohol verfallen sei. Hiergegen wendet sich die Antragsstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung liegen vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat auch die erforderliche Aussicht auf Erfolg. Die deutschen Gerichte sind international zuständig gemäß Art. 5 Nr. 2 der Brüssel IVO. Gemäß Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist deutsches Recht anwendbar. Danach muss das Kind bei Geltendmachung des Mindestunterhalts weder zu seinem Bedarf noch zu der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten vortragen (Luthin/Koch/Schürmann, Handbuch des Unterhaltsrechts, 11. Aufl. 2010, Rz. 4120).
2. Die Rechtsverfolgung ist auch nicht – wie das Familiengericht meint – mutwillig. Mutwilligkeit im Sinne von § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO könnte allenfalls dann vorliegen, wenn aus die Gesamtumstände den sicheren Schluss auf die Leistungsunfähigkeit des Antragsstellers erlaubten oder ein erstrittenes Urteil dauerhaft nicht vollstreckbar wäre (vgl. OLG Saarbrücken, JAmt 2007, 223 zu einem Unterhaltsschuldner in K…). Derartige Schlüsse können hier weder aus der Tatsache gezogen werden, dass der Antragsgegner Pole ist und in Polen lebt, noch aus dem Umstand, dass er ausweislich des Scheidungsurteils aus dem Jahre 2008 ´dem Alkohol verfallen´ sein soll. Ob der Antragsgegner tatsächlich alkoholabhängig ist und ob und in welchem Ausmaß dies seine heutige Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, steht nicht fest. Immerhin soll er nach Angaben der Antragsstellerin während der Ehe trotz Alkoholkonsums Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung erzielt haben und in Polen ein Grundstück besitzen. Im Übrigen beruhen die Feststellungen im Scheidungsurteil allein auf den Angaben der Ehefrau und sind im Rahmen der nach dem polnischen Scheidungsstatut erforderlichen Schuldfeststellung getroffen worden. Ob und in welchem Ausmaß sie tatsächlich zutreffen, ist ungewiss. Schließlich wäre das Urteil auch in Polen vollstreckbar, und zwar sowohl nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) als auch nach den Bestimmungen der Brüssel IVO über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (Art. 71 Abs. 1 Brüssel IVO. Art. 23 HUVÜ 73. vgl. BGH, BGHZ 182, 188 Rz. 15, 16).
OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010
13 WF 92/10